Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872.

Bild:
<< vorherige Seite

Kenntniß der Wirbelthiere.
menbach beschriebene Schnabelthier (welches 1826 in J. Fr. Meckel
einen Monographen fand) auf die ihnen gebührende systematische
Stellung untersucht hatte. In seinem 1816 aufgestellten Systeme
scheidet er die Säugethiere in zwei Reihen, Monodelphen und Didelphen,
und 1839 fügte er diesen noch für die Monotremen die Gruppe der
Ornithodelphen zu. Wissenschaftlich sicher begründet wurde die Zwei-
theilung aber erst durch Owen, welcher dann unter Nachweis der
verschiedenen Entwickelungsweise 1841 die Säugethiere in Placentale
und Implacentale theilte. Die von Et. Geoffroy, Eman. Rousseau,
Fred. Cuvier, besonders von Owen auf ihre typischen Verhältnisse un-
tersuchten Zähne, das Skelet, die gleichfalls von Owen vergleichend
untersuchte Bildung des Gehirns wie in der That das ganze ana-
tomische Verhalten, bestätigten das Naturgemäße jener Spaltung. Zur
weiteren Entwickelung der natürlichen Anordnung der Säugethiere gab
wieder C. E. von Baer eine allerdings erst viel später berücksichtigte
Anregung, indem er 1828 in den Untersuchungen über die Gefäßver-
bindung zwischen Mutter und Frucht auf die Verschiedenheit dieser
Verbindung hinwies. Bestätigt und erweitert wurden diese Betrach-
tungen 1837 durch Eschricht, während sie 1844 von H. Milne Ed-
wards
, später von P. Gervais und C. Vogt, freilich ohne
Berücksichtigung des so wesentlichen Momentes der Bildung eines
mütterlichen Decidualtheiles, systematisch verwendet wurde. Die Ver-
suche von George R. Waterhouse und Owen die Säugethiere nach
der Bildung des Gehirns zu classificiren, scheiterten an denselben Schwie-
rigkeiten, welche die Benutzung einzelner Theile zur Classification über-
haupt darbieten. Besonders erwies sich nach den Untersuchungen von
Cam. Dareste und Pierre Gratiolet das Vorhandensein von Groß-
hirnwindungen als eine nicht bloß von der systematischen Stellung der
Thiere, sondern auch von deren Größe, Alter u. s. f. abhängige Er-
scheinung. Während die Classe der Säugethiere in dem bis 1845 von
Joh. Andr. Wagner (1797-1861) fortgesetzten Schreber'schen,
sowie in dem von Et. Geoffroy und Frdr. Cuvier herausgegebenen
Werke bildliche Darstellung fand, suchten Joh. Bapt. Fischer, Frz.
Ferd. Aug. Ritgen
, Heinr. Rud. Schinz die Systematik weiter zu

Kenntniß der Wirbelthiere.
menbach beſchriebene Schnabelthier (welches 1826 in J. Fr. Meckel
einen Monographen fand) auf die ihnen gebührende ſyſtematiſche
Stellung unterſucht hatte. In ſeinem 1816 aufgeſtellten Syſteme
ſcheidet er die Säugethiere in zwei Reihen, Monodelphen und Didelphen,
und 1839 fügte er dieſen noch für die Monotremen die Gruppe der
Ornithodelphen zu. Wiſſenſchaftlich ſicher begründet wurde die Zwei-
theilung aber erſt durch Owen, welcher dann unter Nachweis der
verſchiedenen Entwickelungsweiſe 1841 die Säugethiere in Placentale
und Implacentale theilte. Die von Et. Geoffroy, Eman. Rouſſeau,
Fréd. Cuvier, beſonders von Owen auf ihre typiſchen Verhältniſſe un-
terſuchten Zähne, das Skelet, die gleichfalls von Owen vergleichend
unterſuchte Bildung des Gehirns wie in der That das ganze ana-
tomiſche Verhalten, beſtätigten das Naturgemäße jener Spaltung. Zur
weiteren Entwickelung der natürlichen Anordnung der Säugethiere gab
wieder C. E. von Baer eine allerdings erſt viel ſpäter berückſichtigte
Anregung, indem er 1828 in den Unterſuchungen über die Gefäßver-
bindung zwiſchen Mutter und Frucht auf die Verſchiedenheit dieſer
Verbindung hinwies. Beſtätigt und erweitert wurden dieſe Betrach-
tungen 1837 durch Eſchricht, während ſie 1844 von H. Milne Ed-
wards
, ſpäter von P. Gervais und C. Vogt, freilich ohne
Berückſichtigung des ſo weſentlichen Momentes der Bildung eines
mütterlichen Decidualtheiles, ſyſtematiſch verwendet wurde. Die Ver-
ſuche von George R. Waterhouſe und Owen die Säugethiere nach
der Bildung des Gehirns zu claſſificiren, ſcheiterten an denſelben Schwie-
rigkeiten, welche die Benutzung einzelner Theile zur Claſſification über-
haupt darbieten. Beſonders erwies ſich nach den Unterſuchungen von
Cam. Dareſte und Pierre Gratiolet das Vorhandenſein von Groß-
hirnwindungen als eine nicht bloß von der ſyſtematiſchen Stellung der
Thiere, ſondern auch von deren Größe, Alter u. ſ. f. abhängige Er-
ſcheinung. Während die Claſſe der Säugethiere in dem bis 1845 von
Joh. Andr. Wagner (1797-1861) fortgeſetzten Schreber'ſchen,
ſowie in dem von Et. Geoffroy und Frdr. Cuvier herausgegebenen
Werke bildliche Darſtellung fand, ſuchten Joh. Bapt. Fiſcher, Frz.
Ferd. Aug. Ritgen
, Heinr. Rud. Schinz die Syſtematik weiter zu

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0724" n="713"/><fw place="top" type="header">Kenntniß der Wirbelthiere.</fw><lb/><persName xml:id="n4" prev="#n3">menbach</persName> be&#x017F;chriebene Schnabelthier (welches 1826 in <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116988703">J. Fr. <hi rendition="#g">Meckel</hi></persName><lb/>
einen Monographen fand) auf die ihnen gebührende &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;che<lb/>
Stellung unter&#x017F;ucht hatte. In &#x017F;einem 1816 aufge&#x017F;tellten Sy&#x017F;teme<lb/>
&#x017F;cheidet er die Säugethiere in zwei Reihen, Monodelphen und Didelphen,<lb/>
und 1839 fügte er die&#x017F;en noch für die Monotremen die Gruppe der<lb/>
Ornithodelphen zu. Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaftlich &#x017F;icher begründet wurde die Zwei-<lb/>
theilung aber er&#x017F;t durch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11916129X">Owen</persName></hi>, welcher dann unter Nachweis der<lb/>
ver&#x017F;chiedenen Entwickelungswei&#x017F;e 1841 die Säugethiere in Placentale<lb/>
und Implacentale theilte. Die von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118690426">Et. Geoffroy</persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11552648X">Eman. Rou&#x017F;&#x017F;eau</persName>,<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/117666416">Fréd. Cuvier</persName>, be&#x017F;onders von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11916129X">Owen</persName> auf ihre typi&#x017F;chen Verhältni&#x017F;&#x017F;e un-<lb/>
ter&#x017F;uchten Zähne, das Skelet, die gleichfalls von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11916129X">Owen</persName> vergleichend<lb/>
unter&#x017F;uchte Bildung des Gehirns wie in der That das ganze ana-<lb/>
tomi&#x017F;che Verhalten, be&#x017F;tätigten das Naturgemäße jener Spaltung. Zur<lb/>
weiteren Entwickelung der natürlichen Anordnung der Säugethiere gab<lb/>
wieder <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118505831">C. E. <hi rendition="#g">von Baer</hi></persName> eine allerdings er&#x017F;t viel &#x017F;päter berück&#x017F;ichtigte<lb/>
Anregung, indem er 1828 in den Unter&#x017F;uchungen über die Gefäßver-<lb/>
bindung zwi&#x017F;chen Mutter und Frucht auf die Ver&#x017F;chiedenheit die&#x017F;er<lb/>
Verbindung hinwies. Be&#x017F;tätigt und erweitert wurden die&#x017F;e Betrach-<lb/>
tungen 1837 durch <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/116569506">E&#x017F;chricht</persName></hi>, während &#x017F;ie 1844 von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116356839">H. Milne <hi rendition="#g">Ed-<lb/>
wards</hi></persName>, &#x017F;päter von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117543594">P. <hi rendition="#g">Gervais</hi></persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118769014">C. <hi rendition="#g">Vogt</hi></persName>, freilich ohne<lb/>
Berück&#x017F;ichtigung des &#x017F;o we&#x017F;entlichen Momentes der Bildung eines<lb/>
mütterlichen Decidualtheiles, &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;ch verwendet wurde. Die Ver-<lb/>
&#x017F;uche von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11756625X">George R. <hi rendition="#g">Waterhou&#x017F;e</hi></persName> und <hi rendition="#g"><persName ref="http://d-nb.info/gnd/11916129X">Owen</persName></hi> die Säugethiere nach<lb/>
der Bildung des Gehirns zu cla&#x017F;&#x017F;ificiren, &#x017F;cheiterten an den&#x017F;elben Schwie-<lb/>
rigkeiten, welche die Benutzung einzelner Theile zur Cla&#x017F;&#x017F;ification über-<lb/>
haupt darbieten. Be&#x017F;onders erwies &#x017F;ich nach den Unter&#x017F;uchungen von<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/119189364">Cam. <hi rendition="#g">Dare&#x017F;te</hi></persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/12476357X">Pierre <hi rendition="#g">Gratiolet</hi></persName> das Vorhanden&#x017F;ein von Groß-<lb/>
