Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Periode der Morphologie.
dehnt. C. G. Carus war auch der erste, welcher durch ein sämmtliche
Thierklassen mit gleicher Ausführlichkeit berücksichtigendes Handbuch
das allgemeine Interesse an der Zootomie wesentlich fördern und ihre
Anerkennung in weiteren Kreisen sichern half. Es erschien 1818, in
zweiter Auflage 1834, wurde nach der ersten Auflage ins Englische,
nach der zweiten ins Französische übersetzt. Ist dasselbe auch nicht frei
von Naturphilosophie, so ist der Standpunkt doch ein entschieden wissen-
schaftlicher. In einem 1826 erschienenen Aufsatze bezeichnet Carus
denselben ausdrücklich als den philosophischen gegenüber der descriptiven
und bloß vergleichenden Anatomie; es finden sich auch im Handbuch
zahlreiche wirklich morphologische Bemerkungen, welche nur wegen des
Mangels der erst später mit Sicherheit entwickelten Anschauung der
verschiedenen Typen noch nicht zur sofortigen Anerkennung und Ver-
wendung kamen. Nicht das geringste Verdienst des Handbuchs besteht
in der Beigabe eines selbst gezeichneten und in der ersten Auflage sogar
selbst radirten Atlas, dem ersten Beispiel einer für Lehr- und Unterrichts-
zwecke erfolgten Zusammenstellung instructiv gewählter bildlicher Dar-
stellungen. Später hat Carus in großen Erläuterungstafeln ein um-
fassendes Kupferwerk geliefert, was freilich als nach den anatomischen
Systemen geordnet nicht dieselbe Uebersichtlichkeit in morphologischem
Sinne darbietet, wie der für seine Zwecke ganz vortreffliche kleine Atlas,
aber doch ein bedeutendes Mittel zur Verbreitung zootomischer An-
schauung wurde.

Sehr ausgebreitet für vergleichende Anatomie thätig und einen
großen Kreis von Schülern um sich sammelnd wurde Joh. Friedr.
Meckel
17) der Restaurator der vergleichenden Anatomie in Deutsch-

17) Er war der Enkel des als Anatom ausgezeichneten Joh. Friedr. Meckel
des älteren (daher hieß er zuweilen der Jüngere), welcher 1774 in Berlin starb,
Sohn des Hallischen Professors Philipp Friedrich Theodor M. Dieser starb
1803 und hinterließ zwei Söhne, Joh. Friedr. Meckel, geb. 1781, gestorben
1833 und Albert Meckel, welcher 1829 in Bern als Anatom starb. Am 11. Juli
1682 war die Familie mittelst kaiserlichen Diploms als Meckel von Hemsbach
geadelt worden. Diesen Adel nahmen die drei Söhne Albert Meckel's unter staat-
licher Anerkennung wieder an. Einer derselben war der durch einige zootomische
Arbeiten bekannte Patholog Joh. Heinrich Meckel von Hemsbach, welcher, 1821
in Bern geboren, 1856 in Berlin starb.

Periode der Morphologie.
dehnt. C. G. Carus war auch der erſte, welcher durch ein ſämmtliche
Thierklaſſen mit gleicher Ausführlichkeit berückſichtigendes Handbuch
das allgemeine Intereſſe an der Zootomie weſentlich fördern und ihre
Anerkennung in weiteren Kreiſen ſichern half. Es erſchien 1818, in
zweiter Auflage 1834, wurde nach der erſten Auflage ins Engliſche,
nach der zweiten ins Franzöſiſche überſetzt. Iſt daſſelbe auch nicht frei
von Naturphiloſophie, ſo iſt der Standpunkt doch ein entſchieden wiſſen-
ſchaftlicher. In einem 1826 erſchienenen Aufſatze bezeichnet Carus
denſelben ausdrücklich als den philoſophiſchen gegenüber der deſcriptiven
und bloß vergleichenden Anatomie; es finden ſich auch im Handbuch
zahlreiche wirklich morphologiſche Bemerkungen, welche nur wegen des
Mangels der erſt ſpäter mit Sicherheit entwickelten Anſchauung der
verſchiedenen Typen noch nicht zur ſofortigen Anerkennung und Ver-
wendung kamen. Nicht das geringſte Verdienſt des Handbuchs beſteht
in der Beigabe eines ſelbſt gezeichneten und in der erſten Auflage ſogar
ſelbſt radirten Atlas, dem erſten Beiſpiel einer für Lehr- und Unterrichts-
zwecke erfolgten Zuſammenſtellung inſtructiv gewählter bildlicher Dar-
ſtellungen. Später hat Carus in großen Erläuterungstafeln ein um-
faſſendes Kupferwerk geliefert, was freilich als nach den anatomiſchen
Syſtemen geordnet nicht dieſelbe Ueberſichtlichkeit in morphologiſchem
Sinne darbietet, wie der für ſeine Zwecke ganz vortreffliche kleine Atlas,
aber doch ein bedeutendes Mittel zur Verbreitung zootomiſcher An-
ſchauung wurde.

Sehr ausgebreitet für vergleichende Anatomie thätig und einen
großen Kreis von Schülern um ſich ſammelnd wurde Joh. Friedr.
Meckel
17) der Reſtaurator der vergleichenden Anatomie in Deutſch-

17) Er war der Enkel des als Anatom ausgezeichneten Joh. Friedr. Meckel
des älteren (daher hieß er zuweilen der Jüngere), welcher 1774 in Berlin ſtarb,
Sohn des Halliſchen Profeſſors Philipp Friedrich Theodor M. Dieſer ſtarb
1803 und hinterließ zwei Söhne, Joh. Friedr. Meckel, geb. 1781, geſtorben
1833 und Albert Meckel, welcher 1829 in Bern als Anatom ſtarb. Am 11. Juli
1682 war die Familie mittelſt kaiſerlichen Diploms als Meckel von Hemsbach
geadelt worden. Dieſen Adel nahmen die drei Söhne Albert Meckel's unter ſtaat-
licher Anerkennung wieder an. Einer derſelben war der durch einige zootomiſche
Arbeiten bekannte Patholog Joh. Heinrich Meckel von Hemsbach, welcher, 1821
in Bern geboren, 1856 in Berlin ſtarb.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0617" n="606"/><fw place="top" type="header">Periode der Morphologie.</fw><lb/>
dehnt. <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118519352">C. G. Carus</persName> war auch der er&#x017F;te, welcher durch ein &#x017F;ämmtliche<lb/>
Thierkla&#x017F;&#x017F;en mit gleicher Ausführlichkeit berück&#x017F;ichtigendes Handbuch<lb/>
das allgemeine Intere&#x017F;&#x017F;e an der Zootomie we&#x017F;entlich fördern und ihre<lb/>
Anerkennung in weiteren Krei&#x017F;en &#x017F;ichern half. Es er&#x017F;chien 1818, in<lb/>
zweiter Auflage 1834, wurde nach der er&#x017F;ten Auflage ins Engli&#x017F;che,<lb/>
nach der zweiten ins Franzö&#x017F;i&#x017F;che über&#x017F;etzt. I&#x017F;t da&#x017F;&#x017F;elbe auch nicht frei<lb/>
von Naturphilo&#x017F;ophie, &#x017F;o i&#x017F;t der Standpunkt doch ein ent&#x017F;chieden wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaftlicher. In einem 1826 er&#x017F;chienenen Auf&#x017F;atze bezeichnet <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118519352">Carus</persName><lb/>
den&#x017F;elben ausdrücklich als den philo&#x017F;ophi&#x017F;chen gegenüber der de&#x017F;criptiven<lb/>
und bloß vergleichenden Anatomie; es finden &#x017F;ich auch im Handbuch<lb/>
zahlreiche wirklich morphologi&#x017F;che Bemerkungen, welche nur wegen des<lb/>
Mangels der er&#x017F;t &#x017F;päter mit Sicherheit entwickelten An&#x017F;chauung der<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Typen noch nicht zur &#x017F;ofortigen Anerkennung und Ver-<lb/>
wendung kamen. Nicht das gering&#x017F;te Verdien&#x017F;t des Handbuchs be&#x017F;teht<lb/>
in der Beigabe eines &#x017F;elb&#x017F;t gezeichneten und in der er&#x017F;ten Auflage &#x017F;ogar<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t radirten Atlas, dem er&#x017F;ten Bei&#x017F;piel einer für Lehr- und Unterrichts-<lb/>
zwecke erfolgten Zu&#x017F;ammen&#x017F;tellung in&#x017F;tructiv gewählter bildlicher Dar-<lb/>
&#x017F;tellungen. Später hat <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118519352">Carus</persName> in großen Erläuterungstafeln ein um-<lb/>
fa&#x017F;&#x017F;endes Kupferwerk geliefert, was freilich als nach den anatomi&#x017F;chen<lb/>
Sy&#x017F;temen geordnet nicht die&#x017F;elbe Ueber&#x017F;ichtlichkeit in morphologi&#x017F;chem<lb/>
Sinne darbietet, wie der für &#x017F;eine Zwecke ganz vortreffliche kleine Atlas,<lb/>
aber doch ein bedeutendes Mittel zur Verbreitung zootomi&#x017F;cher An-<lb/>
&#x017F;chauung wurde.</p><lb/>
          <p>Sehr ausgebreitet für vergleichende Anatomie thätig und einen<lb/>
großen Kreis von Schülern um &#x017F;ich &#x017F;ammelnd wurde <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116988703">Joh. Friedr.<lb/>
Meckel</persName></hi><note place="foot" n="17)"> Er war der Enkel des als Anatom ausgezeichneten <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116988665">Joh. Friedr. Meckel</persName></hi><lb/>
des älteren (daher hieß er zuweilen der Jüngere), welcher 1774 in Berlin &#x017F;tarb,<lb/>
