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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
geradezu enormen Material folgende Thatsache unwiderleglich fest-
gestellt: die Grundbevölkerung Syriens ist seit den ältesten Zeiten, bis
zu welchen prähistorische Funde hinaufreichen, von einem Menschen-
typus gebildet, welcher physisch und moralisch von dem semitischen
ganz und gar abweicht, ebenso wie von Allem, was man unter dem
Begriff "Arier" zu subsummieren gewohnt ist. Und zwar nicht die
Bevölkerung von Syrien allein, sondern auch von ganz Kleinasien
sensu proprio, und von dem weiten Gebiet, das wir heute Armenien
nennen. Es giebt Rassen, denen das unstäte Herumziehen angeboren
ist (z. B. die Beduinen, die Lappländer u. s. w.), andere, die eine
seltene Expansionskraft besitzen (z. B. die Germanen); dagegen scheint
sich dieser syrisch-kleinasiatische Mensch durch zähes Festhalten an
dem eigenen Boden und durch die unüberwindliche Macht grosser
physischer Beharrlichkeit ausgezeichnet zu haben und noch heute aus-
zuzeichnen. Sein Ursitz ein Tummelplatz der Völker, er selber fast
immer der Unterlegene, auf dessen Rücken die Grossen dieser Welt
ihre Kämpfe ausfochten -- und dennoch überlebte er sie alle und
drang so erfolgreich durch mit seinem Blut, dass der syrische Semit
heute mehr der Sprache als dem Stamme nach Semit zu nennen ist,
und der angeblich arische Armenier, phrygischen Ursprungs, vielleicht
nicht zehn Prozent indoeuropäischen Blutes in seinen Adern hat.
Wogegen der heute sogenannte "Syrier", der Jude und der Armenier
kaum von einander zu unterscheiden sind, was leicht zu erklären, da
die alle drei vereinigende Urrasse sie täglich mehr identifiziert. Von
diesem syrischen Menschenstamme gilt im eminentesten Masse das
Wort des Chores in Schiller's Braut von Messina:

Die fremden Eroberer kommen und gehen;
Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen.

Diesem mächtigen ethnischen Einfluss blieb nun das Volk, welches
als das der Israeliten später in die Geschichte tritt, lange Jahrhunderte
hindurch, zum Mindesten weit über ein Jahrtausend, unterworfen.
Das ist, was ich die allgemeine Einflussphäre nannte, durch welche
unsere echt semitische Beduinenfamilie zu einer Gruppe der soge-
nannten "Hebräer" wurde. Hebräer sind eben Bastarde zwischen
Semiten und Syriern. Diese Mischung hat man sich nicht so vorzu-
stellen, als hätten sich die Hirtennomaden sofort mit der fremden
Rasse gekreuzt, sondern vielmehr in folgender Weise: einesteils fanden
sie Viertel- und Halb-Hebräer in ziemlicher Anzahl vor, durch welche

Die Erben.
geradezu enormen Material folgende Thatsache unwiderleglich fest-
gestellt: die Grundbevölkerung Syriens ist seit den ältesten Zeiten, bis
zu welchen prähistorische Funde hinaufreichen, von einem Menschen-
typus gebildet, welcher physisch und moralisch von dem semitischen
ganz und gar abweicht, ebenso wie von Allem, was man unter dem
Begriff »Arier« zu subsummieren gewohnt ist. Und zwar nicht die
Bevölkerung von Syrien allein, sondern auch von ganz Kleinasien
sensu proprio, und von dem weiten Gebiet, das wir heute Armenien
nennen. Es giebt Rassen, denen das unstäte Herumziehen angeboren
ist (z. B. die Beduinen, die Lappländer u. s. w.), andere, die eine
seltene Expansionskraft besitzen (z. B. die Germanen); dagegen scheint
sich dieser syrisch-kleinasiatische Mensch durch zähes Festhalten an
dem eigenen Boden und durch die unüberwindliche Macht grosser
physischer Beharrlichkeit ausgezeichnet zu haben und noch heute aus-
zuzeichnen. Sein Ursitz ein Tummelplatz der Völker, er selber fast
immer der Unterlegene, auf dessen Rücken die Grossen dieser Welt
ihre Kämpfe ausfochten — und dennoch überlebte er sie alle und
drang so erfolgreich durch mit seinem Blut, dass der syrische Semit
heute mehr der Sprache als dem Stamme nach Semit zu nennen ist,
und der angeblich arische Armenier, phrygischen Ursprungs, vielleicht
nicht zehn Prozent indoeuropäischen Blutes in seinen Adern hat.
Wogegen der heute sogenannte »Syrier«, der Jude und der Armenier
kaum von einander zu unterscheiden sind, was leicht zu erklären, da
die alle drei vereinigende Urrasse sie täglich mehr identifiziert. Von
diesem syrischen Menschenstamme gilt im eminentesten Masse das
Wort des Chores in Schiller’s Braut von Messina:

Die fremden Eroberer kommen und gehen;
Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen.