hirnwindungen als eine nicht bloß von der &#x017F;y&#x017F;temati&#x017F;chen Stellung der<lb/>
Thiere, &#x017F;ondern auch von deren Größe, Alter u. &#x017F;. f. abhängige Er-<lb/>
&#x017F;cheinung. Während die Cla&#x017F;&#x017F;e der Säugethiere in dem bis 1845 von<lb/><persName ref="http://d-nb.info/gnd/173342523">Joh. Andr. <hi rendition="#g">Wagner</hi></persName> (1797-1861) fortge&#x017F;etzten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118795449">Schreber</persName>'&#x017F;chen,<lb/>
&#x017F;owie in dem von <persName ref="http://d-nb.info/gnd/118690426">Et. <hi rendition="#g">Geoffroy</hi></persName> und <persName ref="http://d-nb.info/gnd/117666416">Frdr. <hi rendition="#g">Cuvier</hi></persName> herausgegebenen<lb/>
Werke bildliche Dar&#x017F;tellung fand, &#x017F;uchten <persName ref="http://d-nb.info/gnd/122761456">Joh. Bapt. <hi rendition="#g">Fi&#x017F;cher</hi></persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/116570008">Frz.<lb/>
Ferd. Aug. <hi rendition="#g">Ritgen</hi></persName>, <persName ref="http://d-nb.info/gnd/11727397X">Heinr. Rud. <hi rendition="#g">Schinz</hi></persName> die Sy&#x017F;tematik weiter zu<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[713/0724] Kenntniß der Wirbelthiere. menbach beſchriebene Schnabelthier (welches 1826 in J. Fr. Meckel einen Monographen fand) auf die ihnen gebührende ſyſtematiſche Stellung unterſucht hatte. In ſeinem 1816 aufgeſtellten Syſteme ſcheidet er die Säugethiere in zwei Reihen, Monodelphen und Didelphen, und 1839 fügte er dieſen noch für die Monotremen die Gruppe der Ornithodelphen zu. Wiſſenſchaftlich ſicher begründet wurde die Zwei- theilung aber erſt durch Owen, welcher dann unter Nachweis der verſchiedenen Entwickelungsweiſe 1841 die Säugethiere in Placentale und Implacentale theilte. Die von Et. Geoffroy, Eman. Rouſſeau, Fréd. Cuvier, beſonders von Owen auf ihre typiſchen Verhältniſſe un- terſuchten Zähne, das Skelet, die gleichfalls von Owen vergleichend unterſuchte Bildung des Gehirns wie in der That das ganze ana- tomiſche Verhalten, beſtätigten das Naturgemäße jener Spaltung. Zur weiteren Entwickelung der natürlichen Anordnung der Säugethiere gab wieder C. E. von Baer eine allerdings erſt viel ſpäter berückſichtigte Anregung, indem er 1828 in den Unterſuchungen über die Gefäßver- bindung zwiſchen Mutter und Frucht auf die Verſchiedenheit dieſer Verbindung hinwies. Beſtätigt und erweitert wurden dieſe Betrach- tungen 1837 durch Eſchricht, während ſie 1844 von H. Milne Ed- wards, ſpäter von P. Gervais und C. Vogt, freilich ohne Berückſichtigung des ſo weſentlichen Momentes der Bildung eines mütterlichen Decidualtheiles, ſyſtematiſch verwendet wurde. Die Ver- ſuche von George R. Waterhouſe und Owen die Säugethiere nach der Bildung des Gehirns zu claſſificiren, ſcheiterten an denſelben Schwie- rigkeiten, welche die Benutzung einzelner Theile zur Claſſification über- haupt darbieten. Beſonders erwies ſich nach den Unterſuchungen von Cam. Dareſte und Pierre Gratiolet das Vorhandenſein von Groß- hirnwindungen als eine nicht bloß von der ſyſtematiſchen Stellung der Thiere, ſondern auch von deren Größe, Alter u. ſ. f. abhängige Er- ſcheinung. Während die Claſſe der Säugethiere in dem bis 1845 von Joh. Andr. Wagner (1797-1861) fortgeſetzten Schreber'ſchen, ſowie in dem von Et. Geoffroy und Frdr. Cuvier herausgegebenen Werke bildliche Darſtellung fand, ſuchten Joh. Bapt. Fiſcher, Frz. Ferd. Aug. Ritgen, Heinr. Rud. Schinz die Syſtematik weiter zu

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/724
Zitationshilfe: Carus, Julius Victor: Geschichte der Zoologie bis auf Johannes Müller und Charles Darwin. München, 1872, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_zoologie_1872/724>, abgerufen am 22.11.2024.