Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
nach allen Himmelsrichtungen hinausgetragen. Die Blutmischung mit Sumero-Akkadiern ist also ebenso unwahrscheinlich wie unerwiesen.
Sicheren Boden betreten wir dagegen, sobald die Auswanderer nach Norden und nach Westen ziehen. Denn jetzt stehen sie im Herzen Syriens, um es (mit Ausnahme des vorübergehenden Aufent- halts im ägyptischen Grenzgebiet) nie wieder zu verlassen. Hier, in Syrien, hat sich unsere rein semitische Beduinenfamilie durch Blut- mischung verwandelt, hier sind ihre Mitglieder durch Vermengung mit einem durchaus anderen Menschentypus, dem syrischen, Hebräer geworden, -- wie schon so manche frühere und manche nachfolgende Beduinenkolonie. Später erfolgte die notgedrungene Auswanderung eines Teiles der Sippe aus dem in der nordöstlichen Ecke gelegenen Mesopotamien nach der äussersten südwestlichen Ecke, nach Kanaan, wo nun ähnliche rassenbildende Einflüsse in noch bestimmterer Weise und um ganz neue vermehrt sich geltend machten. Hier erst, in Kanaan, verwandelten sich die abrahamidischen Hebräer nach und nach in echte Israeliten. In dieses selbe Kanaan kehrten nach dem Aufenthalte in Ägypten die inzwischen an Zahl gewachsenen Israeliten erobernd zurück und erhielten jetzt, ausser dem neuen Zufluss fremden Blutes, eine fremde Kultur geschenkt, welche sie aus Nomaden zu an- sässigen Ackerbauern und Städtebewohnern umwandelte.
Wir können also, ohne fehl zu gehen, zwei anthropogenetische Einflussphären unterscheiden, die nacheinander wirkten: eine allge- meinere, durch den Eintritt in Syrien überhaupt und speziell durch den langen Aufenthalt in Mesopotamien gegebene, über die wir keine genaueren historischen Data besitzen, sondern auf die wir aus den jetzt bekannten ethnologischen Thatsachen schliessen dürfen und müssen; sodann eine speziellere kanaanitische, für welche wir uns auf das aus- führliche Zeugnis der Bibel berufen können. Reden wir zuerst von der allgemeineren Einflussphäre, sodann von der spezielleren.
Schlägt man irgend ein Lehrbuch der Geographie oder einDer Syrier. Konversationslexikon auf, so wird man die Angabe finden, die heutige Bevölkerung Syriens sei "grösstenteils semitisch". Das ist falsch; ebenso falsch wie die Behauptung, welche man denselben Quellen entnehmen wird, die Armenier seien "Arier". Es findet hier die so weit verbreitete Verwechselung statt zwischen Sprache und Rasse; man müsste logischer Weise dann lehren, die Neger der Vereinigten Staaten seien Angelsachsen. Die wissenschaftliche Anthropologie der letzten Jahre hat auf Grund eingehendster Forschungen an einem
Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
nach allen Himmelsrichtungen hinausgetragen. Die Blutmischung mit Sumero-Akkadiern ist also ebenso unwahrscheinlich wie unerwiesen.
Sicheren Boden betreten wir dagegen, sobald die Auswanderer nach Norden und nach Westen ziehen. Denn jetzt stehen sie im Herzen Syriens, um es (mit Ausnahme des vorübergehenden Aufent- halts im ägyptischen Grenzgebiet) nie wieder zu verlassen. Hier, in Syrien, hat sich unsere rein semitische Beduinenfamilie durch Blut- mischung verwandelt, hier sind ihre Mitglieder durch Vermengung mit einem durchaus anderen Menschentypus, dem syrischen, Hebräer geworden, — wie schon so manche frühere und manche nachfolgende Beduinenkolonie. Später erfolgte die notgedrungene Auswanderung eines Teiles der Sippe aus dem in der nordöstlichen Ecke gelegenen Mesopotamien nach der äussersten südwestlichen Ecke, nach Kanaan, wo nun ähnliche rassenbildende Einflüsse in noch bestimmterer Weise und um ganz neue vermehrt sich geltend machten. Hier erst, in Kanaan, verwandelten sich die abrahamidischen Hebräer nach und nach in echte Israeliten. In dieses selbe Kanaan kehrten nach dem Aufenthalte in Ägypten die inzwischen an Zahl gewachsenen Israeliten erobernd zurück und erhielten jetzt, ausser dem neuen Zufluss fremden Blutes, eine fremde Kultur geschenkt, welche sie aus Nomaden zu an- sässigen Ackerbauern und Städtebewohnern umwandelte.
