Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.Periode der Systematik. die erstere im vorigen Jahrhundert weitaus die verbreiteste; sie dienteauch noch als Ausgangspunkt für die am Ende jenes Zeitraums ein- tretende Wendung. Obschon sich aber die meisten Einzelarbeiten formell ganz an Linne anschlossen, so geschah doch zu einer möglichen Verbesse- rung der Gesammtanordnung des Thierreichs nur wenig Durchgreifen- des. Von den in mehrfacher Zahl erschienenen Uebersetzungen oder Bearbeitung des Natursystems gieng keine auf eine eigentliche Weiter- führung des Linne'schen Baues ein. Es wäre aber unnatürlich gewesen, hätte sich bei den immer ausgebreiteter werdenden Erfahrungen die wissenschaftliche Kritik nicht an dem, durch die stete Benutzung recht auffallend zum Fortentwickeln angelegten Systeme üben wollen. Es sind daher auch mehrere zum Theil bedeutungsvolle Versuche, die An- ordnung immer natürlicher zu machen, hier anzuführen. Der erste noch von Linne selbst mit Vortheil, wenigstens theilweise, benutzte Versuch dieser Art vom Jahre 1756 rührte von dem damaligen Demonstrator an Reaumur's Naturaliencabinet her, von Mathurin Jacques Brisson, geb. 1723, welcher als Professor der Physik 1806 starb. An die Stelle der sechs Linne'schen Classen stellte er deren neun, sie im Ganzen ähnlich begründend. Die Walthiere trennte er von den Fischen, vereinigte sie aber noch nicht ganz mit den Säugethieren, sondern ließ sie als besondere Classe unmittelbar auf dieselben folgen. Den Men- schen schließt er von den Säugethieren gänzlich aus. Vögel und Rep- tilien bildeten die dritte und vierte Classe. Die Knorpelfische werden als selbständige Classe den "eigentlichen" Fischen vorausgeschickt, ebenso die Crustaceen als mit mindestens acht Fußpaaren versehene Glieder- thiere von den Insecten getrennt. Die letzte Classe bilden die Würmer im Linne'schen Sinne. Man sieht, es wird zwar ein Anlauf genommen, die natürlichen Verwandtschaften eingehender zu berücksichtigen; außer den näher liegenden und, mit Bezug auf die Wale sogar von Ray be- reits angedeuteten Aenderungen bieten aber Brisson's Classen nur geringe Verbesserungen der Linne'schen dar; die Ungleichwerthigkeit der letzteren besonders wird nicht zu beseitigen versucht und nicht erkannt. Einen nicht uninteressanten Versuch einer neuen Eintheilung des Thier- reichs machte der Hallische Professor der Physik Johann Peter Periode der Syſtematik. die erſtere im vorigen Jahrhundert weitaus die verbreiteſte; ſie dienteauch noch als Ausgangspunkt für die am Ende jenes Zeitraums ein- tretende Wendung. Obſchon ſich aber die meiſten Einzelarbeiten formell ganz an Linné anſchloſſen, ſo geſchah doch zu einer möglichen Verbeſſe- rung der Geſammtanordnung des Thierreichs nur wenig Durchgreifen- des. Von den in mehrfacher Zahl erſchienenen Ueberſetzungen oder Bearbeitung des Naturſyſtems gieng keine auf eine eigentliche Weiter- führung des Linné'ſchen Baues ein. Es wäre aber unnatürlich geweſen, hätte ſich bei den immer ausgebreiteter werdenden Erfahrungen die wiſſenſchaftliche Kritik nicht an dem, durch die ſtete Benutzung recht auffallend zum Fortentwickeln angelegten Syſteme üben wollen. Es ſind daher auch mehrere zum Theil bedeutungsvolle Verſuche, die An- ordnung immer natürlicher zu machen, hier anzuführen. Der erſte noch von Linné ſelbſt mit Vortheil, wenigſtens theilweiſe, benutzte Verſuch dieſer Art vom Jahre 1756 rührte von dem damaligen Demonſtrator an Reaumur's Naturaliencabinet her, von Mathurin Jacques Briſſon, geb. 1723, welcher als Profeſſor der Phyſik 1806 ſtarb. An die Stelle der ſechs Linné'ſchen Claſſen ſtellte er deren neun, ſie im Ganzen ähnlich begründend. Die Walthiere trennte er von den Fiſchen, vereinigte ſie aber noch nicht ganz mit den Säugethieren, ſondern ließ ſie als beſondere Claſſe unmittelbar auf dieſelben folgen. Den Men- ſchen ſchließt er von den Säugethieren gänzlich aus. Vögel und Rep- tilien bildeten die dritte und vierte Claſſe. Die Knorpelfiſche werden als ſelbſtändige Claſſe den „eigentlichen“ Fiſchen vorausgeſchickt, ebenſo die Cruſtaceen als mit mindeſtens acht Fußpaaren verſehene Glieder- thiere von den Inſecten getrennt. Die letzte Claſſe bilden die Würmer im Linné'ſchen Sinne. Man ſieht, es wird zwar ein Anlauf genommen, die natürlichen Verwandtſchaften eingehender zu berückſichtigen; außer den näher liegenden und, mit Bezug auf die Wale ſogar von Ray be- reits angedeuteten Aenderungen bieten aber Briſſon's Claſſen nur geringe Verbeſſerungen der Linné'ſchen dar; die Ungleichwerthigkeit der letzteren beſonders wird nicht zu beſeitigen verſucht und nicht erkannt. Einen nicht unintereſſanten Verſuch einer neuen Eintheilung des Thier- reichs machte der Halliſche Profeſſor der Phyſik Johann Peter <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0551" n="540"/><fw place="top" type="header">Periode der Syſtematik.</fw><lb/> die erſtere im vorigen Jahrhundert weitaus die verbreiteſte; ſie diente<lb/> auch noch als Ausgangspunkt für die am Ende jenes Zeitraums ein-<lb/> tretende Wendung. Obſchon ſich aber die meiſten Einzelarbeiten formell<lb/> ganz an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> anſchloſſen, ſo geſchah doch zu einer möglichen Verbeſſe-<lb/> rung der Geſammtanordnung des Thierreichs nur wenig Durchgreifen-<lb/> des. Von den in mehrfacher Zahl erſchienenen Ueberſetzungen oder<lb/> Bearbeitung des Naturſyſtems gieng keine auf eine eigentliche Weiter-<lb/> führung des <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'ſchen Baues ein. Es wäre aber unnatürlich geweſen,<lb/> hätte ſich bei den immer ausgebreiteter werdenden Erfahrungen die<lb/> wiſſenſchaftliche Kritik nicht an dem, durch die ſtete Benutzung recht<lb/> auffallend zum Fortentwickeln angelegten Syſteme üben wollen. Es<lb/> ſind daher auch mehrere zum Theil bedeutungsvolle Verſuche, die An-<lb/> ordnung immer natürlicher zu machen, hier anzuführen. Der erſte noch<lb/> von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName> ſelbſt mit Vortheil, wenigſtens theilweiſe, benutzte Verſuch<lb/> dieſer Art vom Jahre 1756 rührte von dem damaligen Demonſtrator<lb/> an <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118749420">Reaumur</persName>'s Naturaliencabinet her, von <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117631922">Mathurin Jacques<lb/> Briſſon</persName></hi>, geb. 1723, welcher als Profeſſor der Phyſik 1806 ſtarb.<lb/> An die Stelle der ſechs <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'ſchen Claſſen ſtellte er deren neun, ſie im<lb/> Ganzen ähnlich begründend. Die Walthiere trennte er von den Fiſchen,<lb/> vereinigte ſie aber noch nicht ganz mit den Säugethieren, ſondern ließ<lb/> ſie als beſondere Claſſe unmittelbar auf dieſelben folgen. Den Men-<lb/> ſchen ſchließt er von den Säugethieren gänzlich aus. Vögel und Rep-<lb/> tilien bildeten die dritte und vierte Claſſe. Die Knorpelfiſche werden<lb/> als ſelbſtändige Claſſe den „eigentlichen“ Fiſchen vorausgeſchickt, ebenſo<lb/> die Cruſtaceen als mit mindeſtens acht Fußpaaren verſehene Glieder-<lb/> thiere von den Inſecten getrennt. Die letzte Claſſe bilden die Würmer<lb/> im <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'ſchen Sinne. Man ſieht, es wird zwar ein Anlauf genommen,<lb/> die natürlichen Verwandtſchaften eingehender zu berückſichtigen; außer<lb/> den näher liegenden und, mit Bezug auf die Wale ſogar von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118788000">Ray</persName> be-<lb/> reits angedeuteten Aenderungen bieten aber <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117631922">Briſſon</persName>'s Claſſen nur<lb/> geringe Verbeſſerungen der <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118573349">Linné</persName>'ſchen dar; die Ungleichwerthigkeit der<lb/> letzteren beſonders wird nicht zu beſeitigen verſucht und nicht erkannt.<lb/> Einen nicht unintereſſanten Verſuch einer neuen Eintheilung des Thier-<lb/> reichs machte der Halliſche Profeſſor der Phyſik <hi rendition="#g">Johann Peter</hi><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [540/0551]
Periode der Syſtematik.
