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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
Männer Tag und Nacht in den Büchern der Hebräer: von den Aus-
sprüchen jüdischer Hirten wie Amos und Micha getroffen, fielen die
Denkmäler einer Kunst, wie sie die Welt nie wieder erblickt hat;
vor dem Hohn jüdischer Priester sank die Wissenschaft verachtet
dahin; entvölkert wurden Olymp und Walhall, weil es die Juden so
wollten; Jahve, der zu den Israeliten gesprochen hatte: "Ihr seid
mein Volk und ich bin euer Gott", wurde nun der Gott der Indo-
europäer; von den Juden übernahmen wir die verhängnisvolle Lehre von
der unbedingten religiösen Intoleranz. Zugleich aber übernahmen wir
sehr grosse erhabene Seelenregungen; wir gingen bei Propheten in die
Lehre, welche eine so herbe, reine Moral predigten, wie ihresgleichen
nur auf dem fernen Boden Indiens zu finden gewesen wäre; wir
lernten einen so lebendigen, Leben gestaltenden Glauben an eine
höhere göttliche Macht kennen, dass er notwendigerweise unsere
Seele umgestalten und ihr eine neue Richtung geben musste -- -- --
war auch Christus der grosse Baumeister, die Architektur entlehnten
wir von den Juden. Jesaia, Jeremia, die Psalmisten wurden und
sind noch lebendige Kräfte in unsrem seelischen Leben.

Wer ist
der Jude?

Heute nun, wo diese innere Berührung schwächer zu werden
beginnt, während jene früher genannte äussere Reibung täglich
zunimmt, heute, wo wir der jüdischen Nähe gar nicht mehr aus-
weichen können, darf es uns nicht genügen zu wissen, dass fast alle
hervorragenden und freien Männer, von Tiberius an bis zu Bismarck,
die Gegenwart des Juden in unsrer Mitte als eine politisch-soziale
Gefahr betrachtet haben, sondern wir müssen im Stande sein, auf
Grundlage ausreichender Sachkenntnis selber bestimmte Urteile zu
fällen und darnach zu handeln. Man hat "Antisemitenkatechismen"
herausgegeben, in denen hunderte von Aussagen bekannter Männer
gesammelt sind; abgesehen davon aber, dass mancher Spruch, aus
dem Zusammenhang gerissen, nicht ganz redlich die Absicht des
Verfassers wiedergiebt, und dass aus manchem anderen ignorantes,
blindes Vorurteil spricht, ist doch offenbar ein eigenes Urteil mehr
wert, als zweihundert nachgeplapperte, und ich wüsste nicht, wie
wir zu einem kompetenten Urteil gelangen könnten, wenn wir nicht
einen höheren Standpunkt einnehmen lernen als den der bloss politi-
schen Betrachtung, und ich wüsste nicht, wie dieser Standpunkt ge-
wonnen werden könnte auf einem anderen Boden, als auf dem der
Geschichte, -- nicht aber unserer modernen Geschichte, denn hier
wären wir Richter und Partei zugleich, sondern der Geschichte von

Die Erben.
Männer Tag und Nacht in den Büchern der Hebräer: von den Aus-
sprüchen jüdischer Hirten wie Amos und Micha getroffen, fielen die
Denkmäler einer Kunst, wie sie die Welt nie wieder erblickt hat;
vor dem Hohn jüdischer Priester sank die Wissenschaft verachtet
dahin; entvölkert wurden Olymp und Walhall, weil es die Juden so
wollten; Jahve, der zu den Israeliten gesprochen hatte: »Ihr seid
mein Volk und ich bin euer Gott«, wurde nun der Gott der Indo-
europäer; von den Juden übernahmen wir die verhängnisvolle Lehre von
der unbedingten religiösen Intoleranz. Zugleich aber übernahmen wir
sehr grosse erhabene Seelenregungen; wir gingen bei Propheten in die
Lehre, welche eine so herbe, reine Moral predigten, wie ihresgleichen
nur auf dem fernen Boden Indiens zu finden gewesen wäre; wir
lernten einen so lebendigen, Leben gestaltenden Glauben an eine
höhere göttliche Macht kennen, dass er notwendigerweise unsere
Seele umgestalten und ihr eine neue Richtung geben musste — — —
war auch Christus der grosse Baumeister, die Architektur entlehnten
wir von den Juden. Jesaia, Jeremia, die Psalmisten wurden und
sind noch lebendige Kräfte in unsrem seelischen Leben.

Wer ist
der Jude?

