Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Das Völkerchaos. hat die politische Nationalität bei der Erzeugung individueller Rassendieselbe Rolle gespielt wie in unserer neueren Kultur; ich brauche nur auf Indien, Griechenland und auf die Israeliten zu verweisen; jedoch schöner, folgenreicher, und, wie es scheint, dauerhafter wurde das Problem nie gelöst als bei uns Germanen. Als hätte man sie aus dem Boden gestampft, ist in diesem kleinen europäischen Weltteil eine Reihe durchaus neuer, unterschiedener Gebilde hervorgegangen. Herr Renan meint, nur in der alten Polis hätte es Rasse gegeben, weil allein dort die numerische Beschränktheit Blutgemeinschaft gestattet habe; das ist ganz falsch; man braucht nur wenige Jahrhunderte zurück- zurechnen und jeder Mensch zählt Hunderttausende von Voreltern; was also in dem engen Gebiet Athens in verhältnismässig kurzer Zeit geschah, die physiologische Aneinanderknüpfung, das geschah bei uns im Laufe etlicher Jahrhunderte und setzt sich heute noch fort. Weit entfernt, dass die Bedeutung der Rasse in unseren Nationen abnähme, nimmt sie notwendiger Weise täglich zu. Je länger ein bestimmter Länderkomplex politisch vereinigt bleibt, um so inniger wird jene geforderte "physiologische Einheit", um so schneller und gründlicher saugt sie fremde Elemente auf. Unsere Anthropologen und Historiker setzen ohne weiteres voraus, in ihren hypothetischen Urrassen seien die spezifischen, unterscheidenden Charakteristika hoch entwickelt gewesen, jetzt jedoch befänden sie sich in progressiver Abnahme; es fände also ein Fortgang aus ursprünglicher Mannig- faltigkeit zu zunehmender Einfältigkeit statt. Diese Annahme wider- spricht aller Erfahrung, welche uns vielmehr lehrt, dass Individuali- sierung eine Frucht wachsender Differentiierung und Absonderung ist. Gegen die Voraussetzung, ein organisches Wesen trete zuerst mit scharf ausgesprochenen Kennzeichen auf, die sich dann allmählich verwischen, spricht die gesamte biologische Wissenschaft; diese zwingt uns geradezu die umgekehrte Hypothese auf: dass das frühe Menschen- geschlecht ein bewegliches, verhältnismässig farbloses Aggregat war, aus welchem heraus die einzelnen Typen in zunehmender Divergenz und zunehmend scharfer Individualität hervorgewachsen sind; eine Hypothese, welche durch alle Geschichte bestätigt wird. Nicht also aus Rassentum zur Rassenlosigkeit ist der normale, gesunde Ent- wickelungsgang der Menschheit, sondern im Gegenteil, aus der Rassenlosigkeit zur immer schärferen Ausprägung der Rasse. Die Bereicherung des Lebens durch neue Individualitäten scheint überall ein höchstes Gesetz der unerforschlichen Natur zu sein. Hier spielt Das Völkerchaos. hat die politische Nationalität bei der Erzeugung individueller Rassendieselbe Rolle gespielt wie in unserer neueren Kultur; ich brauche nur auf Indien, Griechenland und auf die Israeliten zu verweisen; jedoch schöner, folgenreicher, und, wie es scheint, dauerhafter wurde das Problem nie gelöst als bei uns Germanen. Als hätte man sie aus dem Boden gestampft, ist in diesem kleinen europäischen Weltteil eine Reihe durchaus neuer, unterschiedener Gebilde hervorgegangen. Herr Renan meint, nur in der alten Polis hätte es Rasse gegeben, weil allein dort die numerische Beschränktheit Blutgemeinschaft gestattet habe; das ist ganz falsch; man braucht nur wenige Jahrhunderte zurück- zurechnen und jeder Mensch zählt Hunderttausende von Voreltern; was also in dem engen Gebiet Athens in verhältnismässig kurzer Zeit geschah, die physiologische Aneinanderknüpfung, das geschah bei uns im Laufe etlicher Jahrhunderte und setzt sich heute noch fort. Weit entfernt, dass die Bedeutung der Rasse in unseren Nationen abnähme, nimmt sie notwendiger Weise täglich zu. Je länger ein bestimmter Länderkomplex politisch vereinigt bleibt, um so inniger wird jene geforderte »physiologische Einheit«, um so schneller und gründlicher saugt sie fremde Elemente auf. Unsere Anthropologen und Historiker setzen ohne weiteres voraus, in ihren hypothetischen Urrassen seien die spezifischen, unterscheidenden Charakteristika hoch entwickelt gewesen, jetzt jedoch befänden sie sich in