Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Das Erbe der alten Welt. judaisme, sa gloire, le resume de son evolution -- -- -- Jesus esttout entier dans Isaie" u. s. w., wird er mit einigem Unwillen lächeln;1) und ich fürchte, er bricht in homerisches Gelächter aus, wenn der orthodoxe Jude Graetz ihm versichert, die Erscheinung Christi sei "die alte jüdische Lehre im neuen Gewande", es sei damals "die Zeit gekommen, in welcher die Grundwahrheiten des Judentums -- -- -- die Fülle hehrer Gedanken von Gott und einem heiligen Leben für den Einzelnen, wie für den Staat in die Leerheit anderer Völker überströmen und ihnen einen reichen Inhalt bringen sollte".2) 1) Histoire du Peuple d'Israel V, 415, II, 539 u. s. w. Die Enormität der Be- hauptung Jesaia betreffend erhellt namentlich daraus, dass Renan selber diesen Propheten als einen "litterateur" und "journaliste" bezeichnet und lobt, und dass er ausführlich nachweist, welche rein-politische Rolle dieser bedeutende Mann ge- spielt hat: "Nicht eine Zeile aus seiner Feder, die nicht einer Tagesfrage, die nicht dem Interesse des Augenblickes gedient habe" (II, 481). Und gerade in diesem Manne soll die ganze Persönlichkeit Jesu Christi enthalten sein? Unverantwortlich ist ebenfalls (leider nicht allein bei Renan) die Verwendung einzelner Verse aus Jesaia, um den Schein zu erregen, als hätte das Judentum auf eine Universal- religion hingezielt. So wird z. B. XLIX, 6 angeführt, wo Jahve zu Israel spricht: "Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt Ende"; dabei verschweigt man, dass im weiteren Verlauf des Kapitels erklärt wird, die Heiden sollen die Sklaven der Juden werden und ihre Könige und Fürstinnen sollen vor ihnen auf das Angesicht fallen und "ihrer Füsse Staub lecken." Und das soll eine erhabene Universalreligion sein! Ebenso verhält es sich mit dem stets angeführten Kap. LX; wo zuerst steht: "die Heiden werden in deinem Lichte wandeln", später aber mit dankenswerter Aufrichtigkeit: "Welche Heiden oder Königreiche dir nicht dienen wollen, die sollen umkommen und verwüstet werden!" Des weiteren werden die Heiden hier angewiesen, alles Gold und alle Schätze nach Jerusalem zu bringen, denn die Juden sollen "das Erdreich ewiglich besitzen". Und solche politische Hetzpamphlete wagt man mit der Erscheinung Christi in Parallelle zu bringen! 2) A. a. O. I, 570. Man hat öfters behauptet, die Juden hätten wenig Sinn
für Humor; das scheint wahr zu sein, wenigstens in Bezug auf Einzelne: man denke sich die "Fülle" dieser krass-ignoranten, phantasiebaren Schriftgelehrten, und die "Leerheit" der Hellenen! Von der Persönlichkeit Christi hält Graetz wenig; die höchste Anerkennung, zu welcher er sich versteigt, ist folgende: "Jesus mag auch ein sympathisches, herzgewinnendes Wesen gehabt haben, wodurch sein Wort einen Eindruck machen konnte" (I, 576). Die Kreuzigung hält der gelehrte Breslauer Professor für die Folge eines "Missverständnisses"! Von den Juden, die später zum Christentum übertraten, meint Graetz, das sei der materiellen Vorteile wegen geschehen, und weil sie den Glauben an den Gekreuzigten "als etwas Unwesent- iches in den Kauf nahmen" (II, 30). Ob das noch heute gilt? Dass der "Bund" mit Jahve ein Kontrakt mit beiderseitiger Verpflichtung war, wussten wir aus Das Erbe der alten Welt. judaïsme, sa gloire, le résumé de son évolution — — — Jésus esttout entier dans Isaïe« u. s. w., wird er mit einigem Unwillen lächeln;1) und ich fürchte, er bricht in homerisches Gelächter