Diesem mächtigen ethnischen Einfluss blieb nun das Volk, welches
als das der Israeliten später in die Geschichte tritt, lange Jahrhunderte
hindurch, zum Mindesten weit über ein Jahrtausend, unterworfen.
Das ist, was ich die allgemeine Einflussphäre nannte, durch welche
unsere echt semitische Beduinenfamilie zu einer Gruppe der soge-
nannten »Hebräer« wurde. Hebräer sind eben Bastarde zwischen
Semiten und Syriern. Diese Mischung hat man sich nicht so vorzu-
stellen, als hätten sich die Hirtennomaden sofort mit der fremden
Rasse gekreuzt, sondern vielmehr in folgender Weise: einesteils fanden
sie Viertel- und Halb-Hebräer in ziemlicher Anzahl vor, durch welche

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[358/0381] Die Erben. geradezu enormen Material folgende Thatsache unwiderleglich fest- gestellt: die Grundbevölkerung Syriens ist seit den ältesten Zeiten, bis zu welchen prähistorische Funde hinaufreichen, von einem Menschen- typus gebildet, welcher physisch und moralisch von dem semitischen ganz und gar abweicht, ebenso wie von Allem, was man unter dem Begriff »Arier« zu subsummieren gewohnt ist. Und zwar nicht die Bevölkerung von Syrien allein, sondern auch von ganz Kleinasien sensu proprio, und von dem weiten Gebiet, das wir heute Armenien nennen. Es giebt Rassen, denen das unstäte Herumziehen angeboren ist (z. B. die Beduinen, die Lappländer u. s. w.), andere, die eine seltene Expansionskraft besitzen (z. B. die Germanen); dagegen scheint sich dieser syrisch-kleinasiatische Mensch durch zähes Festhalten an dem eigenen Boden und durch die unüberwindliche Macht grosser physischer Beharrlichkeit ausgezeichnet zu haben und noch heute aus- zuzeichnen. Sein Ursitz ein Tummelplatz der Völker, er selber fast immer der Unterlegene, auf dessen Rücken die Grossen dieser Welt ihre Kämpfe ausfochten — und dennoch überlebte er sie alle und drang so erfolgreich durch mit seinem Blut, dass der syrische Semit heute mehr der Sprache als dem Stamme nach Semit zu nennen ist, und der angeblich arische Armenier, phrygischen Ursprungs, vielleicht nicht zehn Prozent indoeuropäischen Blutes in seinen Adern hat. Wogegen der heute sogenannte »Syrier«, der Jude und der Armenier kaum von einander zu unterscheiden sind, was leicht zu erklären, da die alle drei vereinigende Urrasse sie täglich mehr identifiziert. Von diesem syrischen Menschenstamme gilt im eminentesten Masse das Wort des Chores in Schiller’s Braut von Messina: Die fremden Eroberer kommen und gehen; Wir gehorchen, aber wir bleiben stehen. Diesem mächtigen ethnischen Einfluss blieb nun das Volk, welches als das der Israeliten später in die Geschichte tritt, lange Jahrhunderte hindurch, zum Mindesten weit über ein Jahrtausend, unterworfen. Das ist, was ich die allgemeine Einflussphäre nannte, durch welche unsere echt semitische Beduinenfamilie zu einer Gruppe der soge- nannten »Hebräer« wurde. Hebräer sind eben Bastarde zwischen Semiten und Syriern. Diese Mischung hat man sich nicht so vorzu- stellen, als hätten sich die Hirtennomaden sofort mit der fremden Rasse gekreuzt, sondern vielmehr in folgender Weise: einesteils fanden sie Viertel- und Halb-Hebräer in ziemlicher Anzahl vor, durch welche

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 358. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/381>, abgerufen am 24.11.2024.