progressiver Abnahme; es fände also ein Fortgang aus ursprünglicher Mannig- faltigkeit zu zunehmender Einfältigkeit statt. Diese Annahme wider- spricht aller Erfahrung, welche uns vielmehr lehrt, dass Individuali- sierung eine Frucht wachsender Differentiierung und Absonderung ist. Gegen die Voraussetzung, ein organisches Wesen trete zuerst mit scharf ausgesprochenen Kennzeichen auf, die sich dann allmählich verwischen, spricht die gesamte biologische Wissenschaft; diese zwingt uns geradezu die umgekehrte Hypothese auf: dass das frühe Menschen- geschlecht ein bewegliches, verhältnismässig farbloses Aggregat war, aus welchem heraus die einzelnen Typen in zunehmender Divergenz und zunehmend scharfer Individualität hervorgewachsen sind; eine Hypothese, welche durch alle Geschichte bestätigt wird. Nicht also aus Rassentum zur Rassenlosigkeit ist der normale, gesunde Ent- wickelungsgang der Menschheit, sondern im Gegenteil, aus der Rassenlosigkeit zur immer schärferen Ausprägung der Rasse. Die Bereicherung des Lebens durch neue Individualitäten scheint überall ein höchstes Gesetz der unerforschlichen Natur zu sein. Hier spielt <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0316" n="293"/><fw place="top" type="header">Das Völkerchaos.</fw><lb/> hat die politische Nationalität bei der Erzeugung individueller Rassen<lb/> dieselbe Rolle gespielt wie in unserer neueren Kultur; ich brauche nur<lb/> auf Indien, Griechenland und auf die Israeliten zu verweisen; jedoch<lb/> schöner, folgenreicher, und, wie es scheint, dauerhafter wurde das<lb/> Problem nie gelöst als bei uns Germanen. Als hätte man sie aus dem<lb/> Boden gestampft, ist in diesem kleinen europäischen Weltteil eine Reihe<lb/> durchaus neuer, unterschiedener Gebilde hervorgegangen. Herr Renan<lb/> meint, nur in der alten <hi rendition="#g">Polis</hi> hätte es Rasse gegeben, weil allein<lb/> dort die numerische Beschränktheit Blutgemeinschaft gestattet habe;<lb/> das ist ganz falsch; man braucht nur wenige Jahrhunderte zurück-<lb/> zurechnen und jeder Mensch zählt Hunderttausende von Voreltern;<lb/> was also in dem engen Gebiet Athens in verhältnismässig kurzer<lb/> Zeit geschah, die physiologische Aneinanderknüpfung, das geschah<lb/> bei uns im Laufe etlicher Jahrhunderte und setzt sich heute noch<lb/> fort. Weit entfernt, dass die Bedeutung der Rasse in unseren Nationen<lb/> abnähme, nimmt sie notwendiger Weise täglich zu. Je länger ein<lb/> bestimmter Länderkomplex politisch vereinigt bleibt, um so inniger<lb/> wird jene geforderte »physiologische Einheit«, um so schneller und<lb/> gründlicher saugt sie fremde Elemente auf. Unsere Anthropologen<lb/> und Historiker setzen ohne weiteres voraus, in ihren hypothetischen<lb/> Urrassen seien die spezifischen, unterscheidenden Charakteristika hoch<lb/> entwickelt gewesen, jetzt jedoch befänden sie sich in progressiver<lb/> Abnahme; es fände also ein Fortgang aus ursprünglicher Mannig-<lb/> faltigkeit zu zunehmender Einfältigkeit statt. Diese Annahme wider-<lb/> spricht aller Erfahrung, welche uns vielmehr lehrt, dass Individuali-<lb/> sierung eine Frucht wachsender Differentiierung und Absonderung ist.<lb/> Gegen die Voraussetzung, ein organisches Wesen trete zuerst mit<lb/> scharf ausgesprochenen Kennzeichen auf, die sich dann allmählich<lb/> verwischen, spricht die gesamte biologische Wissenschaft; diese zwingt<lb/> uns geradezu die umgekehrte Hypothese auf: dass das frühe Menschen-<lb/> geschlecht ein bewegliches, verhältnismässig farbloses Aggregat war,<lb/> aus welchem heraus die einzelnen Typen in zunehmender Divergenz<lb/> und zunehmend scharfer Individualität hervorgewachsen sind; eine<lb/> Hypothese, welche durch alle Geschichte bestätigt wird. Nicht also<lb/> aus Rassentum zur Rassenlosigkeit ist der normale, gesunde Ent-<lb/> wickelungsgang der Menschheit, sondern im Gegenteil, aus der<lb/> Rassenlosigkeit zur immer schärferen Ausprägung der Rasse. Die<lb/> Bereicherung des Lebens durch neue Individualitäten scheint überall<lb/> ein höchstes Gesetz der unerforschlichen Natur zu sein. Hier spielt<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [293/0316]
Das Völkerchaos.
