Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. Klein, in der Bezeichnung dieser verschiedenen einander untergeordnetenGruppen die allergrößte Willkür herrschte, tritt die erwähnte sichere Abgrenzung bereits in der ersten Auflage des Natursystems auf. Dabei hebt aber Linne selbst hervor, daß diese Gruppen in gewisser Weise künstliche seien, daß dagegen die Auffindung des natürlichen Systems die Hauptaufgabe bilde. Für die Botanik theilt er in der "Philosophie" eine versuchsweise Aufzählung der natürlichen Gruppen mit, welche zwar noch nicht die Bezeichnung Familie tragen, welche aber vollstän- dig den später so genannten Abtheilungen entsprechen. -- Von der größten Bedeutung war aber die Feststellung des Begriffes der Art als des systematischen Ausgangspunktes. Auch hier weist er schon in der ersten Auflage des Natursystems darauf hin, daß die Individuen- zahl in jeder Species sich beständig vergrößere, aber rückwärts ver- folgt schließlich auf ein Paar oder ein Zwitterindividuum führe. Es gibt keine neue Arten; Aehnliches gebiert nur Aehnliches. Dies sind die Grundsätze, welche später in der Philosophie der Botanik nur weiter formulirt werden: "Es gibt so viel Species, als ursprünglich erschaffen worden sind." Diese "Formen haben nach den Gesetzen der Zeugung mehrere, aber immer sich selbst ähnliche hervorgebracht." Es findet sich also hier der von Ray zuerst hervorgehobene Gesichtspunkt in scharf ausgesprochener dogmatisirter Form. Dabei ist indeß zu bemerken, daß trotz dieser, in der Fixirtheit der Arten liegenden Beschränkung Linne weiter blickte und die Gattungen gleichfalls für natürliche, die Ord- nungen und Classen aber für Werke der Natur und Kunst erklärte. Dies war allerdings zunächst für die Pflanzen ausgesprochen worden, wo die Gattungen durch ein Merkmal höherer Ordnung ausgezeichnet und anatomisch charakterisirt werden sollten. Es ist aber diese Erklärung bezeichnend für Linne's ganze Auffassung. Nur consequent war es, wenn die Species als von der Natur gegeben betrachtet wurden, die Uebereinstimmung in einer gewissen Merkmalgruppe auch für den Be- weis einer natürlichen Zusammengehörigkeit gewisser Arten anzusehen und daher die Gattungen für vollständig natürliche, die Ordnungen und Classen für theilweise natürliche, theilweise künstliche Gruppen zu hal- ten. Das Natürliche bei den letzten weiten Gruppen sucht Linne in Periode der Syſtematik. Klein, in der Bezeichnung dieſer verſchiedenen einander untergeordnetenGruppen die allergrößte Willkür herrſchte, tritt die erwähnte ſichere Abgrenzung bereits in der erſten Auflage des Naturſyſtems auf. Dabei hebt aber Linné ſelbſt hervor, daß dieſe Gruppen in gewiſſer Weiſe künſtliche ſeien, daß dagegen die Auffindung des natürlichen Syſtems die Hauptaufgabe bilde. Für die Botanik theilt er in der „Philoſophie“ eine verſuchsweiſe Aufzählung der natürlichen Gruppen mit, welche zwar noch nicht die Bezeichnung Familie tragen, welche aber vollſtän- dig den ſpäter ſo genannten Abtheilungen entſprechen. — Von der größten Bedeutung war aber die Feſtſtellung des Begriffes der Art als des ſyſtematiſchen Ausgangspunktes. Auch hier weiſt er ſchon in der erſten Auflage des Naturſyſtems darauf hin, daß die Individuen- zahl in jeder Species ſich beſtändig vergrößere, aber rückwärts ver- folgt ſchließlich auf ein Paar oder ein Zwitterindividuum führe. Es gibt keine neue Arten; Aehnliches gebiert nur Aehnliches. Dies ſind die Grundſätze, welche ſpäter in der Philoſophie der Botanik nur weiter formulirt werden: „Es gibt ſo viel Species, als urſprünglich erſchaffen worden ſind.“ Dieſe „Formen haben nach den Geſetzen der Zeugung mehrere, aber immer ſich ſelbſt ähnliche hervorgebracht.