Sohn des Halli&#x017F;chen Profe&#x017F;&#x017F;ors <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/124021085">Philipp Friedrich Theodor M.</persName></hi> Die&#x017F;er &#x017F;tarb<lb/>
1803 und hinterließ zwei Söhne, <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116988703">Joh. Friedr. Meckel</persName></hi>, geb. 1781, ge&#x017F;torben<lb/>
1833 und <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117559911">Albert Meckel</persName></hi>, welcher 1829 in Bern als Anatom &#x017F;tarb. Am 11. Juli<lb/>
1682 war die Familie mittel&#x017F;t kai&#x017F;erlichen Diploms als <hi rendition="#g">Meckel von Hemsbach</hi><lb/>
geadelt worden. Die&#x017F;en Adel nahmen die drei Söhne <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117559911">Albert Meckel</persName>'s unter &#x017F;taat-<lb/>
licher Anerkennung wieder an. Einer der&#x017F;elben war der durch einige zootomi&#x017F;che<lb/>
Arbeiten bekannte Patholog <persName ref="http://d-nb.info/gnd/102552371">Joh. Heinrich <hi rendition="#g">Meckel von Hemsbach</hi></persName>, welcher, 1821<lb/>
in Bern geboren, 1856 in Berlin &#x017F;tarb.</note> der Re&#x017F;taurator der vergleichenden Anatomie in Deut&#x017F;ch-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[606/0617] Periode der Morphologie. dehnt. C. G. Carus war auch der erſte, welcher durch ein ſämmtliche Thierklaſſen mit gleicher Ausführlichkeit berückſichtigendes Handbuch das allgemeine Intereſſe an der Zootomie weſentlich fördern und ihre Anerkennung in weiteren Kreiſen ſichern half. Es erſchien 1818, in zweiter Auflage 1834, wurde nach der erſten Auflage ins Engliſche, nach der zweiten ins Franzöſiſche überſetzt. Iſt daſſelbe auch nicht frei von Naturphiloſophie, ſo iſt der Standpunkt doch ein entſchieden wiſſen- ſchaftlicher. In einem 1826 erſchienenen Aufſatze bezeichnet Carus denſelben ausdrücklich als den philoſophiſchen gegenüber der deſcriptiven und bloß vergleichenden Anatomie; es finden ſich auch im Handbuch zahlreiche wirklich morphologiſche Bemerkungen, welche nur wegen des Mangels der erſt ſpäter mit Sicherheit entwickelten Anſchauung der verſchiedenen Typen noch nicht zur ſofortigen Anerkennung und Ver- wendung kamen. Nicht das geringſte Verdienſt des Handbuchs beſteht in der Beigabe eines ſelbſt gezeichneten und in der erſten Auflage ſogar ſelbſt radirten Atlas, dem erſten Beiſpiel einer für Lehr- und Unterrichts- zwecke erfolgten Zuſammenſtellung inſtructiv gewählter bildlicher Dar- ſtellungen. Später hat Carus in großen Erläuterungstafeln ein um- faſſendes Kupferwerk geliefert, was freilich als nach den anatomiſchen Syſtemen geordnet nicht dieſelbe Ueberſichtlichkeit in morphologiſchem Sinne darbietet, wie der für ſeine Zwecke ganz vortreffliche kleine Atlas, aber doch ein bedeutendes Mittel zur Verbreitung zootomiſcher An- ſchauung wurde. Sehr ausgebreitet für vergleichende Anatomie thätig und einen großen Kreis von Schülern um ſich ſammelnd wurde Joh. Friedr. Meckel 17) der Reſtaurator der vergleichenden Anatomie in Deutſch- 17) Er war der Enkel des als Anatom ausgezeichneten Joh. Friedr. Meckel des älteren (daher hieß er zuweilen der Jüngere), welcher 1774 in Berlin ſtarb, Sohn des Halliſchen Profeſſors Philipp Friedrich Theodor M. Dieſer ſtarb 1803 und hinterließ zwei Söhne, Joh. Friedr. Meckel, geb. 1781, geſtorben 1833 und Albert Meckel, welcher 1829 in Bern als Anatom ſtarb. Am 11. Juli 1682 war die Familie mittelſt kaiſerlichen Diploms als Meckel von Hemsbach geadelt worden. Dieſen Adel nahmen die drei Söhne Albert Meckel's unter ſtaat- licher Anerkennung wieder an. Einer derſelben war der durch einige zootomiſche Arbeiten bekannte Patholog Joh. Heinrich Meckel von Hemsbach, welcher, 1821 in Bern geboren, 1856 in Berlin ſtarb.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/617
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 606. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/617>, abgerufen am 22.11.2024.