Wir können also, ohne fehl zu gehen, zwei anthropogenetische Einflussphären unterscheiden, die nacheinander wirkten: eine allge- meinere, durch den Eintritt in Syrien überhaupt und speziell durch den langen Aufenthalt in Mesopotamien gegebene, über die wir keine genaueren historischen Data besitzen, sondern auf die wir aus den jetzt bekannten ethnologischen Thatsachen schliessen dürfen und müssen; sodann eine speziellere kanaanitische, für welche wir uns auf das aus- führliche Zeugnis der Bibel berufen können. Reden wir zuerst von der allgemeineren Einflussphäre, sodann von der spezielleren.
Schlägt man irgend ein Lehrbuch der Geographie oder einDer Syrier. Konversationslexikon auf, so wird man die Angabe finden, die heutige Bevölkerung Syriens sei »grösstenteils semitisch«. Das ist falsch; ebenso falsch wie die Behauptung, welche man denselben Quellen entnehmen wird, die Armenier seien »Arier«. Es findet hier die so weit verbreitete Verwechselung statt zwischen Sprache und Rasse; man müsste logischer Weise dann lehren, die Neger der Vereinigten Staaten seien Angelsachsen. Die wissenschaftliche Anthropologie der letzten Jahre hat auf Grund eingehendster Forschungen an einem
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Der Eintritt der Juden in die abendländische Geschichte.
nach allen Himmelsrichtungen hinausgetragen. Die Blutmischung mit
Sumero-Akkadiern ist also ebenso unwahrscheinlich wie unerwiesen.
Sicheren Boden betreten wir dagegen, sobald die Auswanderer
nach Norden und nach Westen ziehen. Denn jetzt stehen sie im
Herzen Syriens, um es (mit Ausnahme des vorübergehenden Aufent-
halts im ägyptischen Grenzgebiet) nie wieder zu verlassen. Hier, in
Syrien, hat sich unsere rein semitische Beduinenfamilie durch Blut-
mischung verwandelt, hier sind ihre Mitglieder durch Vermengung
mit einem durchaus anderen Menschentypus, dem syrischen, Hebräer
geworden, — wie schon so manche frühere und manche nachfolgende
Beduinenkolonie. Später erfolgte die notgedrungene Auswanderung
eines Teiles der Sippe aus dem in der nordöstlichen Ecke gelegenen
Mesopotamien nach der äussersten südwestlichen Ecke, nach Kanaan,
wo nun ähnliche rassenbildende Einflüsse in noch bestimmterer Weise
und um ganz neue vermehrt sich geltend machten. Hier erst, in
Kanaan, verwandelten sich die abrahamidischen Hebräer nach und
nach in echte Israeliten. In dieses selbe Kanaan kehrten nach dem
Aufenthalte in Ägypten die inzwischen an Zahl gewachsenen Israeliten
erobernd zurück und erhielten jetzt, ausser dem neuen Zufluss fremden
Blutes, eine fremde Kultur geschenkt, welche sie aus Nomaden zu an-
sässigen Ackerbauern und Städtebewohnern umwandelte.
Wir können also, ohne fehl zu gehen, zwei anthropogenetische
Einflussphären unterscheiden, die nacheinander wirkten: eine allge-
meinere, durch den Eintritt in Syrien überhaupt und speziell durch
den langen Aufenthalt in Mesopotamien gegebene, über die wir keine
genaueren historischen Data besitzen, sondern auf die wir aus den
jetzt bekannten ethnologischen Thatsachen schliessen dürfen und müssen;
sodann eine speziellere kanaanitische, für welche wir uns auf das aus-
führliche Zeugnis der Bibel berufen können. Reden wir zuerst von
der allgemeineren Einflussphäre, sodann von der spezielleren.
Schlägt man irgend ein Lehrbuch der Geographie oder ein
Konversationslexikon auf, so wird man die Angabe finden, die heutige
Bevölkerung Syriens sei »grösstenteils semitisch«. Das ist falsch;
ebenso falsch wie die Behauptung, welche man denselben Quellen
entnehmen wird, die Armenier seien »Arier«. Es findet hier die so
weit verbreitete Verwechselung statt zwischen Sprache und Rasse;
man müsste logischer Weise dann lehren, die Neger der Vereinigten
Staaten seien Angelsachsen. Die wissenschaftliche Anthropologie der
letzten Jahre hat auf Grund eingehendster Forschungen an einem
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 357. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/380>, abgerufen am 24.11.2024.
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