Fortschritte der Systematik und der Kenntniß einzelner Classen.
Crustaceen fern. Und auch O. F. Müller betrachtete sie nur als Ab- theilung der Insecten, wie er die Entomostraken ausdrücklich Insecta testacea, mit Uebersetzung seines neuen Namens, nennt. Ueber die Zeugung und Entwickelung einiger Crustaceen stellte noch Cavolini werthvolle Untersuchungen an (1787).
Wie man im Allgemeinen unter dem Namen "Insecten" noch immer eine größere Thiergruppe im Sinne Linne's verstand, so waren auch die Würmer desselben Zoologen zwar als sehr verschiedenartige Thiere umfassend anerkannt, aber doch noch nicht in einzelne Classen aufgelöst worden. Pallas hatte seinen Vorschlag, welcher auf eine schärfere Sonderung der hier vereinigten Formen hinausgieng, nicht ausführen können, und O. F. Müller untersuchte wohl in muster- hafter Weise verschiedene Abtheilungen, fand aber doch nicht den Schlüssel zu einer naturgemäßen Anordnung der "Würmer". Die Mollusken bilden bei ihm noch immer einen Theil der Würmer, ebenso die Polypen. Gattungen echter Würmer waren verhältnißmäßig wenig bekannt, aber doch Repräsentanten der Hauptabtheilungen. Am meisten Verwunderung erregte die Theilung der Naiden. Diese hatte zuerst Abraham Trembley (geb. 1700 in Genf, gest. daselbst 1784) beobachtet und bei Gelegenheit seiner Polypenuntersuchungen veröffent- licht. Nach ihm hatte dieselbe Erscheinung nur Bonnet und Rösel gesehn, so oft auch sonst der Wurm untersucht worden war. Müller schilderte die Anatomie der Naide sehr genau, allerdings nicht voll- ständig, und beobachtete auf das Eingehendste die Entwickelung nach freiwilliger wie nach künstlicher Theilung72). Ungleich mehr Auf- merksamkeit als die frei lebenden Würmer erregten die Eingeweidewür- mer, zu deren umfassender Kenntniß nun der Grund gelegt wurde. Der Streit über die Herkunft der Helminthen war fast ganz zu Gunsten der Ansicht entschieden, daß sie in den Körpern der Wohnthiere ent- stünden. Den Pallas'schen Bedenken stellte man wie es schien ganz triftige Gründe entgegen, vorzüglich die Unmöglichkeit für diese nur auf ein parasitisches Leben eingerichteten Thiere, im Wasser oder über-
72) Von Würmern des süßen und salzigen Wassers. Kopenhagen, 1771.
Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen.
Cruſtaceen fern. Und auch O. F. Müller betrachtete ſie nur als Ab- theilung der Inſecten, wie er die Entomoſtraken ausdrücklich Insecta testacea, mit Ueberſetzung ſeines neuen Namens, nennt. Ueber die Zeugung und Entwickelung einiger Cruſtaceen ſtellte noch Cavolini werthvolle Unterſuchungen an (1787).
Wie man im Allgemeinen unter dem Namen „Inſecten“ noch immer eine größere Thiergruppe im Sinne Linné's verſtand, ſo waren auch die Würmer deſſelben Zoologen zwar als ſehr verſchiedenartige Thiere umfaſſend anerkannt, aber doch noch nicht in einzelne Claſſen aufgelöſt worden. Pallas hatte ſeinen Vorſchlag, welcher auf eine ſchärfere Sonderung der hier vereinigten Formen hinausgieng, nicht ausführen können, und O. F. Müller unterſuchte wohl in muſter- hafter Weiſe verſchiedene Abtheilungen, fand aber doch nicht den Schlüſſel zu einer naturgemäßen Anordnung der „Würmer“. Die Mollusken bilden bei ihm noch immer einen Theil der Würmer, ebenſo die Polypen. Gattungen echter Würmer waren verhältnißmäßig wenig bekannt, aber doch Repräſentanten der Hauptabtheilungen. Am meiſten Verwunderung erregte die Theilung der Naiden. Dieſe hatte zuerſt Abraham Trembley (geb. 1700 in Genf, geſt. daſelbſt 1784) beobachtet und bei Gelegenheit ſeiner Polypenunterſuchungen veröffent- licht. Nach ihm hatte dieſelbe Erſcheinung nur Bonnet und Röſel geſehn, ſo oft auch ſonſt der Wurm unterſucht worden war. Müller ſchilderte die Anatomie der Naide ſehr genau, allerdings nicht voll- ſtändig, und beobachtete auf das Eingehendſte die Entwickelung nach freiwilliger wie nach künſtlicher Theilung72). Ungleich mehr Auf- merkſamkeit als die frei lebenden Würmer erregten die Eingeweidewür- mer, zu deren umfaſſender Kenntniß nun der Grund gelegt wurde. Der Streit über die Herkunft der Helminthen war faſt ganz zu Gunſten der Anſicht entſchieden, daß ſie in den Körpern der Wohnthiere ent- ſtünden. Den Pallas'ſchen Bedenken ſtellte man wie es ſchien ganz triftige Gründe entgegen, vorzüglich die Unmöglichkeit für dieſe nur auf ein paraſitiſches Leben eingerichteten Thiere, im Waſſer oder über-
72) Von Würmern des ſüßen und ſalzigen Waſſers. Kopenhagen, 1771.
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Fortſchritte der Syſtematik und der Kenntniß einzelner Claſſen.
Cruſtaceen fern. Und auch O. F. Müller betrachtete ſie nur als Ab-
theilung der Inſecten, wie er die Entomoſtraken ausdrücklich Insecta
testacea, mit Ueberſetzung ſeines neuen Namens, nennt. Ueber die
Zeugung und Entwickelung einiger Cruſtaceen ſtellte noch Cavolini
werthvolle Unterſuchungen an (1787).
Wie man im Allgemeinen unter dem Namen „Inſecten“ noch
immer eine größere Thiergruppe im Sinne Linné's verſtand, ſo waren
auch die Würmer deſſelben Zoologen zwar als ſehr verſchiedenartige
Thiere umfaſſend anerkannt, aber doch noch nicht in einzelne Claſſen
aufgelöſt worden. Pallas hatte ſeinen Vorſchlag, welcher auf eine
ſchärfere Sonderung der hier vereinigten Formen hinausgieng, nicht
ausführen können, und O. F. Müller unterſuchte wohl in muſter-
hafter Weiſe verſchiedene Abtheilungen, fand aber doch nicht den
Schlüſſel zu einer naturgemäßen Anordnung der „Würmer“. Die
Mollusken bilden bei ihm noch immer einen Theil der Würmer, ebenſo
die Polypen. Gattungen echter Würmer waren verhältnißmäßig wenig
bekannt, aber doch Repräſentanten der Hauptabtheilungen. Am meiſten
Verwunderung erregte die Theilung der Naiden. Dieſe hatte zuerſt
Abraham Trembley (geb. 1700 in Genf, geſt. daſelbſt 1784)
beobachtet und bei Gelegenheit ſeiner Polypenunterſuchungen veröffent-
licht. Nach ihm hatte dieſelbe Erſcheinung nur Bonnet und Röſel
geſehn, ſo oft auch ſonſt der Wurm unterſucht worden war. Müller
ſchilderte die Anatomie der Naide ſehr genau, allerdings nicht voll-
ſtändig, und beobachtete auf das Eingehendſte die Entwickelung
nach freiwilliger wie nach künſtlicher Theilung 72). Ungleich mehr Auf-
merkſamkeit als die frei lebenden Würmer erregten die Eingeweidewür-
mer, zu deren umfaſſender Kenntniß nun der Grund gelegt wurde.
Der Streit über die Herkunft der Helminthen war faſt ganz zu Gunſten
der Anſicht entſchieden, daß ſie in den Körpern der Wohnthiere ent-
ſtünden. Den Pallas'ſchen Bedenken ſtellte man wie es ſchien ganz
triftige Gründe entgegen, vorzüglich die Unmöglichkeit für dieſe nur
auf ein paraſitiſches Leben eingerichteten Thiere, im Waſſer oder über-
72) Von Würmern des ſüßen und ſalzigen Waſſers. Kopenhagen, 1771.
V. Carus, Geſch. d. Zool. 36
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 561. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/572>, abgerufen am 22.11.2024.
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