Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Das Erbe der alten Welt. aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher alleinein Vermögensrecht besass und eine persona sui juris, d. h. eine freie, juristische Person war) -- -- -- durch alle diese Dinge und noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter- lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer, wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen- heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland, künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden und Ordnung. Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe 1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff. 2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
Das Erbe der alten Welt. aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher alleinein Vermögensrecht besass und eine persona sui juris, d. h. eine freie, juristische Person war) — — — durch alle diese Dinge und noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter- lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer, wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen- heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland, künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden und Ordnung. Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe 1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff. 2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0199" n="176"/><fw place="top" type="header">Das Erbe der alten Welt.</fw><lb/> aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher allein<lb/> ein Vermögensrecht besass und eine <hi rendition="#i">persona sui juris,</hi> d. h. eine<lb/> freie, juristische Person war) — — — durch alle diese Dinge und<lb/> noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter-<lb/> lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen<lb/> man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates<lb/> und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer,<lb/> wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben<lb/> zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen-<lb/> heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu<lb/> vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland,<lb/> künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für<lb/> das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden<lb/> und Ordnung.</p><lb/> <note place="left">Die Ehe.</note> <p>Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe<lb/> und die Stellung des Weibes in der Gesellschaft zusammen: dies<lb/> ist offenbar das positive Element in der Gestaltung der römischen<lb/> Familie, dasjenige, welches nicht durch Gesetze bestimmt werden<lb/> konnte, welches dagegen die Gesetze bestimmt hat. Schon bei den<lb/> alten Ariern wurde die Ehe als »eine göttliche Einrichtung« betrachtet,<lb/> und wenn die junge Frau die Schwelle des neuen Heims betrat,<lb/> wurde ihr zugerufen: »Ziehe hin ins Haus des Gatten, dass du Haus-<lb/> herrin heissest; als Gebieterin schalte daselbst!« <note place="foot" n="1)">Zimmer: <hi rendition="#i">Indisches Leben,</hi> S. 313 ff.</note> Gerade in diesem<lb/> Punkte zweigten Hellenen und Römer, sonst so vielfach verwandt,<lb/> von einander ab. Zu Homer’s Zeiten sehen wir allerdings das Weih<lb/> von den Griechen noch hochgeachtet, die Genossin des Mannes; die<lb/> nach Kleinasien ausgewanderten Ionier nahmen jedoch fremde Frauen,<lb/> »die den hellenischen Mann nicht bei seinem Namen, sondern nur<lb/> ‚Herr‛ nennen durften, — — diese Entartung der kleinasiatischen<lb/> Ionier hat auf Athen zurückgewirkt«. <note place="foot" n="2)">Etfried Müller: <hi rendition="#i">Dorier,</hi> 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).</note> Der Römer dagegen »be-<lb/> trachtete die Frau als seine ebenbürtige Genossin, seine Lebensgefährtin,<lb/> die Alles mit ihm zu teilen hat: Göttliches wie Menschliches — —<lb/> Die Ehefrau hat aber diese Stellung in Rom, nicht weil sie Ehefrau,<lb/> sondern weil sie Weib ist, d. h. wegen der Achtung, welche der<lb/> Römer dem weiblichen Geschlecht als solchem zollt. In allen Be-<lb/> ziehungen, wo nicht der natürliche Unterschied des Geschlechts eine<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [176/0199]
Das Erbe der alten Welt.
aller Eigentums- und Forderungsrechte des Hausvaters (welcher allein
ein Vermögensrecht besass und eine persona sui juris, d. h. eine
freie, juristische Person war) — — — durch alle diese Dinge und
noch manche andere, wurde in Rom die Familie zu einer unerschütter-
lich festen, unzersetzlichen Einheit, und diese Einheiten sind es, denen
man im letzten Grunde die besondere Gestaltung des römischen Staates
und des römischen Rechtes zu verdanken hat. Man begreift unschwer,
wie eine so strenge Auffassung der Familie auf das gesamte Leben
zurückwirken musste: auf die Moral der Männer, auf die Beschaffen-
heit der Kinder, auf die Sorge, das Erworbene zu erhalten und zu
vererben, auf die Vaterlandsliebe, die nicht, wie in Griechenland,
künstlich geschürt zu werden brauchte, kämpfte doch der Bürger für
das dauernd gesicherte Eigene, für sein heiliges Heim, für Frieden
und Ordnung.
Hiermit hängt natürlich die innerliche Auffassung der Ehe
und die Stellung des Weibes in der Gesellschaft zusammen: dies
ist offenbar das positive Element in der Gestaltung der römischen
Familie, dasjenige, welches nicht durch Gesetze bestimmt werden
konnte, welches dagegen die Gesetze bestimmt hat. Schon bei den
alten Ariern wurde die Ehe als »eine göttliche Einrichtung« betrachtet,
und wenn die junge Frau die Schwelle des neuen Heims betrat,
wurde ihr zugerufen: »Ziehe hin ins Haus des Gatten, dass du Haus-
herrin heissest; als Gebieterin schalte daselbst!« 1) Gerade in diesem
Punkte zweigten Hellenen und Römer, sonst so vielfach verwandt,
von einander ab. Zu Homer’s Zeiten sehen wir allerdings das Weih
von den Griechen noch hochgeachtet, die Genossin des Mannes; die
nach Kleinasien ausgewanderten Ionier nahmen jedoch fremde Frauen,
»die den hellenischen Mann nicht bei seinem Namen, sondern nur
‚Herr‛ nennen durften, — — diese Entartung der kleinasiatischen
Ionier hat auf Athen zurückgewirkt«. 2) Der Römer dagegen »be-
trachtete die Frau als seine ebenbürtige Genossin, seine Lebensgefährtin,
die Alles mit ihm zu teilen hat: Göttliches wie Menschliches — —
Die Ehefrau hat aber diese Stellung in Rom, nicht weil sie Ehefrau,
sondern weil sie Weib ist, d. h. wegen der Achtung, welche der
Römer dem weiblichen Geschlecht als solchem zollt. In allen Be-
ziehungen, wo nicht der natürliche Unterschied des Geschlechts eine
1) Zimmer: Indisches Leben, S. 313 ff.
2) Etfried Müller: Dorier, 2. Ausg. I, 78, II, 282 (nach Leist citiert).
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |