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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.

Wollte ich hier fortfahren, wir kämen in eines der dornigsten
Gebiete der heutigen Wissenschaft hinein. Es ist aber für meinen
Zweck durchaus unnötig. Ohne mich um eine Definition zu kümmern,
habe ich Rasse im eigenen Busen, in den Hochthaten der Genies,
auf den glänzendsten Blättern der Menschengeschichte nachgewiesen;
dann habe ich auf die wichtigsten Bedingungen aufmerksam gemacht,
welche die wissenschaftliche Beobachtung uns als grundlegend für die
Entstehung edler Rassen zeigten. Dass aus dem Eintritt entgegen-
gesetzter Bedingungen, Entartung oder zum Mindesten die Hintan-
haltung in der Ausbildung edler Anlagen folgen muss, scheint höchst
wahrscheinlich und dürfte durch Vergangenheit und Gegenwart vielfach
belegt werden. Ich war absichtlich vorsichtig und zurückhaltend;
durch solche labyrinthisch verwickelte Fragen führt der engste Pfad
am sichersten: mir lag einzig daran, eine recht lebhafte Vorstellung
dessen zu wecken, was reingezüchtete Rasse ist, was sie für das
Menschengeschlecht bedeutet hat und noch heute bedeutet.

Die Nation.

Eine sehr wichtige Einsicht habe ich noch nicht ausdrücklich
formuliert, sie ergiebt sich aus allem Gesagten von selbst: der Begriff
Rasse hat nur dann einen Inhalt, wenn wir ihn nicht möglichst weit,
sondern möglichst eng nehmen; folgen wir dem herrschenden Ge-
brauch und bezeichnen wir mit diesem Wort möglichst weit zurück-
liegende, hypothetische Geschlechter, so wird es zuletzt kaum mehr
als ein blasses Synonym für "Menschheit" überhaupt, womöglich mit
Einschluss der lang- und der kurzschwänzigen Affen; Rasse heisst nur
dann etwas, wenn es sich auf Erfahrungen der Vergangenheit und auf
Erlebnisse der Gegenwart bezieht.

Hier lernen wir nun einsehen, was Nation für Rasse zu be-
deuten hat. Fast immer ist es die Nation, als politisches Gebilde,
welche die Bedingungen zur Rassenbildung schafft oder wenigstens
zu den höchsten, individuellsten Bethätigungen der Rasse führt. Wo,
wie in Indien, die Bildung von Nationen ausbleibt, da verkümmert
der durch Rasse angesammelte Kraftvorrat. Die Konfusion aber,
welche unter uns in Bezug auf den Begriff Rasse herrscht, verhindert
selbst die Gelehrtesten diese hohe Bedeutung der Nationen einzusehen,
wodurch zugleich das Verständnis für die grundlegenden Thatsachen
der Geschichte verschlossen bleibt. Denn in der That, was lehren uns
unsere heutigen Historiker über das Verhältnis zwischen Rasse und Nation?

Ich nehme ein beliebiges Buch zur Hand -- Renan's Rede "Was
ist eine Nation?"
-- in Hunderten von anderen begegnet man den

Die Erben.

Wollte ich hier fortfahren, wir kämen in eines der dornigsten
Gebiete der heutigen Wissenschaft hinein. Es ist aber für meinen
Zweck durchaus unnötig. Ohne mich um eine Definition zu kümmern,
habe ich Rasse im eigenen Busen, in den Hochthaten der Genies,
auf den glänzendsten Blättern der Menschengeschichte nachgewiesen;
dann habe ich auf die wichtigsten Bedingungen aufmerksam gemacht,
welche die wissenschaftliche Beobachtung uns als grundlegend für die
Entstehung edler Rassen zeigten. Dass aus dem Eintritt entgegen-
gesetzter Bedingungen, Entartung oder zum Mindesten die Hintan-
haltung in der Ausbildung edler Anlagen folgen muss, scheint höchst
wahrscheinlich und dürfte durch Vergangenheit und Gegenwart vielfach
belegt werden. Ich war absichtlich vorsichtig und zurückhaltend;
durch solche labyrinthisch verwickelte Fragen führt der engste Pfad
am sichersten: mir lag einzig daran, eine recht lebhafte Vorstellung
dessen zu wecken, was reingezüchtete Rasse ist, was sie für das
Menschengeschlecht bedeutet hat und noch heute bedeutet.

Die Nation.

