Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.Die Erben. gerade beim Juden diesen Vorgang verfolgen, denn die gesamtejüdische Nationalgeschichte gleicht einem fortwährenden Ausscheidungs- verfahren; der Charakter des jüdischen Volkes wird immer individueller, immer ausgesprochener, immer einfacher; zuletzt bleibt gewisser- massen vom ganzen Wesen nur das mittlere Knochengerüst übrig; die langsam gereifte Frucht wird ihrer flaumigen, farbigen Hülle, ihres saftigen Fleisches beraubt, denn diese könnten von aussen befleckt und angefressen werden, einzig der steinigte Kern besteht weiter, zwar verschrumpft und dürr, der Zeit aber trotzend. Doch, wie gesagt, das war nicht immer so. Was aus den heiligen Büchern der Hebräer in die christliche Religion übergegangen ist, stammt nicht aus diesem Greisenalter des eigentlichen Judentums, sondern teils aus der Jugend des viel weiteren, phantasievolleren "israelitischen" Volkes, teils aus dem Mannesalter des kaum erst von Israel getrennten, noch nicht von den übrigen Nationen der Erde hochmütig sich scheidenden Judäers. Der Jude, den wir jetzt kennen und am Werke sehen, ist erst nach und nach Jude geworden; nicht jedoch, wie die historische Lüge noch immer zu behaupten beliebt, im Laufe des christlichen Mittelalters, sondern auf nationalem Boden, im Verlaufe seiner selbst- ständigen Geschichte; sein Schicksal schuf sich der Jude selber; in Jerusalem stand der erste Ghetto, die hohe Mauer, welche den Recht- gläubigen und Rechtgeborenen von den Goyim schied, diesen den Eintritt in die eigentliche Stadt verwehrend. Weder Jakob, noch Salomo, noch Jesaia würden in Rabbi Akiba (dem grossen Schrift- gelehrten des Talmud) ihren Enkel erkennen, geschweige ihren Ur- enkel in Baron Hirsch oder dem Diamanten-Barnato.1) Versuchen wir also auf dem kurzen Wege möglichster Verein- 1) Für die messianische Zeit war der Traum der späteren Juden (im
Gegensatz zu den freier denkenden Israeliten früherer Jahrhunderte), den Fremden den Eintritt in Jerusalem überhaupt zu verwehren; man schlage nur Joel III, 22 nach; und da dieser sehr späte Prophet aus der hellenischen Zeit zugleich sagt, Gott werde ewig in Jerusalem und nur in Jerusalem wohnen, so bedeutet jenes Verbot das Ausschliessen aller Völker von Gottes Gegenwart. Das war die Toleranz der Juden! -- Dass die meisten Rabbiner alle Nichtjuden vom Anteil an einer zukünftigen Welt ausschlossen, andere sie nur als eine verachtete Menge dort duldeten (siehe Traktat Gittin, fol. 57 a des Babylonischen Talmud, und Weber, System der altsynagogalen palästinischen Theologie, S. 372, nach Laible), ist schliesslich nur logisch; was dagegen komisch wirkt, ist die Behauptung der heutigen Juden, ihre Religion sei die Religion der Humanität! Die Erben. gerade beim Juden diesen Vorgang verfolgen, denn die gesamtejüdische Nationalgeschichte gleicht einem fortwährenden Ausscheidungs- verfahren; der Charakter des jüdischen Volkes wird immer individueller, immer ausgesprochener, immer einfacher; zuletzt bleibt gewisser- massen vom ganzen Wesen nur das mittlere Knochengerüst übrig; die langsam gereifte Frucht wird ihrer flaumigen, farbigen Hülle, ihres saftigen Fleisches beraubt, denn diese könnten von aussen befleckt und angefressen werden, einzig der steinigte Kern besteht weiter, zwar verschrumpft und dürr, der Zeit aber trotzend. Doch, wie gesagt, das war nicht immer so. Was aus den heiligen Büchern der Hebräer in die christliche Religion übergegangen ist, stammt nicht aus diesem Greisenalter des eigentlichen Judentums, sondern teils aus der Jugend des viel weiteren, phantasievolleren »israelitischen« Volkes, teils aus dem Mannesalter des kaum erst von Israel getrennten, noch nicht von den übrigen Nationen der Erde hochmütig sich scheidenden Judäers. Der Jude, den wir jetzt kennen und am Werke sehen, ist erst nach und nach Jude geworden; nicht jedoch, wie die historische Lüge noch immer zu behaupten beliebt, im Laufe des christlichen Mittelalters, sondern auf nationalem Boden, im Verlaufe seiner selbst- ständigen Geschichte; sein Schicksal schuf sich der Jude selber; in Jerusalem stand der erste Ghetto, die hohe Mauer, welche den Recht- gläubigen und Rechtgeborenen von den Goyim schied, diesen den Eintritt in die eigentliche Stadt verwehrend. Weder Jakob, noch Salomo, noch Jesaia würden in Rabbi Akiba (dem grossen Schrift- gelehrten des Talmud) ihren Enkel erkennen, geschweige ihren Ur- enkel in Baron Hirsch oder dem Diamanten-Barnato.1) Versuchen wir also auf dem kurzen Wege möglichster Verein- 1) Für die messianische Zeit war der Traum der späteren Juden (im
Gegensatz zu den freier denkenden Israeliten früherer Jahrhunderte), den Fremden den Eintritt in Jerusalem überhaupt zu verwehren; man schlage nur Joel III, 22 nach; und da dieser sehr späte Prophet aus der hellenischen Zeit zugleich sagt, Gott werde ewig in Jerusalem und nur in Jerusalem wohnen, so bedeutet jenes Verbot das Ausschliessen aller Völker von Gottes Gegenwart. Das war die Toleranz der Juden! — Dass die meisten Rabbiner alle Nichtjuden vom Anteil an einer zukünftigen Welt ausschlossen, andere sie nur als eine verachtete Menge dort duldeten (siehe Traktat Gittin, fol. 57 a des Babylonischen Talmud, und Weber, System der altsynagogalen palästinischen Theologie, S. 372, nach Laible), ist schliesslich nur logisch; was dagegen komisch wirkt, ist die Behauptung der heutigen Juden, ihre Religion sei die Religion der Humanität! <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0367" n="344"/><fw place="top" type="header">Die Erben.</fw><lb/> gerade beim Juden diesen Vorgang verfolgen, denn die gesamte<lb/> jüdische Nationalgeschichte gleicht einem fortwährenden Ausscheidungs-<lb/> verfahren; der Charakter des jüdischen Volkes wird immer individueller,<lb/> immer ausgesprochener, immer einfacher; zuletzt bleibt gewisser-<lb/> massen vom ganzen Wesen nur das mittlere Knochengerüst übrig;<lb/> die langsam gereifte Frucht wird ihrer flaumigen, farbigen Hülle,<lb/> ihres saftigen Fleisches beraubt, denn diese könnten von aussen<lb/> befleckt und angefressen werden, einzig der steinigte <hi rendition="#g">Kern</hi> besteht<lb/> weiter, zwar verschrumpft und dürr, der Zeit aber trotzend. Doch,<lb/> wie gesagt, das war nicht immer so. Was aus den heiligen Büchern<lb/> der Hebräer in die christliche Religion übergegangen ist, stammt nicht aus<lb/> diesem Greisenalter des eigentlichen Judentums, sondern teils aus der<lb/> Jugend des viel weiteren, phantasievolleren »israelitischen« Volkes,<lb/> teils aus dem Mannesalter des kaum erst von Israel getrennten, noch<lb/> nicht von den übrigen Nationen der Erde hochmütig sich scheidenden<lb/> Judäers. Der Jude, den wir jetzt kennen und am Werke sehen, ist<lb/> erst nach und nach Jude geworden; nicht jedoch, wie die historische<lb/> Lüge noch immer zu behaupten beliebt, im Laufe des christlichen<lb/> Mittelalters, sondern auf nationalem Boden, im Verlaufe seiner selbst-<lb/> ständigen Geschichte; sein Schicksal schuf sich der Jude selber; in<lb/> Jerusalem stand der erste Ghetto, die hohe Mauer, welche den Recht-<lb/> gläubigen und Rechtgeborenen von den Goyim schied, diesen den<lb/> Eintritt in die eigentliche Stadt verwehrend. Weder Jakob, noch<lb/> Salomo, noch Jesaia würden in Rabbi Akiba (dem grossen Schrift-<lb/> gelehrten des Talmud) ihren Enkel erkennen, geschweige ihren Ur-<lb/> enkel in Baron Hirsch oder dem Diamanten-Barnato.<note place="foot" n="1)">Für die messianische Zeit war der Traum der späteren Juden (im<lb/> Gegensatz zu den freier denkenden Israeliten früherer Jahrhunderte), den Fremden<lb/> den Eintritt in Jerusalem überhaupt zu verwehren; man schlage nur <hi rendition="#i">Joel</hi> III, 22<lb/> nach; und da dieser sehr späte Prophet aus der hellenischen Zeit zugleich sagt,<lb/> Gott werde ewig in Jerusalem und nur in Jerusalem wohnen, so bedeutet jenes<lb/> Verbot das Ausschliessen aller Völker von Gottes Gegenwart. Das war die<lb/> Toleranz der Juden! — Dass die meisten Rabbiner alle Nichtjuden vom Anteil<lb/> an einer zukünftigen Welt ausschlossen, andere sie nur als eine verachtete Menge<lb/> dort duldeten (siehe Traktat Gittin, fol. 57 a des <hi rendition="#i">Babylonischen Talmud</hi>, und Weber,<lb/><hi rendition="#i">System der altsynagogalen palästinischen Theologie</hi>, S. 372, nach Laible), ist schliesslich<lb/> nur logisch; was dagegen komisch wirkt, ist die Behauptung der heutigen Juden,<lb/> ihre Religion sei die Religion der Humanität!</note></p><lb/> <p>Versuchen wir also auf dem kurzen Wege möglichster Verein-<lb/> fachung uns die wesentlichen Züge dieser eigenartigen Volksseele, wie<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [344/0367]
Die Erben.
gerade beim Juden diesen Vorgang verfolgen, denn die gesamte
jüdische Nationalgeschichte gleicht einem fortwährenden Ausscheidungs-
verfahren; der Charakter des jüdischen Volkes wird immer individueller,
immer ausgesprochener, immer einfacher; zuletzt bleibt gewisser-
massen vom ganzen Wesen nur das mittlere Knochengerüst übrig;
die langsam gereifte Frucht wird ihrer flaumigen, farbigen Hülle,
ihres saftigen Fleisches beraubt, denn diese könnten von aussen
befleckt und angefressen werden, einzig der steinigte Kern besteht
weiter, zwar verschrumpft und dürr, der Zeit aber trotzend. Doch,
wie gesagt, das war nicht immer so. Was aus den heiligen Büchern
der Hebräer in die christliche Religion übergegangen ist, stammt nicht aus
diesem Greisenalter des eigentlichen Judentums, sondern teils aus der
Jugend des viel weiteren, phantasievolleren »israelitischen« Volkes,
teils aus dem Mannesalter des kaum erst von Israel getrennten, noch
nicht von den übrigen Nationen der Erde hochmütig sich scheidenden
Judäers. Der Jude, den wir jetzt kennen und am Werke sehen, ist
erst nach und nach Jude geworden; nicht jedoch, wie die historische
Lüge noch immer zu behaupten beliebt, im Laufe des christlichen
Mittelalters, sondern auf nationalem Boden, im Verlaufe seiner selbst-
ständigen Geschichte; sein Schicksal schuf sich der Jude selber; in
Jerusalem stand der erste Ghetto, die hohe Mauer, welche den Recht-
gläubigen und Rechtgeborenen von den Goyim schied, diesen den
Eintritt in die eigentliche Stadt verwehrend. Weder Jakob, noch
Salomo, noch Jesaia würden in Rabbi Akiba (dem grossen Schrift-
gelehrten des Talmud) ihren Enkel erkennen, geschweige ihren Ur-
enkel in Baron Hirsch oder dem Diamanten-Barnato. 1)
Versuchen wir also auf dem kurzen Wege möglichster Verein-
fachung uns die wesentlichen Züge dieser eigenartigen Volksseele, wie
1) Für die messianische Zeit war der Traum der späteren Juden (im
Gegensatz zu den freier denkenden Israeliten früherer Jahrhunderte), den Fremden
den Eintritt in Jerusalem überhaupt zu verwehren; man schlage nur Joel III, 22
nach; und da dieser sehr späte Prophet aus der hellenischen Zeit zugleich sagt,
Gott werde ewig in Jerusalem und nur in Jerusalem wohnen, so bedeutet jenes
Verbot das Ausschliessen aller Völker von Gottes Gegenwart. Das war die
Toleranz der Juden! — Dass die meisten Rabbiner alle Nichtjuden vom Anteil
an einer zukünftigen Welt ausschlossen, andere sie nur als eine verachtete Menge
dort duldeten (siehe Traktat Gittin, fol. 57 a des Babylonischen Talmud, und Weber,
System der altsynagogalen palästinischen Theologie, S. 372, nach Laible), ist schliesslich
nur logisch; was dagegen komisch wirkt, ist die Behauptung der heutigen Juden,
ihre Religion sei die Religion der Humanität!
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