Heute nun, wo diese innere Berührung schwächer zu werden
beginnt, während jene früher genannte äussere Reibung täglich
zunimmt, heute, wo wir der jüdischen Nähe gar nicht mehr aus-
weichen können, darf es uns nicht genügen zu wissen, dass fast alle
hervorragenden und freien Männer, von Tiberius an bis zu Bismarck,
die Gegenwart des Juden in unsrer Mitte als eine politisch-soziale
Gefahr betrachtet haben, sondern wir müssen im Stande sein, auf
Grundlage ausreichender Sachkenntnis selber bestimmte Urteile zu
fällen und darnach zu handeln. Man hat »Antisemitenkatechismen«
herausgegeben, in denen hunderte von Aussagen bekannter Männer
gesammelt sind; abgesehen davon aber, dass mancher Spruch, aus
dem Zusammenhang gerissen, nicht ganz redlich die Absicht des
Verfassers wiedergiebt, und dass aus manchem anderen ignorantes,
blindes Vorurteil spricht, ist doch offenbar ein eigenes Urteil mehr
wert, als zweihundert nachgeplapperte, und ich wüsste nicht, wie
wir zu einem kompetenten Urteil gelangen könnten, wenn wir nicht
einen höheren Standpunkt einnehmen lernen als den der bloss politi-
schen Betrachtung, und ich wüsste nicht, wie dieser Standpunkt ge-
wonnen werden könnte auf einem anderen Boden, als auf dem der
Geschichte, — nicht aber unserer modernen Geschichte, denn hier
wären wir Richter und Partei zugleich, sondern der Geschichte von

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[342/0365] Die Erben. Männer Tag und Nacht in den Büchern der Hebräer: von den Aus- sprüchen jüdischer Hirten wie Amos und Micha getroffen, fielen die Denkmäler einer Kunst, wie sie die Welt nie wieder erblickt hat; vor dem Hohn jüdischer Priester sank die Wissenschaft verachtet dahin; entvölkert wurden Olymp und Walhall, weil es die Juden so wollten; Jahve, der zu den Israeliten gesprochen hatte: »Ihr seid mein Volk und ich bin euer Gott«, wurde nun der Gott der Indo- europäer; von den Juden übernahmen wir die verhängnisvolle Lehre von der unbedingten religiösen Intoleranz. Zugleich aber übernahmen wir sehr grosse erhabene Seelenregungen; wir gingen bei Propheten in die Lehre, welche eine so herbe, reine Moral predigten, wie ihresgleichen nur auf dem fernen Boden Indiens zu finden gewesen wäre; wir lernten einen so lebendigen, Leben gestaltenden Glauben an eine höhere göttliche Macht kennen, dass er notwendigerweise unsere Seele umgestalten und ihr eine neue Richtung geben musste — — — war auch Christus der grosse Baumeister, die Architektur entlehnten wir von den Juden. Jesaia, Jeremia, die Psalmisten wurden und sind noch lebendige Kräfte in unsrem seelischen Leben. Heute nun, wo diese innere Berührung schwächer zu werden beginnt, während jene früher genannte äussere Reibung täglich zunimmt, heute, wo wir der jüdischen Nähe gar nicht mehr aus- weichen können, darf es uns nicht genügen zu wissen, dass fast alle hervorragenden und freien Männer, von Tiberius an bis zu Bismarck, die Gegenwart des Juden in unsrer Mitte als eine politisch-soziale Gefahr betrachtet haben, sondern wir müssen im Stande sein, auf Grundlage ausreichender Sachkenntnis selber bestimmte Urteile zu fällen und darnach zu handeln. Man hat »Antisemitenkatechismen« herausgegeben, in denen hunderte von Aussagen bekannter Männer gesammelt sind; abgesehen davon aber, dass mancher Spruch, aus dem Zusammenhang gerissen, nicht ganz redlich die Absicht des Verfassers wiedergiebt, und dass aus manchem anderen ignorantes, blindes Vorurteil spricht, ist doch offenbar ein eigenes Urteil mehr wert, als zweihundert nachgeplapperte, und ich wüsste nicht, wie wir zu einem kompetenten Urteil gelangen könnten, wenn wir nicht einen höheren Standpunkt einnehmen lernen als den der bloss politi- schen Betrachtung, und ich wüsste nicht, wie dieser Standpunkt ge- wonnen werden könnte auf einem anderen Boden, als auf dem der Geschichte, — nicht aber unserer modernen Geschichte, denn hier wären wir Richter und Partei zugleich, sondern der Geschichte von

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/365>, abgerufen am 24.11.2024.