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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Bekanntschaft mit den meisten Naturerzeugnissen, vorzüglich zunächst
der Pflanzen, seines Wohnorts. Zum Studium der Theologie be-
stimmt, sollte er auf der Schule zu Wexiö (1717-1724), dann auf
dem dortigen Gymnasium (bis 1727) für die Universität vorbereitet
werden. Nach kurzem Aufenthalt auf dem Gymnasium liefen aber von
seinen Lehrern so ungünstige Berichte über seine Fortschritte ein, daß
der Vater wohl seinen Vorsatz, ihn zur Sicherung seines späteren
Broderwerbs Schuhmacher werden zu lassen, ausgeführt haben würde,
wenn nicht ein Arzt in Wexiö, Johann Rothmann, sich warm für den
jungen Botaniker verwandt und den Vater schließlich bestimmt hätte,
den Sohn Medicin studiren zu lassen. Linne bezog nun die Universität
Lund, wo sich Kilian Stobaeus, der Professor der Botanik, wohl-
wollend seiner annahm und ihm durch Förderung seiner Neigung und
Unterstützung mit reichen litterarischen Hülfsmitteln Gelegenheit gab,
einen sichern Grund für sein an Formenkenntniß schon sehr aus-
gebreitetes Wissen zu legen. In die Zeit seines Aufenthaltes in Lund
(1728) fällt seine heftige Erkrankung in Folge des vermeintlichen Ein-
dringens eines fabelhaften, bis jetzt wenigstens nicht zweifellos auf-
geklärten Wurms, der von Linne sogenannten Furia infernalis. Auf
des genannten Rothmann Rath ging Linne im Herbste 1728, von
seinen Eltern mit einer kleinen Summe ein für allemal ausgerüstet,
nach Upsala, um dort vorzüglich Olaf Rudbeck als Lehrer be-
nutzen zu können. Aus einer drückenden Lage, in welche ihn seine
Mittellosigkeit versetzt hatte, befreite ihn das Wohlwollen des Theologen
Olaf Celsius, welcher mit den Vorarbeiten zu seinem Hierobotanon
beschäftigt durch Zufall einen Einblick in des jungen Studenten bota-
nische Kenntnisse erhalten hatte. 1730 fieng Linne an, als Stellvertreter
für Rudbeck Vorlesungen zu halten; dadurch wurde ihm bei Be-
nutzung von Rudbeck's Bibliothek manches zoologische Werk und auch
Rudbeck's Zeichnungen schwedischer Vögel zugänglich. Wichtig für
Linne war auch die bald nach seiner Ankunft in Upsala gemachte Be-
kanntschaft eines beinahe gleichaltrigen jungen Mannes, mit welchem
er bald eng befreundet wurde und mit welchem er sich, ähnlich wie
früher Ray mit Willughby, in Betreff seiner schon damals gefaßten

Bekanntſchaft mit den meiſten Naturerzeugniſſen, vorzüglich zunächſt
der Pflanzen, ſeines Wohnorts. Zum Studium der Theologie be-
ſtimmt, ſollte er auf der Schule zu Wexiö (1717-1724), dann auf
dem dortigen Gymnaſium (bis 1727) für die Univerſität vorbereitet
werden. Nach kurzem Aufenthalt auf dem Gymnaſium liefen aber von
ſeinen Lehrern ſo ungünſtige Berichte über ſeine Fortſchritte ein, daß
der Vater wohl ſeinen Vorſatz, ihn zur Sicherung ſeines ſpäteren
Broderwerbs Schuhmacher werden zu laſſen, ausgeführt haben würde,
wenn nicht ein Arzt in Wexiö, Johann Rothmann, ſich warm für den
jungen Botaniker verwandt und den Vater ſchließlich beſtimmt hätte,
den Sohn Medicin ſtudiren zu laſſen. Linné bezog nun die Univerſität
Lund, wo ſich Kilian Stobaeus, der Profeſſor der Botanik, wohl-
wollend ſeiner annahm und ihm durch Förderung ſeiner Neigung und
Unterſtützung mit reichen litterariſchen Hülfsmitteln Gelegenheit gab,
einen ſichern Grund für ſein an Formenkenntniß ſchon ſehr aus-
gebreitetes Wiſſen zu legen. In die Zeit ſeines Aufenthaltes in Lund
(1728) fällt ſeine heftige Erkrankung in Folge des vermeintlichen Ein-
dringens eines fabelhaften, bis jetzt wenigſtens nicht zweifellos auf-
geklärten Wurms, der von Linné ſogenannten Furia infernalis. Auf
des genannten Rothmann Rath ging Linné im Herbſte 1728, von
ſeinen Eltern mit einer kleinen Summe ein für allemal ausgerüſtet,
nach Upſala, um dort vorzüglich Olaf Rudbeck als Lehrer be-
nutzen zu können. Aus einer drückenden Lage, in welche ihn ſeine
Mittelloſigkeit verſetzt hatte, befreite ihn das Wohlwollen des Theologen
Olaf Celſius, welcher mit den Vorarbeiten zu ſeinem Hierobotanon
beſchäftigt durch Zufall einen Einblick in des jungen Studenten bota-
niſche Kenntniſſe erhalten hatte. 1730 fieng Linné an, als Stellvertreter
für Rudbeck Vorleſungen zu halten; dadurch wurde ihm bei Be-
nutzung von Rudbeck's Bibliothek manches zoologiſche Werk und auch
Rudbeck's Zeichnungen ſchwediſcher Vögel zugänglich. Wichtig für
Linné war auch die bald nach ſeiner Ankunft in Upſala gemachte Be-
kanntſchaft eines beinahe gleichaltrigen jungen Mannes, mit welchem
er bald eng befreundet wurde und mit welchem er ſich, ähnlich wie
früher Ray mit Willughby, in Betreff ſeiner ſchon damals gefaßten

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[493/0504] Carl von Linné. Bekanntſchaft mit den meiſten Naturerzeugniſſen, vorzüglich zunächſt der Pflanzen, ſeines Wohnorts. Zum Studium der Theologie be- ſtimmt, ſollte er auf der Schule zu Wexiö (1717-1724), dann auf dem dortigen Gymnaſium (bis 1727) für die Univerſität vorbereitet werden. Nach kurzem Aufenthalt auf dem Gymnaſium liefen aber von ſeinen Lehrern ſo ungünſtige Berichte über ſeine Fortſchritte ein, daß der Vater wohl ſeinen Vorſatz, ihn zur Sicherung ſeines ſpäteren Broderwerbs Schuhmacher werden zu laſſen, ausgeführt haben würde, wenn nicht ein Arzt in Wexiö, Johann Rothmann, ſich warm für den jungen Botaniker verwandt und den Vater ſchließlich beſtimmt hätte, den Sohn Medicin ſtudiren zu laſſen. Linné bezog nun die Univerſität Lund, wo ſich Kilian Stobaeus, der Profeſſor der Botanik, wohl- wollend ſeiner annahm und ihm durch Förderung ſeiner Neigung und Unterſtützung mit reichen litterariſchen Hülfsmitteln Gelegenheit gab, einen ſichern Grund für ſein an Formenkenntniß ſchon ſehr aus- gebreitetes Wiſſen zu legen. In die Zeit ſeines Aufenthaltes in Lund (1728) fällt ſeine heftige Erkrankung in Folge des vermeintlichen Ein- dringens eines fabelhaften, bis jetzt wenigſtens nicht zweifellos auf- geklärten Wurms, der von Linné ſogenannten Furia infernalis. Auf des genannten Rothmann Rath ging Linné im Herbſte 1728, von ſeinen Eltern mit einer kleinen Summe ein für allemal ausgerüſtet, nach Upſala, um dort vorzüglich Olaf Rudbeck als Lehrer be- nutzen zu können. Aus einer drückenden Lage, in welche ihn ſeine Mittelloſigkeit verſetzt hatte, befreite ihn das Wohlwollen des Theologen Olaf Celſius, welcher mit den Vorarbeiten zu ſeinem Hierobotanon beſchäftigt durch Zufall einen Einblick in des jungen Studenten bota- niſche Kenntniſſe erhalten hatte. 1730 fieng Linné an, als Stellvertreter für Rudbeck Vorleſungen zu halten; dadurch wurde ihm bei Be- nutzung von Rudbeck's Bibliothek manches zoologiſche Werk und auch Rudbeck's Zeichnungen ſchwediſcher Vögel zugänglich. Wichtig für Linné war auch die bald nach ſeiner Ankunft in Upſala gemachte Be- kanntſchaft eines beinahe gleichaltrigen jungen Mannes, mit welchem er bald eng befreundet wurde und mit welchem er ſich, ähnlich wie früher Ray mit Willughby, in Betreff ſeiner ſchon damals gefaßten

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 493. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/504>, abgerufen am 22.11.2024.