lichen Beförderung der Wahrheit eingeführt: so grosse Kirchenväter wie Hieronymus und Chrysostomus ermutigen die "pia fraus", den frommen Betrug; bald darauf kommt die Begründung von Macht und Recht des römischen Stuhles anstatt durch Mannesmut und Sieg durch grossartig betriebene Dokumentenfälschung; ein so ehrwürdiger Historiker wie Eusebius hat die einer besseren Sache würdige Naivetät, einzu- gestehen, er modele Geschichte um, überall, wo dadurch der "guten Sache" Vorschub geleistet werde. Dieses aus der Rassenvermischung und dem antinationalen Universalwahn hervorgegangene Chaos ist ein grauenvoller Anblick!
Asketischer Wahn.
Vielleicht hat man noch nie -- ich wenigstens wüsste nicht wo -- darauf hingewiesen, wie jene plötzlich über die damalige Welt hereingebrochene Epidemie der Asketik unmittelbar mit dem Ekel vor jener entsetzlichen Welt zusammenhing; Einige wollen darin einen unerhörten religiösen Aufschwung, Andere eine religiöse Krankheit er- blicken; das heisst aber die Thatsachen allegorisch deuten, denn Religion und Askese hängen nicht notwendig zusammen. Nichts in dem Bei- spiel Christi konnte zur Askese anregen; den frühen echten Christen war sie gänzlich unbekannt; noch 200 Jahre nach Christus schrieb Tertullian: "Wir Christen gleichen nicht den Brahmanen und Gymno- sophisten Indiens, wir leben nicht in Wäldern, noch verbannt aus der Gesellschaft der Menschen: wir fühlen, dass wir Gott, dem Herrn und Schöpfer für Alles Dank schulden und von keinem seiner Werke verbieten wir den Genuss; nur mässigen wir uns, damit wir dieser Dinge nicht mehr als zuträglich geniessen oder einen schlechten Ge- brauch davon machen" (Apologeticus, Kap. 42). Warum drang nun auf einmal unchristliche Askese in das Christentum ein? Ich meinesteils glaube, hier liegen physische Ursachen zu Grunde. Aus dem durch und durch bastardierten Ägypten und Syrien war die Askese schon vor der Geburt Christi hervorgegangen; überall dort, wo das Blut am ge- mischtesten war, hatte sie Fuss gefasst. Pachomius, der Gründer des ersten christlichen Klosters, der Urheber der ersten Mönchsregel, ist ein oberägyptischer Serapisdiener, der das, was er in den Genossen- schaften der fastenden und sich kasteienden Serapisasketen gelernt hatte, ins Christliche übertrug.1) Wer in jener Welt des unnationalen Chaos noch einen Funken edler Regung besass, musste eben vor sich selber Widerwillen empfinden. Nirgends, wo gesunde Verhältnisse
1) Vergl. Otto Zöckler: Askese und Mönchtum, 1897, I, 193 fg.
Die Erben.
lichen Beförderung der Wahrheit eingeführt: so grosse Kirchenväter wie Hieronymus und Chrysostomus ermutigen die »pia fraus«, den frommen Betrug; bald darauf kommt die Begründung von Macht und Recht des römischen Stuhles anstatt durch Mannesmut und Sieg durch grossartig betriebene Dokumentenfälschung; ein so ehrwürdiger Historiker wie Eusebius hat die einer besseren Sache würdige Naivetät, einzu- gestehen, er modele Geschichte um, überall, wo dadurch der »guten Sache« Vorschub geleistet werde. Dieses aus der Rassenvermischung und dem antinationalen Universalwahn hervorgegangene Chaos ist ein grauenvoller Anblick!
Asketischer Wahn.