aus, wenn der orthodoxe Jude Graetz ihm versichert, die Erscheinung Christi sei »die alte jüdische Lehre im neuen Gewande«, es sei damals »die Zeit gekommen, in welcher die Grundwahrheiten des Judentums — — — die Fülle hehrer Gedanken von Gott und einem heiligen Leben für den Einzelnen, wie für den Staat in die Leerheit anderer Völker überströmen und ihnen einen reichen Inhalt bringen sollte«.2) 1) Histoire du Peuple d’Israël V, 415, II, 539 u. s. w. Die Enormität der Be- hauptung Jesaia betreffend erhellt namentlich daraus, dass Renan selber diesen Propheten als einen »littérateur« und »journaliste« bezeichnet und lobt, und dass er ausführlich nachweist, welche rein-politische Rolle dieser bedeutende Mann ge- spielt hat: »Nicht eine Zeile aus seiner Feder, die nicht einer Tagesfrage, die nicht dem Interesse des Augenblickes gedient habe« (II, 481). Und gerade in diesem Manne soll die ganze Persönlichkeit Jesu Christi enthalten sein? Unverantwortlich ist ebenfalls (leider nicht allein bei Renan) die Verwendung einzelner Verse aus Jesaia, um den Schein zu erregen, als hätte das Judentum auf eine Universal- religion hingezielt. So wird z. B. XLIX, 6 angeführt, wo Jahve zu Israel spricht: »Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis an der Welt Ende«; dabei verschweigt man, dass im weiteren Verlauf des Kapitels erklärt wird, die Heiden sollen die Sklaven der Juden werden und ihre Könige und Fürstinnen sollen vor ihnen auf das Angesicht fallen und »ihrer Füsse Staub lecken.« Und das soll eine erhabene Universalreligion sein! Ebenso verhält es sich mit dem stets angeführten Kap. LX; wo zuerst steht: »die Heiden werden in deinem Lichte wandeln«, später aber mit dankenswerter Aufrichtigkeit: »Welche Heiden oder Königreiche dir nicht dienen wollen, die sollen umkommen und verwüstet werden!« Des weiteren werden die Heiden hier angewiesen, alles Gold und alle Schätze nach Jerusalem zu bringen, denn die Juden sollen »das Erdreich ewiglich besitzen«. Und solche politische Hetzpamphlete wagt man mit der Erscheinung Christi in Parallelle zu bringen! 2) A. a. O. I, 570. Man hat öfters behauptet, die Juden hätten wenig Sinn
für Humor; das scheint wahr zu sein, wenigstens in Bezug auf Einzelne: man denke sich die »Fülle« dieser krass-ignoranten, phantasiebaren Schriftgelehrten, und die »Leerheit« der Hellenen! Von der Persönlichkeit Christi hält Graetz wenig; die höchste Anerkennung, zu welcher er sich versteigt, ist folgende: »Jesus mag auch ein sympathisches, herzgewinnendes Wesen gehabt haben, wodurch sein Wort einen Eindruck machen konnte« (I, 576). Die Kreuzigung hält der gelehrte Breslauer Professor für die Folge eines »Missverständnisses«! Von den Juden, die später zum Christentum übertraten, meint Graetz, das sei der materiellen Vorteile wegen geschehen, und weil sie den Glauben an den Gekreuzigten »als etwas Unwesent- iches in den Kauf nahmen« (II, 30). Ob das noch heute gilt? Dass der »Bund« mit Jahve ein Kontrakt mit beiderseitiger Verpflichtung war, wussten wir aus <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0249" n="226"/><fw place="top" type="header">Das Erbe der alten Welt.