Die vorstehende Uebersicht zeigt, daß gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts fast sämmtliche Classen des Thierreichs, welche überhaupt zugänglich waren, zwar eingehend untersucht, mit zahlreichen neuen Arten bereichert und in einem gewissen Grade wenigstens in sich einer natürlichen Anordnung entgegengeführt worden waren, daß aber noch immer der Schlüssel zum Verständniß sowohl der Verschiedenheiten der einzelnen Theile größerer Classen als auch der Uebereinstimmung ganzer Classen untereinander fehlte. Man folgte noch mehr oder weniger treu den Ansichten Bonnet's über die einreihige Stufenleiter, wie sie von Pet. Bened. Chstn. Graumann in Rostock, dem Botaniker Heinr. Friedr. Link u. A. noch besprochen und commentirt wurde. Den ersten Schritt zu einer Zusammenfassung der in ihrem Baue übereinstimmen- den größeren Gruppen that wie erwähnt Batsch. So vielfach einzelne anatomische Untersuchungen angestellt wurden, es fehlte der leitende Gedanke. Die Skeletsammlung, welche der Kupferstecher Joh. Dan. Meyer abgebildet (1748-56) und zu welcher Christoph Jakob Trew (Stadtarzt in Nürnberg, geb. 1695, gest. 1769) Material geliefert hatte, kann ebensowenig wie andere Einzel- oder Gesammtbearbeitungen der Anatomie wirklich vergleichend genannt werden; sie förderte nur Thatsachen in einer Richtung zu Tage. Die Anatomien des Elefanten, des Renthiers, des Rhinoceros u. s. f. von Peter Camper75) sind äußerst lehrreiche Darstellungen vom Baue dieser Thiere; wenn man aber auch Camper gern mit der Wiedergeburt der vergleichenden Anatomie in Beziehung bringen möchte, so geben doch diese Arbeiten keinen Anlaß hierzu und seine Betrachtungen über die Analogie des Baues des Menschen mit dem der andern Wirbelthiere sind für Künst- ler, nicht für Zoologen bestimmt. Immerhin sichern ihm die genannten Leistungen, ferner die Untersuchungen über das Gehörorgan, welche
75)Camper wurde 1722 in Leyden geboren und starb 1789 im Haag. Seine Berühmtheit in der Anatomie gründet sich neben einem nicht zu misdeutenden freien Blicke mehr auf sein großes Talent der bildlichen wie sprachlichen Darstellung, als auf positive Förderung der Wissenschaft.
Periode der Syſtematik.
Vergleichende Anatomie.
Die vorſtehende Ueberſicht zeigt, daß gegen das Ende des vorigen Jahrhunderts faſt ſämmtliche Claſſen des Thierreichs, welche überhaupt zugänglich waren, zwar eingehend unterſucht, mit zahlreichen neuen Arten bereichert und in einem gewiſſen Grade wenigſtens in ſich einer natürlichen Anordnung entgegengeführt worden waren, daß aber noch immer der Schlüſſel zum Verſtändniß ſowohl der Verſchiedenheiten der einzelnen Theile größerer Claſſen als auch der Uebereinſtimmung ganzer Claſſen untereinander fehlte. Man folgte noch mehr oder weniger treu den Anſichten Bonnet's über die einreihige Stufenleiter, wie ſie von Pet. Bened. Chſtn. Graumann in Roſtock, dem Botaniker Heinr. Friedr. Link u. A. noch beſprochen und commentirt wurde. Den erſten Schritt zu einer Zuſammenfaſſung der in ihrem Baue übereinſtimmen- den größeren Gruppen that wie erwähnt Batſch. So vielfach einzelne anatomiſche Unterſuchungen angeſtellt wurden, es fehlte der leitende Gedanke. Die Skeletſammlung, welche der Kupferſtecher Joh. Dan. Meyer abgebildet (1748-56) und zu welcher Chriſtoph Jakob Trew (Stadtarzt in Nürnberg, geb. 1695, geſt. 1769) Material geliefert hatte, kann ebenſowenig wie andere Einzel- oder Geſammtbearbeitungen der Anatomie wirklich vergleichend genannt werden; ſie förderte nur Thatſachen in einer Richtung zu Tage. Die Anatomien des Elefanten, des Renthiers, des Rhinoceros u. ſ. f. von Peter Camper75) ſind äußerſt lehrreiche Darſtellungen vom Baue dieſer Thiere; wenn man aber auch Camper gern mit der Wiedergeburt der vergleichenden Anatomie in Beziehung bringen möchte, ſo geben doch dieſe Arbeiten keinen Anlaß hierzu und ſeine Betrachtungen über die Analogie des Baues des Menſchen mit dem der andern Wirbelthiere ſind für Künſt- ler, nicht für Zoologen beſtimmt. Immerhin ſichern ihm die genannten Leiſtungen, ferner die Unterſuchungen über das Gehörorgan, welche
75)Camper wurde 1722 in Leyden geboren und ſtarb 1789 im Haag. Seine Berühmtheit in der Anatomie gründet ſich neben einem nicht zu misdeutenden freien Blicke mehr auf ſein großes Talent der bildlichen wie ſprachlichen Darſtellung, als auf poſitive Förderung der Wiſſenſchaft.
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Periode der Syſtematik.
Vergleichende Anatomie.
Die vorſtehende Ueberſicht zeigt, daß gegen das Ende des vorigen
Jahrhunderts faſt ſämmtliche Claſſen des Thierreichs, welche überhaupt
zugänglich waren, zwar eingehend unterſucht, mit zahlreichen neuen
Arten bereichert und in einem gewiſſen Grade wenigſtens in ſich einer
natürlichen Anordnung entgegengeführt worden waren, daß aber noch
immer der Schlüſſel zum Verſtändniß ſowohl der Verſchiedenheiten der
einzelnen Theile größerer Claſſen als auch der Uebereinſtimmung ganzer
Claſſen untereinander fehlte. Man folgte noch mehr oder weniger treu
den Anſichten Bonnet's über die einreihige Stufenleiter, wie ſie von
Pet. Bened. Chſtn. Graumann in Roſtock, dem Botaniker Heinr.
Friedr. Link u. A. noch beſprochen und commentirt wurde. Den erſten
Schritt zu einer Zuſammenfaſſung der in ihrem Baue übereinſtimmen-
den größeren Gruppen that wie erwähnt Batſch. So vielfach einzelne
anatomiſche Unterſuchungen angeſtellt wurden, es fehlte der leitende
Gedanke. Die Skeletſammlung, welche der Kupferſtecher Joh. Dan.
Meyer abgebildet (1748-56) und zu welcher Chriſtoph Jakob Trew
(Stadtarzt in Nürnberg, geb. 1695, geſt. 1769) Material geliefert
hatte, kann ebenſowenig wie andere Einzel- oder Geſammtbearbeitungen
der Anatomie wirklich vergleichend genannt werden; ſie förderte nur
Thatſachen in einer Richtung zu Tage. Die Anatomien des Elefanten,
des Renthiers, des Rhinoceros u. ſ. f. von Peter Camper 75)
ſind äußerſt lehrreiche Darſtellungen vom Baue dieſer Thiere; wenn
man aber auch Camper gern mit der Wiedergeburt der vergleichenden
Anatomie in Beziehung bringen möchte, ſo geben doch dieſe Arbeiten
keinen Anlaß hierzu und ſeine Betrachtungen über die Analogie des
Baues des Menſchen mit dem der andern Wirbelthiere ſind für Künſt-
ler, nicht für Zoologen beſtimmt. Immerhin ſichern ihm die genannten
Leiſtungen, ferner die Unterſuchungen über das Gehörorgan, welche
75) Camper wurde 1722 in Leyden geboren und ſtarb 1789 im Haag. Seine
Berühmtheit in der Anatomie gründet ſich neben einem nicht zu misdeutenden
freien Blicke mehr auf ſein großes Talent der bildlichen wie ſprachlichen Darſtellung,
als auf poſitive Förderung der Wiſſenſchaft.
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Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 566. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/577>, abgerufen am 22.11.2024.
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