„ Es findet ſich alſo hier der von Ray zuerſt hervorgehobene Geſichtspunkt in ſcharf ausgeſprochener dogmatiſirter Form. Dabei iſt indeß zu bemerken, daß trotz dieſer, in der Fixirtheit der Arten liegenden Beſchränkung Linné weiter blickte und die Gattungen gleichfalls für natürliche, die Ord- nungen und Claſſen aber für Werke der Natur und Kunſt erklärte. Dies war allerdings zunächſt für die Pflanzen ausgeſprochen worden, wo die Gattungen durch ein Merkmal höherer Ordnung ausgezeichnet und anatomiſch charakteriſirt werden ſollten. Es iſt aber dieſe Erklärung bezeichnend für Linné's ganze Auffaſſung. Nur conſequent war es, wenn die Species als von der Natur gegeben betrachtet wurden, die Uebereinſtimmung in einer gewiſſen Merkmalgruppe auch für den Be- weis einer natürlichen Zuſammengehörigkeit gewiſſer Arten anzuſehen und daher die Gattungen für vollſtändig natürliche, die Ordnungen und Claſſen für theilweiſe natürliche, theilweiſe künſtliche Gruppen zu hal- ten. Das Natürliche bei den letzten weiten Gruppen ſucht Linné in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0511" n="500"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117523216">Klein</persName>, in der Bezeichnung dieſer verſchiedenen einander untergeordneten<lb/> Gruppen die allergrößte Willkür herrſchte, tritt die erwähnte ſichere<lb/> Abgrenzung bereits in der erſten Auflage des Naturſyſtems auf. Dabei<lb/> hebt aber <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> ſelbſt hervor, daß dieſe Gruppen in gewiſſer Weiſe<lb/> künſtliche ſeien, daß dagegen die Auffindung des natürlichen Syſtems<lb/> die Hauptaufgabe bilde. Für die Botanik theilt er in der „Philoſophie“<lb/> eine verſuchsweiſe Aufzählung der natürlichen Gruppen mit, welche<lb/> zwar noch nicht die Bezeichnung Familie tragen, welche aber vollſtän-<lb/> dig den ſpäter ſo genannten Abtheilungen entſprechen. — Von der<lb/> größten Bedeutung war aber die Feſtſtellung des Begriffes der Art<lb/> als des ſyſtematiſchen Ausgangspunktes. Auch hier weiſt er ſchon in<lb/> der erſten Auflage des Naturſyſtems darauf hin, daß die Individuen-<lb/> zahl in jeder Species ſich beſtändig vergrößere, aber rückwärts ver-<lb/> folgt ſchließlich auf ein Paar oder ein Zwitterindividuum führe. Es<lb/> gibt keine neue Arten; Aehnliches gebiert nur Aehnliches. Dies ſind<lb/> die Grundſätze, welche ſpäter in der Philoſophie der Botanik nur weiter<lb/> formulirt werden: „Es gibt ſo viel Species, als urſprünglich erſchaffen<lb/> worden ſind.“ Dieſe „Formen haben nach den Geſetzen der Zeugung<lb/> mehrere, aber immer ſich ſelbſt ähnliche hervorgebracht.„ Es findet ſich<lb/> alſo hier der von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> zuerſt hervorgehobene Geſichtspunkt in ſcharf<lb/> ausgeſprochener dogmatiſirter Form. Dabei iſt indeß zu bemerken, daß<lb/> trotz dieſer, in der Fixirtheit der Arten liegenden Beſchränkung <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName><lb/> weiter blickte und die Gattungen gleichfalls für natürliche, die Ord-<lb/> nungen und Claſſen aber für Werke der Natur und Kunſt erklärte.<lb/> Dies war allerdings zunächſt für die Pflanzen ausgeſprochen worden,<lb/> wo die Gattungen durch ein Merkmal höherer Ordnung ausgezeichnet<lb/> und anatomiſch charakteriſirt werden ſollten. Es iſt aber dieſe Erklärung<lb/> bezeichnend für <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'s ganze Auffaſſung. Nur conſequent war es,<lb/> wenn die Species als von der Natur gegeben betrachtet wurden, die<lb/> Uebereinſtimmung in einer gewiſſen Merkmalgruppe auch für den Be-<lb/> weis einer natürlichen Zuſammengehörigkeit gewiſſer Arten anzuſehen<lb/> und daher die Gattungen für vollſtändig natürliche, die Ordnungen und<lb/> Claſſen für theilweiſe natürliche, theilweiſe künſtliche Gruppen zu hal-<lb/> ten. Das Natürliche bei den letzten weiten Gruppen ſucht <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> in<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [500/0511]
Periode der Syſtematik.