die erſtere im vorigen Jahrhundert weitaus die verbreiteſte; ſie diente
auch noch als Ausgangspunkt für die am Ende jenes Zeitraums ein-
tretende Wendung. Obſchon ſich aber die meiſten Einzelarbeiten formell
ganz an Linné anſchloſſen, ſo geſchah doch zu einer möglichen Verbeſſe-
rung der Geſammtanordnung des Thierreichs nur wenig Durchgreifen-
des. Von den in mehrfacher Zahl erſchienenen Ueberſetzungen oder
Bearbeitung des Naturſyſtems gieng keine auf eine eigentliche Weiter-
führung des Linné'ſchen Baues ein. Es wäre aber unnatürlich geweſen,
hätte ſich bei den immer ausgebreiteter werdenden Erfahrungen die
wiſſenſchaftliche Kritik nicht an dem, durch die ſtete Benutzung recht
auffallend zum Fortentwickeln angelegten Syſteme üben wollen. Es
ſind daher auch mehrere zum Theil bedeutungsvolle Verſuche, die An-
ordnung immer natürlicher zu machen, hier anzuführen. Der erſte noch
von Linné ſelbſt mit Vortheil, wenigſtens theilweiſe, benutzte Verſuch
dieſer Art vom Jahre 1756 rührte von dem damaligen Demonſtrator
an Reaumur's Naturaliencabinet her, von Mathurin Jacques
Briſſon, geb. 1723, welcher als Profeſſor der Phyſik 1806 ſtarb.
An die Stelle der ſechs Linné'ſchen Claſſen ſtellte er deren neun, ſie im
Ganzen ähnlich begründend. Die Walthiere trennte er von den Fiſchen,
vereinigte ſie aber noch nicht ganz mit den Säugethieren, ſondern ließ
ſie als beſondere Claſſe unmittelbar auf dieſelben folgen. Den Men-
ſchen ſchließt er von den Säugethieren gänzlich aus. Vögel und Rep-
tilien bildeten die dritte und vierte Claſſe. Die Knorpelfiſche werden
als ſelbſtändige Claſſe den „eigentlichen“ Fiſchen vorausgeſchickt, ebenſo
die Cruſtaceen als mit mindeſtens acht Fußpaaren verſehene Glieder-
thiere von den Inſecten getrennt. Die letzte Claſſe bilden die Würmer
im Linné'ſchen Sinne. Man ſieht, es wird zwar ein Anlauf genommen,
die natürlichen Verwandtſchaften eingehender zu berückſichtigen; außer
den näher liegenden und, mit Bezug auf die Wale ſogar von Ray be-
reits angedeuteten Aenderungen bieten aber Briſſon's Claſſen nur
geringe Verbeſſerungen der Linné'ſchen dar; die Ungleichwerthigkeit der
letzteren beſonders wird nicht zu beſeitigen verſucht und nicht erkannt.
Einen nicht unintereſſanten Verſuch einer neuen Eintheilung des Thier-
reichs machte der Halliſche Profeſſor der Phyſik Johann Peter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |