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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

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Periode der Systematik.
Linne's um die formelle Behandlung der Naturgeschichte dar -- ein
außerordentlich glücklicher Griff, auch für die Bezeichnung der Pflanzen-
und Thierarten selbst eine neue einfache Art der Namengebung einzu-
führen. Die Unbequemlichkeit, Arten, für welche kein einfacher, popu-
lärer Name existirte, nur durch eine langathmige Definition Anderen
wiedererkennbar nennen zu können, wurde um so unerträglicher, je
mehr neue Formen in den Kreis der Besprechungen eintraten. Gattungs-
namen hatte man oder man schuf sie, sobald man versuchte, neue Arten
den schon bekannten anzuschließen; noch fehlte es aber an einer kurzen
Bezeichnung für die Species. Da führte er die binäre Nomenclatur
ein, indem er dem Gattungsnamen einen sogenannten Trivialnamen
für die Art zufügte. Den ersten Gebrauch von solchen machte er offen-
bar nur in der Absicht, die aufgeführten Arten kurz bezeichnen zu kön-
nen, in der Dissertation Pan suecicus 1749. In der Philosophie der
Botanik sagt er dann (1751): "Vielleicht könnte man Trivialnamen
einführen in der Weise, wie ich solche im Pan gebraucht habe." Durch-
geführt erscheint die binäre Nomenclatur zuerst in den Species planta-
rum 1753
und auf alle drei Reiche der Natur ausgedehnt in der zehnten,
beziehentlich (für die Mineralogie) zwölften Ausgabe des Natursystems.
Es braucht kaum darauf aufmerksam gemacht zu werden, welche Erleich-
terung diese Methode der Namengebung gewährt hat und noch gewährt.
Dabei hatte aber Linne noch eine weitere Benutzung dieser Trivial-
namen im Auge, er glaubte nämlich, daß man möglicherweise durch die
Wahl einer bestimmten Endung des Trivialnamens, gleich äußerlich
dem Gedächtniß zu Hülfe kommend, andeuten könne, welcher größeren
oder kleineren Gruppe die in einer solchen Weise benannte Art zugehöre.
Hierdurch entstanden die Endungen der Artnamen in den einzelnen
Gruppen der Schmetterlinge auf -- aria, -- ata, -- alis, -- ella,
dactyla
46). Es kann im Ganzen indessen nur gebilligt werden, daß
diesem Vorschlage nicht weiter Folge gegeben worden ist, da ein derar-
tiger Zwang dem völlig arbiträren Charakter des Namens Abbruch thut.


46) Er sagt: "optandum foret, ut pari modo tota scientia potuisset institui.
Was ihm die scientia ist, geht aus der Einleitung (10. Ausg.) hervor: "Scientia
naturae innititur cognitioni Naturalium methodicae et nomenclaturae syste-

Periode der Syſtematik.
Linné's um die formelle Behandlung der Naturgeſchichte dar — ein
außerordentlich glücklicher Griff, auch für die Bezeichnung der Pflanzen-
und Thierarten ſelbſt eine neue einfache Art der Namengebung einzu-
führen. Die Unbequemlichkeit, Arten, für welche kein einfacher, popu-
lärer Name exiſtirte, nur durch eine langathmige Definition Anderen
wiedererkennbar nennen zu können, wurde um ſo unerträglicher, je
mehr neue Formen in den Kreis der Beſprechungen eintraten. Gattungs-
namen hatte man oder man ſchuf ſie, ſobald man verſuchte, neue Arten
den ſchon bekannten anzuſchließen; noch fehlte es aber an einer kurzen
Bezeichnung für die Species. Da führte er die binäre Nomenclatur
ein, indem er dem Gattungsnamen einen ſogenannten Trivialnamen
für die Art zufügte. Den erſten Gebrauch von ſolchen machte er offen-
bar nur in der Abſicht, die aufgeführten Arten kurz bezeichnen zu kön-
nen, in der Diſſertation Pan suecicus 1749. In der Philoſophie der
Botanik ſagt er dann (1751): „Vielleicht könnte man Trivialnamen
einführen in der Weiſe, wie ich ſolche im Pan gebraucht habe.“ Durch-
geführt erſcheint die binäre Nomenclatur zuerſt in den Species planta-
rum 1753
und auf alle drei Reiche der Natur ausgedehnt in der zehnten,
beziehentlich (für die Mineralogie) zwölften Ausgabe des Naturſyſtems.
Es braucht kaum darauf aufmerkſam gemacht zu werden, welche Erleich-
terung dieſe Methode der Namengebung gewährt hat und noch gewährt.
Dabei hatte aber Linné noch eine weitere Benutzung dieſer Trivial-
namen im Auge, er glaubte nämlich, daß man möglicherweiſe durch die
Wahl einer beſtimmten Endung des Trivialnamens, gleich äußerlich
dem Gedächtniß zu Hülfe kommend, andeuten könne, welcher größeren
oder kleineren Gruppe die in einer ſolchen Weiſe benannte Art zugehöre.
Hierdurch entſtanden die Endungen der Artnamen in den einzelnen
Gruppen der Schmetterlinge auf — aria, — ata, — alis, — ella,
dactyla
46). Es kann im Ganzen indeſſen nur gebilligt werden, daß
dieſem Vorſchlage nicht weiter Folge gegeben worden iſt, da ein derar-
tiger Zwang dem völlig arbiträren Charakter des Namens Abbruch thut.


