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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
schlechter -- das heisst also, Geschlechter mit ungewöhnlichen Leibes-
und Geisteskräften begabt -- nur unter bestimmten, die Zeugung
neuer Individuen beschränkenden Bedingungen entstehen? Ist es nicht
unter Berücksichtigung dieser sämtlichen, menschlichen und ausser-
menschlichen Phänomene möglich, eine klare Antwort auf die Frage
zu erhalten: Was ist Rasse? und wird sich nicht aus dem Bewusstsein
dessen, was Rasse ist, dann ohne Weiteres ergeben, was das Fehlen
bestimmter Rassen für die Geschichte bedeuten muss? Zu allen
diesen Fragen regt der Anblick jener unmittelbaren Erben des grossen
Vermächtnisses lebhaft an. Fragen wir zunächst nach Rassen ganz
im Allgemeinen; daran erst wird sich eine nutzbringende Betrachtung
der hier speziell vorliegenden Verhältnisse und ihrer Bedeutung im
Gange der Geschichte, somit auch für unser Jahrhundert knüpfen.

Vielleicht giebt es keine Frage, über die selbst bei hochgebildeten,
ja gelehrten Männern eine so mitternächtliche Unwissenheit herrscht,
wie über das Wesen und die Bedeutung des Begriffes "Rasse".
Was sind reine Rassen? woher kommen sie? haben sie geschichtlich
etwas zu bedeuten? Ist der Begriff weit oder eng zu nehmen? Weiss
man etwas darüber oder nichts? Wie verhalten sich die Begriffe Rasse
und Nation zu einander? Ich gestehe, mein Leben lang über alle
diese Dinge lauter Unzusammenhängendes, Widerspruchsvolles gehört
und gelesen zu haben, ausser von einigen Specialisten unter den Natur-
forschern, die aber nur in den seltensten Fällen ihr klares, ausführliches
Wissen auf das Menschengeschlecht anwenden. Kein Jahr vergeht, ohne
dass uns auf internationalen Kongressen von tonangebenden National-
ökonomen, Ministern, Bischöfen, Naturforschern, versichert werde, es
gäbe zwischen den Völkern keinen Unterschied, keine Ungleichheit.
Germanen, die auf das Moment der Rassenverwandtschaft Nachdruck
legen, Juden, die unter uns sich fremd fühlen und in ihre asiatische
Heimat sich zurücksehnen, pflegen gerade von Männern der Wissen-
schaft mit Tadel und Hohn überschüttet zu werden. Professor Virchow
zum Beispiel sagt1) von den Regungen des Stammesbewusstseins unter
uns, sie seien nur durch den "Verlust des gesunden Menschenverstandes"
zu erklären; im Übrigen stünde man "ratlos vor einem Rätsel, von

1) Der Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter,
Rektoratsrede 1893, S. 30 fg. -- Ich wähle dieses eine Beispiel aus hunderten,
weil Virchow als einer der fleissigsten Anthropologen und Ethnographen unseres
Jahrhunderts, auch sonst ein vielerfahrener und gelehrter Mann, hier eigentlich
hätte Bescheid wissen müssen.

Die Erben.
schlechter — das heisst also, Geschlechter mit ungewöhnlichen Leibes-
und Geisteskräften begabt — nur unter bestimmten, die Zeugung
neuer Individuen beschränkenden Bedingungen entstehen? Ist es nicht
unter Berücksichtigung dieser sämtlichen, menschlichen und ausser-
menschlichen Phänomene möglich, eine klare Antwort auf die Frage
zu erhalten: Was ist Rasse? und wird sich nicht aus dem Bewusstsein
dessen, was Rasse ist, dann ohne Weiteres ergeben, was das Fehlen
bestimmter Rassen für die Geschichte bedeuten muss? Zu allen
diesen Fragen regt der Anblick jener unmittelbaren Erben des grossen
Vermächtnisses lebhaft an. Fragen wir zunächst nach Rassen ganz
im Allgemeinen; daran erst wird sich eine nutzbringende Betrachtung
der hier speziell vorliegenden Verhältnisse und ihrer Bedeutung im
Gange der Geschichte, somit auch für unser Jahrhundert knüpfen.

Vielleicht giebt es keine Frage, über die selbst bei hochgebildeten,
ja gelehrten Männern eine so mitternächtliche Unwissenheit herrscht,
wie über das Wesen und die Bedeutung des Begriffes »Rasse«.
Was sind reine Rassen? woher kommen sie? haben sie geschichtlich
etwas zu bedeuten? Ist der Begriff weit oder eng zu nehmen? Weiss
man etwas darüber oder nichts? Wie verhalten sich die Begriffe Rasse
und Nation zu einander? Ich gestehe, mein Leben lang über alle
diese Dinge lauter Unzusammenhängendes, Widerspruchsvolles gehört
und gelesen zu haben, ausser von einigen Specialisten unter den Natur-
forschern, die aber nur in den seltensten Fällen ihr klares, ausführliches
Wissen auf das Menschengeschlecht anwenden. Kein Jahr vergeht, ohne
dass uns auf internationalen Kongressen von tonangebenden National-
ökonomen, Ministern, Bischöfen, Naturforschern, versichert werde, es
gäbe zwischen den Völkern keinen Unterschied, keine Ungleichheit.
Germanen, die auf das Moment der Rassenverwandtschaft Nachdruck
legen, Juden, die unter uns sich fremd fühlen und in ihre asiatische
Heimat sich zurücksehnen, pflegen gerade von Männern der Wissen-
schaft mit Tadel und Hohn überschüttet zu werden. Professor Virchow
zum Beispiel sagt1) von den Regungen des Stammesbewusstseins unter
uns, sie seien nur durch den »Verlust des gesunden Menschenverstandes«
zu erklären; im Übrigen stünde man »ratlos vor einem Rätsel, von

1) Der Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter,
Rektoratsrede 1893, S. 30 fg. — Ich wähle dieses eine Beispiel aus hunderten,
weil Virchow als einer der fleissigsten Anthropologen und Ethnographen unseres
Jahrhunderts, auch sonst ein vielerfahrener und gelehrter Mann, hier eigentlich
hätte Bescheid wissen müssen.
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[264/0287] Die Erben. schlechter — das heisst also, Geschlechter mit ungewöhnlichen Leibes- und Geisteskräften begabt — nur unter bestimmten, die Zeugung neuer Individuen beschränkenden Bedingungen entstehen? Ist es nicht unter Berücksichtigung dieser sämtlichen, menschlichen und ausser- menschlichen Phänomene möglich, eine klare Antwort auf die Frage zu erhalten: Was ist Rasse? und wird sich nicht aus dem Bewusstsein dessen, was Rasse ist, dann ohne Weiteres ergeben, was das Fehlen bestimmter Rassen für die Geschichte bedeuten muss? Zu allen diesen Fragen regt der Anblick jener unmittelbaren Erben des grossen Vermächtnisses lebhaft an. Fragen wir zunächst nach Rassen ganz im Allgemeinen; daran erst wird sich eine nutzbringende Betrachtung der hier speziell vorliegenden Verhältnisse und ihrer Bedeutung im Gange der Geschichte, somit auch für unser Jahrhundert knüpfen. Vielleicht giebt es keine Frage, über die selbst bei hochgebildeten, ja gelehrten Männern eine so mitternächtliche Unwissenheit herrscht, wie über das Wesen und die Bedeutung des Begriffes »Rasse«. Was sind reine Rassen? woher kommen sie? haben sie geschichtlich etwas zu bedeuten? Ist der Begriff weit oder eng zu nehmen? Weiss man etwas darüber oder nichts? Wie verhalten sich die Begriffe Rasse und Nation zu einander? Ich gestehe, mein Leben lang über alle diese Dinge lauter Unzusammenhängendes, Widerspruchsvolles gehört und gelesen zu haben, ausser von einigen Specialisten unter den Natur- forschern, die aber nur in den seltensten Fällen ihr klares, ausführliches Wissen auf das Menschengeschlecht anwenden. Kein Jahr vergeht, ohne dass uns auf internationalen Kongressen von tonangebenden National- ökonomen, Ministern, Bischöfen, Naturforschern, versichert werde, es gäbe zwischen den Völkern keinen Unterschied, keine Ungleichheit. Germanen, die auf das Moment der Rassenverwandtschaft Nachdruck legen, Juden, die unter uns sich fremd fühlen und in ihre asiatische Heimat sich zurücksehnen, pflegen gerade von Männern der Wissen- schaft mit Tadel und Hohn überschüttet zu werden. Professor Virchow zum Beispiel sagt 1) von den Regungen des Stammesbewusstseins unter uns, sie seien nur durch den »Verlust des gesunden Menschenverstandes« zu erklären; im Übrigen stünde man »ratlos vor einem Rätsel, von 1) Der Übergang aus dem philosophischen in das naturwissenschaftliche Zeitalter, Rektoratsrede 1893, S. 30 fg. — Ich wähle dieses eine Beispiel aus hunderten, weil Virchow als einer der fleissigsten Anthropologen und Ethnographen unseres Jahrhunderts, auch sonst ein vielerfahrener und gelehrter Mann, hier eigentlich hätte Bescheid wissen müssen.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 264. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/287>, abgerufen am 26.11.2024.