</fw><lb/><hi rendition="#i">judaïsme, sa gloire, le résumé de son évolution — — — Jésus est<lb/> tout entier dans Isaïe</hi>« u. s. w., wird er mit einigem Unwillen lächeln;<note place="foot" n="1)"><hi rendition="#i">Histoire du Peuple d’Israël</hi> V, 415, II, 539 u. s. w. Die Enormität der Be-<lb/> hauptung Jesaia betreffend erhellt namentlich daraus, dass Renan selber diesen<lb/> Propheten als einen »littérateur« und »journaliste« bezeichnet und lobt, und dass<lb/> er ausführlich nachweist, welche rein-politische Rolle dieser bedeutende Mann ge-<lb/> spielt hat: »Nicht eine Zeile aus seiner Feder, die nicht einer Tagesfrage, die nicht<lb/> dem Interesse des Augenblickes gedient habe« (II, 481). Und gerade in diesem<lb/> Manne soll die ganze Persönlichkeit Jesu Christi enthalten sein? Unverantwortlich<lb/> ist ebenfalls (leider nicht allein bei Renan) die Verwendung einzelner Verse aus<lb/><hi rendition="#i">Jesaia,</hi> um den Schein zu erregen, als hätte das Judentum auf eine Universal-<lb/> religion hingezielt. So wird z. B. XLIX, 6 angeführt, wo Jahve zu Israel spricht:<lb/> »Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis<lb/> an der Welt Ende«; dabei verschweigt man, dass im weiteren Verlauf des Kapitels<lb/> erklärt wird, die Heiden sollen die <hi rendition="#g">Sklaven der Juden</hi> werden und ihre Könige<lb/> und Fürstinnen sollen vor ihnen auf das Angesicht fallen und »<hi rendition="#g">ihrer Füsse<lb/> Staub lecken.</hi>« Und das soll eine erhabene Universalreligion sein! Ebenso<lb/> verhält es sich mit dem stets angeführten Kap. LX; wo zuerst steht: »die Heiden<lb/> werden in deinem Lichte wandeln«, später aber mit dankenswerter Aufrichtigkeit:<lb/> »Welche Heiden oder Königreiche dir nicht <hi rendition="#g">dienen</hi> wollen, die sollen umkommen<lb/> und verwüstet werden!« Des weiteren werden die Heiden hier angewiesen, <hi rendition="#g">alles<lb/> Gold und alle Schätze</hi> nach Jerusalem zu bringen, denn die Juden sollen »das<lb/> Erdreich ewiglich besitzen«. Und solche politische Hetzpamphlete wagt man mit<lb/> der Erscheinung Christi in Parallelle zu bringen!</note><lb/> und ich fürchte, er bricht in homerisches Gelächter aus, wenn der<lb/> orthodoxe Jude Graetz ihm versichert, die Erscheinung Christi sei<lb/> »die alte jüdische Lehre im neuen Gewande«, es sei damals »die Zeit<lb/> gekommen, in welcher die Grundwahrheiten des Judentums — — —<lb/> die <hi rendition="#g">Fülle</hi> hehrer Gedanken von Gott und einem heiligen Leben für<lb/> den Einzelnen, wie für den Staat in die <hi rendition="#g">Leerheit</hi> anderer Völker<lb/> überströmen und ihnen einen reichen Inhalt bringen sollte«.<note xml:id="seg2pn_17_1" next="#seg2pn_17_2" place="foot" n="2)">A. a. O. I, 570. Man hat öfters behauptet, die Juden hätten wenig Sinn<lb/> für Humor; das scheint wahr zu sein, wenigstens in Bezug auf Einzelne: man<lb/> denke sich die »Fülle« dieser krass-ignoranten, phantasiebaren Schriftgelehrten, und<lb/> die »Leerheit« der Hellenen! Von der Persönlichkeit Christi hält Graetz wenig;<lb/> die höchste Anerkennung, zu welcher er sich versteigt, ist folgende: »Jesus mag<lb/> auch ein sympathisches, herzgewinnendes Wesen gehabt haben, wodurch sein<lb/> Wort einen Eindruck machen konnte« (I, 576). Die Kreuzigung hält der gelehrte<lb/> Breslauer Professor für die Folge eines »Missverständnisses«! Von den Juden, die<lb/> später zum Christentum übertraten, meint Graetz, das sei der materiellen Vorteile wegen<lb/> geschehen, und weil sie den Glauben an den Gekreuzigten »als etwas Unwesent-<lb/> iches in den Kauf nahmen« (II, 30). Ob das noch heute gilt? Dass der »Bund«<lb/> mit Jahve ein <hi rendition="#g">Kontrakt</hi> mit beiderseitiger Verpflichtung war, wussten wir aus</note></p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [226/0249]
Das Erbe der alten Welt.