46) Er ſagt: »optandum foret, ut pari modo tota scientia potuisset institui.
Was ihm die scientia iſt, geht aus der Einleitung (10. Ausg.) hervor: »Scientia
naturae innititur cognitioni Naturalium methodicae et nomenclaturae syste-
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[502/0513] Periode der Syſtematik. Linné's um die formelle Behandlung der Naturgeſchichte dar — ein außerordentlich glücklicher Griff, auch für die Bezeichnung der Pflanzen- und Thierarten ſelbſt eine neue einfache Art der Namengebung einzu- führen. Die Unbequemlichkeit, Arten, für welche kein einfacher, popu- lärer Name exiſtirte, nur durch eine langathmige Definition Anderen wiedererkennbar nennen zu können, wurde um ſo unerträglicher, je mehr neue Formen in den Kreis der Beſprechungen eintraten. Gattungs- namen hatte man oder man ſchuf ſie, ſobald man verſuchte, neue Arten den ſchon bekannten anzuſchließen; noch fehlte es aber an einer kurzen Bezeichnung für die Species. Da führte er die binäre Nomenclatur ein, indem er dem Gattungsnamen einen ſogenannten Trivialnamen für die Art zufügte. Den erſten Gebrauch von ſolchen machte er offen- bar nur in der Abſicht, die aufgeführten Arten kurz bezeichnen zu kön- nen, in der Diſſertation Pan suecicus 1749. In der Philoſophie der Botanik ſagt er dann (1751): „Vielleicht könnte man Trivialnamen einführen in der Weiſe, wie ich ſolche im Pan gebraucht habe.“ Durch- geführt erſcheint die binäre Nomenclatur zuerſt in den Species planta- rum 1753 und auf alle drei Reiche der Natur ausgedehnt in der zehnten, beziehentlich (für die Mineralogie) zwölften Ausgabe des Naturſyſtems. Es braucht kaum darauf aufmerkſam gemacht zu werden, welche Erleich- terung dieſe Methode der Namengebung gewährt hat und noch gewährt. Dabei hatte aber Linné noch eine weitere Benutzung dieſer Trivial- namen im Auge, er glaubte nämlich, daß man möglicherweiſe durch die Wahl einer beſtimmten Endung des Trivialnamens, gleich äußerlich dem Gedächtniß zu Hülfe kommend, andeuten könne, welcher größeren oder kleineren Gruppe die in einer ſolchen Weiſe benannte Art zugehöre. Hierdurch entſtanden die Endungen der Artnamen in den einzelnen Gruppen der Schmetterlinge auf — aria, — ata, — alis, — ella, dactyla 46). Es kann im Ganzen indeſſen nur gebilligt werden, daß dieſem Vorſchlage nicht weiter Folge gegeben worden iſt, da ein derar- tiger Zwang dem völlig arbiträren Charakter des Namens Abbruch thut. 46) Er ſagt: »optandum foret, ut pari modo tota scientia potuisset institui. Was ihm die scientia iſt, geht aus der Einleitung (10. Ausg.) hervor: »Scientia naturae innititur cognitioni Naturalium methodicae et nomenclaturae syste-

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Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/513>, abgerufen am 22.11.2024.