Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Erde nicht nur nicht unmöglich, sondern sehr wahrscheinlich ist; denn durch diese Hypothese lassen sich nicht bloß alle Erscheinungen der Fi- gurensteine leicht und deutlich erklären, sondern auch alle Einwendun- gen der Diluvianer leicht widerlegen". Unter diesen Diluvianern regte es sich aber, und besonders waren es zwei Männer, welche sich ziem- lich stark gegen die Keimchentheorie aussprachen. Der eine derselben war Dr. Johann Jacob Scheuchzer, Archiater und Chorherr in Zürich (1672-1733). In seinen "Klagen und Rechtfertigungen der Fische" beklagt er sich im Namen der Fische darüber, daß man sie "vor mineralische Stein- und Mergel- Geburth ansehn wollte", und spricht ihnen ihr Recht zu, für die Urerzeuger der jetzt lebenden Fische gehal- ten zu werden. In der kurzen Vorrede zu den in demselben Jahre (1708) erschienenen "Bildnissen verschiedener Fischen, und dero Thei- len, welche in der Sündfluth zu Grund gegangen" erklärt er, früher gleichfalls "dergleichen Figuren als Spiele der Natur" betrachtet zu haben. Es seien ihm aber nach Sammlung einer großen Menge der- gleichen Steine die Augen aufgegangen. Nun bildet er Fischabdrücke aus dem lithographischen Sandstein von Oeningen und dem Glarner Schiefer ab, zwei später berühmt gewordenen Fundorten. Der andere "Diluvianer" und Gegner Lhwyd's ist der Göttinger Professor David Sigismund August Büttner (1660-1728), welcher seine "Rudera diluvii testes i. e. Zeichen und Zeugen der Sündfluth" (1710) der Widerlegung der erwähnten Hypothese und der Begründung der Ansicht von der Sindfluth als Ursache der Versteinerungen wid- met. Büttner ruft aus: "Was meinet der Wahrheits-gierige Leser, ob man sich bei diesem Vortrage mehr über das Vermögen der Phantasie oder Unvermögen des Judicii verwundern soll?" Seine Beweisfüh- rung gegen Lhwyd kräftigt er noch durch Mittheilung eines Schreibens des bekannten Georg Ernst Stahl, welcher in einer ganz netten Art und Weise die physiologischen Ungeheuerlichkeiten kritisirt, welche die Hypothese Lhwyd's enthält. Die Betrachtung der Figurensteine als Naturspiele schwand nun ganz; der Altorfer Professor Joh. Jak. Baier setzt ausdrücklich die durch Umwandlung von Thieren und Pflanzen entstandenen Fossilen den sogenannten Naturspielen gegen- Erde nicht nur nicht unmöglich, ſondern ſehr wahrſcheinlich iſt; denn durch dieſe Hypotheſe laſſen ſich nicht bloß alle Erſcheinungen der Fi- gurenſteine leicht und deutlich erklären, ſondern auch alle Einwendun- gen der Diluvianer leicht widerlegen“. Unter dieſen Diluvianern regte es ſich aber, und beſonders waren es zwei Männer, welche ſich ziem- lich ſtark gegen die Keimchentheorie ausſprachen. Der eine derſelben war Dr. Johann Jacob Scheuchzer, Archiater und Chorherr in Zürich (1672-1733). In ſeinen „Klagen und Rechtfertigungen der Fiſche“ beklagt er ſich im Namen der Fiſche darüber, daß man ſie „vor mineraliſche Stein- und Mergel- Geburth anſehn wollte“, und ſpricht ihnen ihr Recht zu, für die Urerzeuger der jetzt lebenden Fiſche gehal- ten zu werden. In der kurzen Vorrede zu den in demſelben Jahre (1708) erſchienenen „Bildniſſen verſchiedener Fiſchen, und dero Thei- len, welche in der Sündfluth zu Grund gegangen“ erklärt er, früher gleichfalls „dergleichen Figuren als Spiele der Natur“ betrachtet zu haben. Es ſeien ihm aber nach Sammlung einer großen Menge der- gleichen Steine die Augen aufgegangen. Nun bildet er Fiſchabdrücke aus dem lithographiſchen Sandſtein von Oeningen und dem Glarner Schiefer ab, zwei ſpäter berühmt gewordenen Fundorten. Der andere „Diluvianer“ und Gegner Lhwyd's iſt der Göttinger Profeſſor David Sigismund Auguſt Büttner (1660-1728), welcher ſeine „Rudera diluvii testes i. e. Zeichen und Zeugen der Sündfluth“ (1710) der Widerlegung der erwähnten Hypotheſe und der Begründung der Anſicht von der Sindfluth als Urſache der Verſteinerungen wid- met. Büttner ruft aus: „Was meinet der Wahrheits-gierige Leſer, ob man ſich bei dieſem Vortrage mehr über das Vermögen der Phantasie oder Unvermögen des Judicii verwundern ſoll?