Klein, in der Bezeichnung dieſer verſchiedenen einander untergeordneten
Gruppen die allergrößte Willkür herrſchte, tritt die erwähnte ſichere
Abgrenzung bereits in der erſten Auflage des Naturſyſtems auf. Dabei
hebt aber Linné ſelbſt hervor, daß dieſe Gruppen in gewiſſer Weiſe
künſtliche ſeien, daß dagegen die Auffindung des natürlichen Syſtems
die Hauptaufgabe bilde. Für die Botanik theilt er in der „Philoſophie“
eine verſuchsweiſe Aufzählung der natürlichen Gruppen mit, welche
zwar noch nicht die Bezeichnung Familie tragen, welche aber vollſtän-
dig den ſpäter ſo genannten Abtheilungen entſprechen. — Von der
größten Bedeutung war aber die Feſtſtellung des Begriffes der Art
als des ſyſtematiſchen Ausgangspunktes. Auch hier weiſt er ſchon in
der erſten Auflage des Naturſyſtems darauf hin, daß die Individuen-
zahl in jeder Species ſich beſtändig vergrößere, aber rückwärts ver-
folgt ſchließlich auf ein Paar oder ein Zwitterindividuum führe. Es
gibt keine neue Arten; Aehnliches gebiert nur Aehnliches. Dies ſind
die Grundſätze, welche ſpäter in der Philoſophie der Botanik nur weiter
formulirt werden: „Es gibt ſo viel Species, als urſprünglich erſchaffen
worden ſind.“ Dieſe „Formen haben nach den Geſetzen der Zeugung
mehrere, aber immer ſich ſelbſt ähnliche hervorgebracht.„ Es findet ſich
alſo hier der von Ray zuerſt hervorgehobene Geſichtspunkt in ſcharf
ausgeſprochener dogmatiſirter Form. Dabei iſt indeß zu bemerken, daß
trotz dieſer, in der Fixirtheit der Arten liegenden Beſchränkung Linné
weiter blickte und die Gattungen gleichfalls für natürliche, die Ord-
nungen und Claſſen aber für Werke der Natur und Kunſt erklärte.
Dies war allerdings zunächſt für die Pflanzen ausgeſprochen worden,
wo die Gattungen durch ein Merkmal höherer Ordnung ausgezeichnet
und anatomiſch charakteriſirt werden ſollten. Es iſt aber dieſe Erklärung
bezeichnend für Linné's ganze Auffaſſung. Nur conſequent war es,
wenn die Species als von der Natur gegeben betrachtet wurden, die
Uebereinſtimmung in einer gewiſſen Merkmalgruppe auch für den Be-
weis einer natürlichen Zuſammengehörigkeit gewiſſer Arten anzuſehen
und daher die Gattungen für vollſtändig natürliche, die Ordnungen und
Claſſen für theilweiſe natürliche, theilweiſe künſtliche Gruppen zu hal-
ten. Das Natürliche bei den letzten weiten Gruppen ſucht Linné in
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |