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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899.

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Die Erben.
cephalie scheint z. B. in Dänemark noch ausgesprochener als bei den
Germanen der Völkerwanderungszeit: sechzig von hundert zählen dort
die echten Langköpfe und nur sechs von hundert die Kurzköpfe.
Doch die Slaven Russlands sollen heute (nach Kollmann) kaum noch
drei Langköpfe auf hundert aufweisen, dagegen 72 ausgesprochene
Kurzköpfe, der Rest Mittelformen, die zur Brachycephalie neigen. Und
gar erst die Altbayern! Johannes Ranke hat hier 1000 Schädel Lebender
gemessen, mit dem Ergebnis, dass nur einer von hundert den alt-
germanischen Schädel besitzt, dagegen 95 echte Kurzköpfe sind! Auch
vergleichende Messungen der hellenischen Schädel aus der klassischen
Zeit und derjenigen heutiger Griechen haben zu ähnlichen Resultaten
geführt; denn wog auch bei jenen die mittlere Kopfform vor, so be-
sassen sie doch ein Drittel echter Langköpfe und in ihren Gräbern
findet man noch weniger eigentliche Kurzköpfe als in den germanischen,
während heute mehr als die Hälfte Kurzköpfe sind. Dass in diesen
Erscheinungen die Infiltration einer ungermanischen Rasse vorliegt,
einer Rasse, welche überhaupt nicht zum indoeuropäischen Verwandt-
schaftskreise gehört, sowie ausserdem der chaotischen Rassenlosigkeit,
kann wohl nicht bezweifelt werden. Zwar giebt man sich alle Mühe,
dieser Folgerung möglichst auszuweichen. So hat z. B. namentlich
Kollmann (Professor in Basel) das Hauptgewicht vom Schädel weg auf
das Gesicht zu legen gesucht, auf die Unterscheidung zwischen Lang-
gesichtern und Breitgesichtern1) und Johannes Ranke griff das auf
und konstruierte als spezifisch germanischen Typus ein langes Gesicht
unter einem kurzen Schädel; Henke wiederum möchte glauben, dass
hier eine allmähliche Entwickelung stattgefunden hat, durch welche
die Länge des Vorderkopfes eher zu als abgenommen hätte, dagegen
der Hinterkopf immer kürzer geworden wäre; die Dolichocephalie sei
also gewissermassen auch jetzt noch bei den kurzköpfigen Germanen
vorhanden, nur versteckt u. s. w. Doch, wie beachtenswert alle diese
Betrachtungen auch sein mögen, keine schafft die Thatsache aus der
Welt, dass die Germanen dort, wo sie noch wenige oder gar keine
Vermischungen eingegangen sind, im Norden nämlich, dolichocephal
und blond (resp. schwarz) sind, während dieser Charakter verschwindet:
erstens, je näher man den Alpen kommt, zweitens, dort, wo historisch
nachweisbar viel Kreuzung mit Völkern aus dem Süden oder mit
bereits entarteten Keltogermanen und Slavogermanen stattfand.

1) Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, 1883, Nr. II.

Die Erben.
cephalie scheint z. B. in Dänemark noch ausgesprochener als bei den
Germanen der Völkerwanderungszeit: sechzig von hundert zählen dort
die echten Langköpfe und nur sechs von hundert die Kurzköpfe.
Doch die Slaven Russlands sollen heute (nach Kollmann) kaum noch
drei Langköpfe auf hundert aufweisen, dagegen 72 ausgesprochene
Kurzköpfe, der Rest Mittelformen, die zur Brachycephalie neigen. Und
gar erst die Altbayern! Johannes Ranke hat hier 1000 Schädel Lebender
gemessen, mit dem Ergebnis, dass nur einer von hundert den alt-
germanischen Schädel besitzt, dagegen 95 echte Kurzköpfe sind! Auch
vergleichende Messungen der hellenischen Schädel aus der klassischen
Zeit und derjenigen heutiger Griechen haben zu ähnlichen Resultaten
geführt; denn wog auch bei jenen die mittlere Kopfform vor, so be-
sassen sie doch ein Drittel echter Langköpfe und in ihren Gräbern
findet man noch weniger eigentliche Kurzköpfe als in den germanischen,
während heute mehr als die Hälfte Kurzköpfe sind. Dass in diesen
Erscheinungen die Infiltration einer ungermanischen Rasse vorliegt,
einer Rasse, welche überhaupt nicht zum indoeuropäischen Verwandt-
schaftskreise gehört, sowie ausserdem der chaotischen Rassenlosigkeit,
kann wohl nicht bezweifelt werden. Zwar giebt man sich alle Mühe,
dieser Folgerung möglichst auszuweichen. So hat z. B. namentlich
Kollmann (Professor in Basel) das Hauptgewicht vom Schädel weg auf
das Gesicht zu legen gesucht, auf die Unterscheidung zwischen Lang-
gesichtern und Breitgesichtern1) und Johannes Ranke griff das auf
und konstruierte als spezifisch germanischen Typus ein langes Gesicht
unter einem kurzen Schädel; Henke wiederum möchte glauben, dass
hier eine allmähliche Entwickelung stattgefunden hat, durch welche
die Länge des Vorderkopfes eher zu als abgenommen hätte, dagegen
der Hinterkopf immer kürzer geworden wäre; die Dolichocephalie sei
also gewissermassen auch jetzt noch bei den kurzköpfigen Germanen
vorhanden, nur versteckt u. s. w. Doch, wie beachtenswert alle diese
Betrachtungen auch sein mögen, keine schafft die Thatsache aus der
Welt, dass die Germanen dort, wo sie noch wenige oder gar keine
Vermischungen eingegangen sind, im Norden nämlich, dolichocephal
und blond (resp. schwarz) sind, während dieser Charakter verschwindet:
erstens, je näher man den Alpen kommt, zweitens, dort, wo historisch
nachweisbar viel Kreuzung mit Völkern aus dem Süden oder mit
bereits entarteten Keltogermanen und Slavogermanen stattfand.

1) Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, 1883, Nr. II.
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[490/0513] Die Erben. cephalie scheint z. B. in Dänemark noch ausgesprochener als bei den Germanen der Völkerwanderungszeit: sechzig von hundert zählen dort die echten Langköpfe und nur sechs von hundert die Kurzköpfe. Doch die Slaven Russlands sollen heute (nach Kollmann) kaum noch drei Langköpfe auf hundert aufweisen, dagegen 72 ausgesprochene Kurzköpfe, der Rest Mittelformen, die zur Brachycephalie neigen. Und gar erst die Altbayern! Johannes Ranke hat hier 1000 Schädel Lebender gemessen, mit dem Ergebnis, dass nur einer von hundert den alt- germanischen Schädel besitzt, dagegen 95 echte Kurzköpfe sind! Auch vergleichende Messungen der hellenischen Schädel aus der klassischen Zeit und derjenigen heutiger Griechen haben zu ähnlichen Resultaten geführt; denn wog auch bei jenen die mittlere Kopfform vor, so be- sassen sie doch ein Drittel echter Langköpfe und in ihren Gräbern findet man noch weniger eigentliche Kurzköpfe als in den germanischen, während heute mehr als die Hälfte Kurzköpfe sind. Dass in diesen Erscheinungen die Infiltration einer ungermanischen Rasse vorliegt, einer Rasse, welche überhaupt nicht zum indoeuropäischen Verwandt- schaftskreise gehört, sowie ausserdem der chaotischen Rassenlosigkeit, kann wohl nicht bezweifelt werden. Zwar giebt man sich alle Mühe, dieser Folgerung möglichst auszuweichen. So hat z. B. namentlich Kollmann (Professor in Basel) das Hauptgewicht vom Schädel weg auf das Gesicht zu legen gesucht, auf die Unterscheidung zwischen Lang- gesichtern und Breitgesichtern 1) und Johannes Ranke griff das auf und konstruierte als spezifisch germanischen Typus ein langes Gesicht unter einem kurzen Schädel; Henke wiederum möchte glauben, dass hier eine allmähliche Entwickelung stattgefunden hat, durch welche die Länge des Vorderkopfes eher zu als abgenommen hätte, dagegen der Hinterkopf immer kürzer geworden wäre; die Dolichocephalie sei also gewissermassen auch jetzt noch bei den kurzköpfigen Germanen vorhanden, nur versteckt u. s. w. Doch, wie beachtenswert alle diese Betrachtungen auch sein mögen, keine schafft die Thatsache aus der Welt, dass die Germanen dort, wo sie noch wenige oder gar keine Vermischungen eingegangen sind, im Norden nämlich, dolichocephal und blond (resp. schwarz) sind, während dieser Charakter verschwindet: erstens, je näher man den Alpen kommt, zweitens, dort, wo historisch nachweisbar viel Kreuzung mit Völkern aus dem Süden oder mit bereits entarteten Keltogermanen und Slavogermanen stattfand. 1) Correspondenzblatt der deutschen anthropologischen Gesellschaft, 1883, Nr. II.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 1. München 1899, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen01_1899/513>, abgerufen am 24.11.2024.