judaïsme, sa gloire, le résumé de son évolution — — — Jésus est
tout entier dans Isaïe« u. s. w., wird er mit einigem Unwillen lächeln; 1)
und ich fürchte, er bricht in homerisches Gelächter aus, wenn der
orthodoxe Jude Graetz ihm versichert, die Erscheinung Christi sei
»die alte jüdische Lehre im neuen Gewande«, es sei damals »die Zeit
gekommen, in welcher die Grundwahrheiten des Judentums — — —
die Fülle hehrer Gedanken von Gott und einem heiligen Leben für
den Einzelnen, wie für den Staat in die Leerheit anderer Völker
überströmen und ihnen einen reichen Inhalt bringen sollte«. 2)
1) Histoire du Peuple d’Israël V, 415, II, 539 u. s. w. Die Enormität der Be-
hauptung Jesaia betreffend erhellt namentlich daraus, dass Renan selber diesen
Propheten als einen »littérateur« und »journaliste« bezeichnet und lobt, und dass
er ausführlich nachweist, welche rein-politische Rolle dieser bedeutende Mann ge-
spielt hat: »Nicht eine Zeile aus seiner Feder, die nicht einer Tagesfrage, die nicht
dem Interesse des Augenblickes gedient habe« (II, 481). Und gerade in diesem
Manne soll die ganze Persönlichkeit Jesu Christi enthalten sein? Unverantwortlich
ist ebenfalls (leider nicht allein bei Renan) die Verwendung einzelner Verse aus
Jesaia, um den Schein zu erregen, als hätte das Judentum auf eine Universal-
religion hingezielt. So wird z. B. XLIX, 6 angeführt, wo Jahve zu Israel spricht:
»Ich habe dich auch zum Licht der Heiden gemacht, dass du seist mein Heil bis
an der Welt Ende«; dabei verschweigt man, dass im weiteren Verlauf des Kapitels
erklärt wird, die Heiden sollen die Sklaven der Juden werden und ihre Könige
und Fürstinnen sollen vor ihnen auf das Angesicht fallen und »ihrer Füsse
Staub lecken.« Und das soll eine erhabene Universalreligion sein! Ebenso
verhält es sich mit dem stets angeführten Kap. LX; wo zuerst steht: »die Heiden
werden in deinem Lichte wandeln«, später aber mit dankenswerter Aufrichtigkeit:
»Welche Heiden oder Königreiche dir nicht dienen wollen, die sollen umkommen
und verwüstet werden!« Des weiteren werden die Heiden hier angewiesen, alles
Gold und alle Schätze nach Jerusalem zu bringen, denn die Juden sollen »das
Erdreich ewiglich besitzen«. Und solche politische Hetzpamphlete wagt man mit
der Erscheinung Christi in Parallelle zu bringen!
2) A. a. O. I, 570. Man hat öfters behauptet, die Juden hätten wenig Sinn
für Humor; das scheint wahr zu sein, wenigstens in Bezug auf Einzelne: man
denke sich die »Fülle« dieser krass-ignoranten, phantasiebaren Schriftgelehrten, und
die »Leerheit« der Hellenen! Von der Persönlichkeit Christi hält Graetz wenig;
die höchste Anerkennung, zu welcher er sich versteigt, ist folgende: »Jesus mag
auch ein sympathisches, herzgewinnendes Wesen gehabt haben, wodurch sein
Wort einen Eindruck machen konnte« (I, 576). Die Kreuzigung hält der gelehrte
Breslauer Professor für die Folge eines »Missverständnisses«! Von den Juden, die
später zum Christentum übertraten, meint Graetz, das sei der materiellen Vorteile wegen
geschehen, und weil sie den Glauben an den Gekreuzigten »als etwas Unwesent-
iches in den Kauf nahmen« (II, 30). Ob das noch heute gilt? Dass der »Bund«
mit Jahve ein Kontrakt mit beiderseitiger Verpflichtung war, wussten wir aus
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