“ Seine Beweisfüh- rung gegen Lhwyd kräftigt er noch durch Mittheilung eines Schreibens des bekannten Georg Ernſt Stahl, welcher in einer ganz netten Art und Weiſe die phyſiologiſchen Ungeheuerlichkeiten kritiſirt, welche die Hypotheſe Lhwyd's enthält. Die Betrachtung der Figurenſteine als Naturſpiele ſchwand nun ganz; der Altorfer Profeſſor Joh. Jak. Baier ſetzt ausdrücklich die durch Umwandlung von Thieren und Pflanzen entſtandenen Foſſilen den ſogenannten Naturſpielen gegen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0480" n="469"/><fw place="top" type="header">Die Zeit von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> bis <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117523216">Klein</persName>.</fw><lb/> Erde nicht nur nicht unmöglich, ſondern ſehr wahrſcheinlich iſt; denn<lb/> durch dieſe Hypotheſe laſſen ſich nicht bloß alle Erſcheinungen der Fi-<lb/> gurenſteine leicht und deutlich erklären, ſondern auch alle Einwendun-<lb/> gen der Diluvianer leicht widerlegen“. Unter dieſen Diluvianern regte<lb/> es ſich aber, und beſonders waren es zwei Männer, welche ſich ziem-<lb/> lich ſtark gegen die Keimchentheorie ausſprachen. 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Die Zeit von Ray bis Klein.
Erde nicht nur nicht unmöglich, ſondern ſehr wahrſcheinlich iſt; denn
durch dieſe Hypotheſe laſſen ſich nicht bloß alle Erſcheinungen der Fi-
gurenſteine leicht und deutlich erklären, ſondern auch alle Einwendun-
gen der Diluvianer leicht widerlegen“. Unter dieſen Diluvianern regte
es ſich aber, und beſonders waren es zwei Männer, welche ſich ziem-
lich ſtark gegen die Keimchentheorie ausſprachen. Der eine derſelben
war Dr. Johann Jacob Scheuchzer, Archiater und Chorherr in
Zürich (1672-1733). In ſeinen „Klagen und Rechtfertigungen der
Fiſche“ beklagt er ſich im Namen der Fiſche darüber, daß man ſie „vor
mineraliſche Stein- und Mergel- Geburth anſehn wollte“, und ſpricht
ihnen ihr Recht zu, für die Urerzeuger der jetzt lebenden Fiſche gehal-
ten zu werden. In der kurzen Vorrede zu den in demſelben Jahre
(1708) erſchienenen „Bildniſſen verſchiedener Fiſchen, und dero Thei-
len, welche in der Sündfluth zu Grund gegangen“ erklärt er, früher
gleichfalls „dergleichen Figuren als Spiele der Natur“ betrachtet zu
haben. Es ſeien ihm aber nach Sammlung einer großen Menge der-
gleichen Steine die Augen aufgegangen. Nun bildet er Fiſchabdrücke
aus dem lithographiſchen Sandſtein von Oeningen und dem Glarner
Schiefer ab, zwei ſpäter berühmt gewordenen Fundorten. Der andere
„Diluvianer“ und Gegner Lhwyd's iſt der Göttinger Profeſſor David
Sigismund Auguſt Büttner (1660-1728), welcher ſeine
„Rudera diluvii testes i. e. Zeichen und Zeugen der Sündfluth“
(1710) der Widerlegung der erwähnten Hypotheſe und der Begründung
der Anſicht von der Sindfluth als Urſache der Verſteinerungen wid-
met. Büttner ruft aus: „Was meinet der Wahrheits-gierige Leſer, ob
man ſich bei dieſem Vortrage mehr über das Vermögen der Phantasie
oder Unvermögen des Judicii verwundern ſoll?“ Seine Beweisfüh-
rung gegen Lhwyd kräftigt er noch durch Mittheilung eines Schreibens
des bekannten Georg Ernſt Stahl, welcher in einer ganz netten
Art und Weiſe die phyſiologiſchen Ungeheuerlichkeiten kritiſirt, welche
die Hypotheſe Lhwyd's enthält. Die Betrachtung der Figurenſteine
als Naturſpiele ſchwand nun ganz; der Altorfer Profeſſor Joh. Jak.
Baier ſetzt ausdrücklich die durch Umwandlung von Thieren und
Pflanzen entſtandenen Foſſilen den ſogenannten Naturſpielen gegen-
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