hat die politische Nationalität bei der Erzeugung individueller Rassen
dieselbe Rolle gespielt wie in unserer neueren Kultur; ich brauche nur
auf Indien, Griechenland und auf die Israeliten zu verweisen; jedoch
schöner, folgenreicher, und, wie es scheint, dauerhafter wurde das
Problem nie gelöst als bei uns Germanen. Als hätte man sie aus dem
Boden gestampft, ist in diesem kleinen europäischen Weltteil eine Reihe
durchaus neuer, unterschiedener Gebilde hervorgegangen. Herr Renan
meint, nur in der alten Polis hätte es Rasse gegeben, weil allein
dort die numerische Beschränktheit Blutgemeinschaft gestattet habe;
das ist ganz falsch; man braucht nur wenige Jahrhunderte zurück-
zurechnen und jeder Mensch zählt Hunderttausende von Voreltern;
was also in dem engen Gebiet Athens in verhältnismässig kurzer
Zeit geschah, die physiologische Aneinanderknüpfung, das geschah
bei uns im Laufe etlicher Jahrhunderte und setzt sich heute noch
fort. Weit entfernt, dass die Bedeutung der Rasse in unseren Nationen
abnähme, nimmt sie notwendiger Weise täglich zu. Je länger ein
bestimmter Länderkomplex politisch vereinigt bleibt, um so inniger
wird jene geforderte »physiologische Einheit«, um so schneller und
gründlicher saugt sie fremde Elemente auf. Unsere Anthropologen
und Historiker setzen ohne weiteres voraus, in ihren hypothetischen
Urrassen seien die spezifischen, unterscheidenden Charakteristika hoch
entwickelt gewesen, jetzt jedoch befänden sie sich in progressiver
Abnahme; es fände also ein Fortgang aus ursprünglicher Mannig-
faltigkeit zu zunehmender Einfältigkeit statt. Diese Annahme wider-
spricht aller Erfahrung, welche uns vielmehr lehrt, dass Individuali-
sierung eine Frucht wachsender Differentiierung und Absonderung ist.
Gegen die Voraussetzung, ein organisches Wesen trete zuerst mit
scharf ausgesprochenen Kennzeichen auf, die sich dann allmählich
verwischen, spricht die gesamte biologische Wissenschaft; diese zwingt
uns geradezu die umgekehrte Hypothese auf: dass das frühe Menschen-
geschlecht ein bewegliches, verhältnismässig farbloses Aggregat war,
aus welchem heraus die einzelnen Typen in zunehmender Divergenz
und zunehmend scharfer Individualität hervorgewachsen sind; eine
Hypothese, welche durch alle Geschichte bestätigt wird. Nicht also
aus Rassentum zur Rassenlosigkeit ist der normale, gesunde Ent-
wickelungsgang der Menschheit, sondern im Gegenteil, aus der
Rassenlosigkeit zur immer schärferen Ausprägung der Rasse. Die
Bereicherung des Lebens durch neue Individualitäten scheint überall
ein höchstes Gesetz der unerforschlichen Natur zu sein. Hier spielt
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |