Dagegen scheint in jenen Amoritern, "hoch wie die Cedern und stark wie die Eichen" (Amos II, 9), mit ihren kecken Herausforderungen, ihrer unbändigen Abenteuerlust, ihrer wahnwitzigen Treue bis in den Tod gegen fremde, selbstgewählte Herren, ihren felsendicken Stadtmauern, aus denen sie so gern in die Berge hinausschweiften, in jenen Amoritern scheint mir das Überschwängliche recht sehr daheim. Ein wildes, grau- sames Überschwängliche war es noch, doch zu allem Höchsten fähig. Man glaubt ein anderes Wesen zu sehen, wenn man auf den ägyptischen Monumenten unter der Unzahl Physiognomien plötzlich dieses freimütige, charakterstarke, Intelligenz athmende Antlitz erblickt. Wie das Auge des Genies inmitten des gewöhnlichen Menschenhaufens, so muten uns diese Züge an unter der Menge der schlauen und schlechten und blöden und bösen Gesichter, unter diesem ganzen Gesindel von Babyloniern und Hebräern und Hethitern und Nubiern und wie sie alle heissen mögen. O Homo europaeus! wie konntest du dich in diese Gesellschaft verirren? Ja, wie ein Auge geöffnet in ein göttliches Jenseits muthest du mich an. Und ich möchte dir zurufen: folge nicht dem Rat der gelehrten Anthropologen, gehe nicht auf in jenem Haufen, vermenge dich nicht mit jener asiatischen Plebs, gehorche dem grossen Dichter deiner Rasse, bleibe dir selber treu ... Doch ich komme drei Jahrtausende zu spät. Der Hethiter blieb, der Amoriter schwand. Das ist, unter manchen andern, der eine Unterschied zwischen Edlem und Unedlem: jenes ist schwerer zu erhalten. Riesen an Gestalt, sind diese Menschen nichts- destoweniger in Bezug auf innere Organisation sehr zart. Kein Mensch entartet so schnell wie Lapouge's Homo europaeus; wie schnell z. B. die Griechen Barbaren wurden, "in Syros, Parthos, Aegyptios degenerarunt", bezeugt schon Livius (38, 17, 11). Er verliert seine Eigenheit gänzlich; dasjenige, was ihm allein zu Teil wurde, scheint er nicht weiter geben zu können, die Anderen besitzen das Gefäss nicht für diesen Inhalt; dagegen besitzt er selber eine verhängnisvolle Assimilationsfähigkeit für das Fremdartige. Zwar erzählt man uns von den blonden Syriern des heutigen Tages, auch hören wir von zehn Prozent blonder Juden; doch Virchow belehrte uns, die Haut und das Haar seien "dauerhafter als der Schädel", der Schädel vermutlich also dauerhafter als das Hirn, ich weiss es nicht, doch glaube ich wirklich, der Europäer liess in Asien, wie ander- wärts, ausser der Erinnerung an seine Thaten, wenig mehr als Haut und Haar zurück! Ich habe ihn im Talmud gesucht, doch vergeblich.1)
1) Doch kommt ein thatsächlicher "Germane" dort vor (Traktat Schabbath, VI. 8, fol. 23a des Jerusalemischen Talmuds). Er ist der Sklave eines Juden. Be-
Die Erben.
Homo europaeus.
Dagegen scheint in jenen Amoritern, »hoch wie die Cedern und stark wie die Eichen« (Amos II, 9), mit ihren kecken Herausforderungen, ihrer unbändigen Abenteuerlust, ihrer wahnwitzigen Treue bis in den Tod gegen fremde, selbstgewählte Herren, ihren felsendicken Stadtmauern, aus denen sie so gern in die Berge hinausschweiften, in jenen Amoritern scheint mir das Überschwängliche recht sehr daheim. Ein wildes, grau- sames Überschwängliche war es noch, doch zu allem Höchsten fähig. Man glaubt ein anderes Wesen zu sehen, wenn man auf den ägyptischen Monumenten unter der Unzahl Physiognomien plötzlich dieses freimütige, charakterstarke, Intelligenz athmende Antlitz erblickt. Wie das Auge des Genies inmitten des gewöhnlichen Menschenhaufens, so muten uns diese Züge an unter der Menge der schlauen und schlechten und blöden und bösen Gesichter, unter diesem ganzen Gesindel von Babyloniern und Hebräern und Hethitern und Nubiern und wie sie alle heissen mögen. O Homo europaeus! wie konntest du dich in diese Gesellschaft verirren? Ja, wie ein Auge geöffnet in ein göttliches Jenseits muthest du mich an. Und ich möchte dir zurufen: folge nicht dem Rat der gelehrten Anthropologen, gehe nicht auf in jenem Haufen, vermenge dich nicht mit jener asiatischen Plebs, gehorche dem grossen Dichter deiner Rasse, bleibe dir selber treu … Doch ich komme drei Jahrtausende zu spät. Der Hethiter blieb, der Amoriter schwand. Das ist, unter manchen andern, der eine Unterschied zwischen Edlem und Unedlem: jenes ist schwerer zu erhalten. Riesen an Gestalt, sind diese Menschen nichts- destoweniger in Bezug auf innere Organisation sehr zart. Kein Mensch entartet so schnell wie Lapouge’s Homo europaeus; wie schnell z. B. die Griechen Barbaren wurden, »in Syros, Parthos, Aegyptios degenerarunt«, bezeugt schon Livius (38, 17, 11). Er verliert seine Eigenheit gänzlich; dasjenige, was ihm allein zu Teil wurde, scheint er nicht weiter geben zu können, die Anderen besitzen das Gefäss nicht für diesen Inhalt; dagegen besitzt er selber eine verhängnisvolle Assimilationsfähigkeit für das Fremdartige. Zwar erzählt man uns von den blonden Syriern des heutigen Tages, auch hören wir von zehn Prozent blonder Juden; doch Virchow belehrte uns, die Haut und das Haar seien »dauerhafter als der Schädel«, der Schädel vermutlich also dauerhafter als das Hirn, ich weiss es nicht, doch glaube ich wirklich, der Europäer liess in Asien, wie ander- wärts, ausser der Erinnerung an seine Thaten, wenig mehr als Haut und Haar zurück! Ich habe ihn im Talmud gesucht, doch vergeblich.1)
1) Doch kommt ein thatsächlicher »Germane« dort vor (Traktat Schabbath, VI. 8, fol. 23a des Jerusalemischen Talmuds). Er ist der Sklave eines Juden. Be-
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Die Erben.
Dagegen scheint in jenen Amoritern, »hoch wie die Cedern und
stark wie die Eichen« (Amos II, 9), mit ihren kecken Herausforderungen,
ihrer unbändigen Abenteuerlust, ihrer wahnwitzigen Treue bis in den Tod
gegen fremde, selbstgewählte Herren, ihren felsendicken Stadtmauern,
aus denen sie so gern in die Berge hinausschweiften, in jenen Amoritern
scheint mir das Überschwängliche recht sehr daheim. Ein wildes, grau-
sames Überschwängliche war es noch, doch zu allem Höchsten fähig.
Man glaubt ein anderes Wesen zu sehen, wenn man auf den ägyptischen
Monumenten unter der Unzahl Physiognomien plötzlich dieses freimütige,
charakterstarke, Intelligenz athmende Antlitz erblickt. Wie das Auge des
Genies inmitten des gewöhnlichen Menschenhaufens, so muten uns
diese Züge an unter der Menge der schlauen und schlechten und blöden
und bösen Gesichter, unter diesem ganzen Gesindel von Babyloniern
und Hebräern und Hethitern und Nubiern und wie sie alle heissen
mögen. O Homo europaeus! wie konntest du dich in diese Gesellschaft
verirren? Ja, wie ein Auge geöffnet in ein göttliches Jenseits muthest
du mich an. Und ich möchte dir zurufen: folge nicht dem Rat der
gelehrten Anthropologen, gehe nicht auf in jenem Haufen, vermenge dich
nicht mit jener asiatischen Plebs, gehorche dem grossen Dichter deiner
Rasse, bleibe dir selber treu … Doch ich komme drei Jahrtausende zu
spät. Der Hethiter blieb, der Amoriter schwand. Das ist, unter manchen
andern, der eine Unterschied zwischen Edlem und Unedlem: jenes ist
schwerer zu erhalten. Riesen an Gestalt, sind diese Menschen nichts-
destoweniger in Bezug auf innere Organisation sehr zart. Kein Mensch
entartet so schnell wie Lapouge’s Homo europaeus; wie schnell z. B. die
Griechen Barbaren wurden, »in Syros, Parthos, Aegyptios degenerarunt«,
bezeugt schon Livius (38, 17, 11). Er verliert seine Eigenheit gänzlich;
dasjenige, was ihm allein zu Teil wurde, scheint er nicht weiter geben
zu können, die Anderen besitzen das Gefäss nicht für diesen Inhalt;
dagegen besitzt er selber eine verhängnisvolle Assimilationsfähigkeit für
das Fremdartige. Zwar erzählt man uns von den blonden Syriern des
heutigen Tages, auch hören wir von zehn Prozent blonder Juden; doch
Virchow belehrte uns, die Haut und das Haar seien »dauerhafter als der
Schädel«, der Schädel vermutlich also dauerhafter als das Hirn, ich weiss
es nicht, doch glaube ich wirklich, der Europäer liess in Asien, wie ander-
wärts, ausser der Erinnerung an seine Thaten, wenig mehr als Haut und
Haar zurück! Ich habe ihn im Talmud gesucht, doch vergeblich. 1)
1) Doch kommt ein thatsächlicher »Germane« dort vor (Traktat Schabbath,
VI. 8, fol. 23a des Jerusalemischen Talmuds). Er ist der Sklave eines Juden. Be-
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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 378. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/401>, abgerufen am 24.11.2024.
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