Vielleicht hat man noch nie — ich wenigstens wüsste nicht wo — darauf hingewiesen, wie jene plötzlich über die damalige Welt hereingebrochene Epidemie der Asketik unmittelbar mit dem Ekel vor jener entsetzlichen Welt zusammenhing; Einige wollen darin einen unerhörten religiösen Aufschwung, Andere eine religiöse Krankheit er- blicken; das heisst aber die Thatsachen allegorisch deuten, denn Religion und Askese hängen nicht notwendig zusammen. Nichts in dem Bei- spiel Christi konnte zur Askese anregen; den frühen echten Christen war sie gänzlich unbekannt; noch 200 Jahre nach Christus schrieb Tertullian: »Wir Christen gleichen nicht den Brahmanen und Gymno- sophisten Indiens, wir leben nicht in Wäldern, noch verbannt aus der Gesellschaft der Menschen: wir fühlen, dass wir Gott, dem Herrn und Schöpfer für Alles Dank schulden und von keinem seiner Werke verbieten wir den Genuss; nur mässigen wir uns, damit wir dieser Dinge nicht mehr als zuträglich geniessen oder einen schlechten Ge- brauch davon machen« (Apologeticus, Kap. 42). Warum drang nun auf einmal unchristliche Askese in das Christentum ein? Ich meinesteils glaube, hier liegen physische Ursachen zu Grunde. Aus dem durch und durch bastardierten Ägypten und Syrien war die Askese schon vor der Geburt Christi hervorgegangen; überall dort, wo das Blut am ge- mischtesten war, hatte sie Fuss gefasst. Pachomius, der Gründer des ersten christlichen Klosters, der Urheber der ersten Mönchsregel, ist ein oberägyptischer Serapisdiener, der das, was er in den Genossen- schaften der fastenden und sich kasteienden Serapisasketen gelernt hatte, ins Christliche übertrug.1) Wer in jener Welt des unnationalen Chaos noch einen Funken edler Regung besass, musste eben vor sich selber Widerwillen empfinden. Nirgends, wo gesunde Verhältnisse
1) Vergl. Otto Zöckler: Askese und Mönchtum, 1897, I, 193 fg.
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frommen Betrug; bald darauf kommt die Begründung von Macht und
Recht des römischen Stuhles anstatt durch Mannesmut und Sieg durch
grossartig betriebene Dokumentenfälschung; ein so ehrwürdiger Historiker
wie Eusebius hat die einer besseren Sache würdige Naivetät, einzu-
gestehen, er modele Geschichte um, überall, wo dadurch der »guten
Sache« Vorschub geleistet werde. Dieses aus der Rassenvermischung
und dem antinationalen Universalwahn hervorgegangene Chaos ist ein
grauenvoller Anblick!
Vielleicht hat man noch nie — ich wenigstens wüsste nicht
wo — darauf hingewiesen, wie jene plötzlich über die damalige Welt
hereingebrochene Epidemie der Asketik unmittelbar mit dem Ekel vor
jener entsetzlichen Welt zusammenhing; Einige wollen darin einen
unerhörten religiösen Aufschwung, Andere eine religiöse Krankheit er-
blicken; das heisst aber die Thatsachen allegorisch deuten, denn Religion
und Askese hängen nicht notwendig zusammen. Nichts in dem Bei-
spiel Christi konnte zur Askese anregen; den frühen echten Christen
war sie gänzlich unbekannt; noch 200 Jahre nach Christus schrieb
Tertullian: »Wir Christen gleichen nicht den Brahmanen und Gymno-
sophisten Indiens, wir leben nicht in Wäldern, noch verbannt aus der
Gesellschaft der Menschen: wir fühlen, dass wir Gott, dem Herrn
und Schöpfer für Alles Dank schulden und von keinem seiner Werke
verbieten wir den Genuss; nur mässigen wir uns, damit wir dieser
Dinge nicht mehr als zuträglich geniessen oder einen schlechten Ge-
brauch davon machen« (Apologeticus, Kap. 42). Warum drang nun auf
einmal unchristliche Askese in das Christentum ein? Ich meinesteils
glaube, hier liegen physische Ursachen zu Grunde. Aus dem durch und
durch bastardierten Ägypten und Syrien war die Askese schon vor
der Geburt Christi hervorgegangen; überall dort, wo das Blut am ge-
mischtesten war, hatte sie Fuss gefasst. Pachomius, der Gründer des
ersten christlichen Klosters, der Urheber der ersten Mönchsregel, ist
ein oberägyptischer Serapisdiener, der das, was er in den Genossen-
schaften der fastenden und sich kasteienden Serapisasketen gelernt
hatte, ins Christliche übertrug. 1) Wer in jener Welt des unnationalen
Chaos noch einen Funken edler Regung besass, musste eben vor sich
selber Widerwillen empfinden. Nirgends, wo gesunde Verhältnisse
1) Vergl. Otto Zöckler: Askese und Mönchtum, 1897, I, 193 fg.
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/331>, abgerufen am 26.11.2024.
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