Eine sehr wichtige Einsicht habe ich noch nicht ausdrücklich
formuliert, sie ergiebt sich aus allem Gesagten von selbst: der Begriff
Rasse hat nur dann einen Inhalt, wenn wir ihn nicht möglichst weit,
sondern möglichst eng nehmen; folgen wir dem herrschenden Ge-
brauch und bezeichnen wir mit diesem Wort möglichst weit zurück-
liegende, hypothetische Geschlechter, so wird es zuletzt kaum mehr
als ein blasses Synonym für »Menschheit« überhaupt, womöglich mit
Einschluss der lang- und der kurzschwänzigen Affen; Rasse heisst nur
dann etwas, wenn es sich auf Erfahrungen der Vergangenheit und auf
Erlebnisse der Gegenwart bezieht.

Hier lernen wir nun einsehen, was Nation für Rasse zu be-
deuten hat. Fast immer ist es die Nation, als politisches Gebilde,
welche die Bedingungen zur Rassenbildung schafft oder wenigstens
zu den höchsten, individuellsten Bethätigungen der Rasse führt. Wo,
wie in Indien, die Bildung von Nationen ausbleibt, da verkümmert
der durch Rasse angesammelte Kraftvorrat. Die Konfusion aber,
welche unter uns in Bezug auf den Begriff Rasse herrscht, verhindert
selbst die Gelehrtesten diese hohe Bedeutung der Nationen einzusehen,
wodurch zugleich das Verständnis für die grundlegenden Thatsachen
der Geschichte verschlossen bleibt. Denn in der That, was lehren uns
unsere heutigen Historiker über das Verhältnis zwischen Rasse und Nation?

Ich nehme ein beliebiges Buch zur Hand — Renan’s Rede »Was
ist eine Nation?«
— in Hunderten von anderen begegnet man den

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[290/0313] Die Erben. Wollte ich hier fortfahren, wir kämen in eines der dornigsten Gebiete der heutigen Wissenschaft hinein. Es ist aber für meinen Zweck durchaus unnötig. Ohne mich um eine Definition zu kümmern, habe ich Rasse im eigenen Busen, in den Hochthaten der Genies, auf den glänzendsten Blättern der Menschengeschichte nachgewiesen; dann habe ich auf die wichtigsten Bedingungen aufmerksam gemacht, welche die wissenschaftliche Beobachtung uns als grundlegend für die Entstehung edler Rassen zeigten. Dass aus dem Eintritt entgegen- gesetzter Bedingungen, Entartung oder zum Mindesten die Hintan- haltung in der Ausbildung edler Anlagen folgen muss, scheint höchst wahrscheinlich und dürfte durch Vergangenheit und Gegenwart vielfach belegt werden. Ich war absichtlich vorsichtig und zurückhaltend; durch solche labyrinthisch verwickelte Fragen führt der engste Pfad am sichersten: mir lag einzig daran, eine recht lebhafte Vorstellung dessen zu wecken, was reingezüchtete Rasse ist, was sie für das Menschengeschlecht bedeutet hat und noch heute bedeutet. Eine sehr wichtige Einsicht habe ich noch nicht ausdrücklich formuliert, sie ergiebt sich aus allem Gesagten von selbst: der Begriff Rasse hat nur dann einen Inhalt, wenn wir ihn nicht möglichst weit, sondern möglichst eng nehmen; folgen wir dem herrschenden Ge- brauch und bezeichnen wir mit diesem Wort möglichst weit zurück- liegende, hypothetische Geschlechter, so wird es zuletzt kaum mehr als ein blasses Synonym für »Menschheit« überhaupt, womöglich mit Einschluss der lang- und der kurzschwänzigen Affen; Rasse heisst nur dann etwas, wenn es sich auf Erfahrungen der Vergangenheit und auf Erlebnisse der Gegenwart bezieht. Hier lernen wir nun einsehen, was Nation für Rasse zu be- deuten hat. Fast immer ist es die Nation, als politisches Gebilde, welche die Bedingungen zur Rassenbildung schafft oder wenigstens zu den höchsten, individuellsten Bethätigungen der Rasse führt. Wo, wie in Indien, die Bildung von Nationen ausbleibt, da verkümmert der durch Rasse angesammelte Kraftvorrat. Die Konfusion aber, welche unter uns in Bezug auf den Begriff Rasse herrscht, verhindert selbst die Gelehrtesten diese hohe Bedeutung der Nationen einzusehen, wodurch zugleich das Verständnis für die grundlegenden Thatsachen der Geschichte verschlossen bleibt. Denn in der That, was lehren uns unsere heutigen Historiker über das Verhältnis zwischen Rasse und Nation? Ich nehme ein beliebiges Buch zur Hand — Renan’s Rede »Was ist eine Nation?« — in Hunderten von anderen begegnet man den

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/313>, abgerufen am 27.11.2024.