Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.Industrie. das Neue an, so geschieht es -- wie dessen Erfindung -- auf einenSprung. Innerhalb des Rahmens dieses ersten Bandes bleibt also wenigDas Papier. Es ist falsch und darum für das historische Urteil irreführend, 1) Vergl. Janssen: Geschichte des deutschen Volkes, 16. Aufl., I, 3 und 8. Diese
fleissige und darum nützliche Zusammenstellung wird wirklich übermässig gepriesen; im Grunde genommen ist sie ein sechsbändiges Tendenzpamphlet, welches weder durch Treue noch durch Tiefe es verdient hätte, ein Hausbuch zu werden. Der deutsche Katholik hat ebensowenig wie irgend ein anderer Deutscher Grund, die Wahrheit zu fürchten; Janssen's Methode ist aber die systematische Entstellung der Wahrheit und die planmässige Besudelung der besten Regungen des deutschen Geistes. Industrie. das Neue an, so geschieht es — wie dessen Erfindung — auf einenSprung. Innerhalb des Rahmens dieses ersten Bandes bleibt also wenigDas Papier. Es ist falsch und darum für das historische Urteil irreführend, 1) Vergl. Janssen: Geschichte des deutschen Volkes, 16. Aufl., I, 3 und 8. Diese
fleissige und darum nützliche Zusammenstellung wird wirklich übermässig gepriesen; im Grunde genommen ist sie ein sechsbändiges Tendenzpamphlet, welches weder durch Treue noch durch Tiefe es verdient hätte, ein Hausbuch zu werden. Der deutsche Katholik hat ebensowenig wie irgend ein anderer Deutscher Grund, die Wahrheit zu fürchten; Janssen’s Methode ist aber die systematische Entstellung der Wahrheit und die planmässige Besudelung der besten Regungen des deutschen Geistes. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0294" n="815"/><fw place="top" type="header">Industrie.</fw><lb/> das Neue an, so geschieht es — wie dessen Erfindung — auf einen<lb/> Sprung.</p><lb/> <p>Innerhalb des Rahmens dieses ersten Bandes bleibt also wenig<note place="right">Das Papier.</note><lb/> über Industrie zu sagen. Doch ist dieses Wenige nicht bedeutungslos.<lb/> Genau so, wie unsere Wissenschaft eine »mathematische« genannt<lb/> werden kann, so besitzt auch unsere Civilisation von Anfang an einen<lb/> bestimmten Charakter, oder, wenn man will, eine bestimmte Physio-<lb/> gnomie; und zwar ist es eine Industrie, welche an jenem entscheidenden<lb/> Wendepunkt des 12.—13. Jahrhunderts unserer Civilisation dieses be-<lb/> sondere Gepräge verlieh, das in der Folge dann immer weitere Aus-<lb/> bildung erfuhr: unsere Civilisation ist eine <hi rendition="#g">papierne.</hi></p><lb/> <p>Es ist falsch und darum für das historische Urteil irreführend,<lb/> wenn man, wie das gewöhnlich geschieht, die Erfindung des Buch-<lb/> druckes als den Beginn eines neuen Zeitalters hinstellt. Zunächst muss<lb/> gegen eine derartige Behauptung erinnert werden, dass der lebendige<lb/> Quell eines neuen Zeitalters nicht aus dieser oder jener Erfindung,<lb/> sondern in den Herzen bestimmter Menschen fliesst; sobald der Germane<lb/> begann, selbständige Staaten zu gründen und das Joch des römisch-<lb/> theokratischen Imperiums abzuschütteln, da begann auch ein neues<lb/> Zeitalter; ich habe das ausführlich gezeigt und brauche nicht darauf<lb/> zurückzukommen. Wer mit Janssen meint, es sei der Buchdruck, der<lb/> »den Geist beflügelt habe«, erkläre doch gefälligst, warum dem Chinesen<lb/> noch keine Flügel angewachsen sind? Und wer mit Janssen die kühne<lb/> These verficht, diese »den Geist beflügelnde« Erfindung, sowie über-<lb/> haupt die »Entfaltung des geistigen Lebens« vom 14. Jahrhundert<lb/> ab, sei einzig und allein der römisch-katholischen Lehre von der Ver-<lb/> dienstlichkeit der guten Werke zuzuschreiben, der sei doch so gut, zu<lb/> erklären, warum der Hellene, der weder Buchdruck noch Werkheiligkeit<lb/> kannte, es dennoch vermochte, auf Flügeln des Gesanges und der ge-<lb/> staltenden Weltanschauung so hoch sich hinaufzuschwingen, dass es<lb/> uns erst mühsam und spät (und erst nach Abwerfung der römischen<lb/> Fesseln) gelang, eine vergleichbare Höhe zu erreichen.<note place="foot" n="1)">Vergl. Janssen: <hi rendition="#i">Geschichte des deutschen Volkes,</hi> 16. Aufl., I, 3 und 8. Diese<lb/> fleissige und darum nützliche Zusammenstellung wird wirklich übermässig gepriesen;<lb/> im Grunde genommen ist sie ein sechsbändiges Tendenzpamphlet, welches weder<lb/> durch Treue noch durch Tiefe es verdient hätte, ein Hausbuch zu werden. Der<lb/> deutsche Katholik hat ebensowenig wie irgend ein anderer Deutscher Grund, die<lb/> Wahrheit zu fürchten; Janssen’s Methode ist aber die systematische Entstellung<lb/> der Wahrheit und die planmässige Besudelung der besten Regungen des deutschen<lb/> Geistes.</note> Lassen wir also<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [815/0294]
Industrie.
das Neue an, so geschieht es — wie dessen Erfindung — auf einen
Sprung.
Innerhalb des Rahmens dieses ersten Bandes bleibt also wenig
über Industrie zu sagen. Doch ist dieses Wenige nicht bedeutungslos.
Genau so, wie unsere Wissenschaft eine »mathematische« genannt
werden kann, so besitzt auch unsere Civilisation von Anfang an einen
bestimmten Charakter, oder, wenn man will, eine bestimmte Physio-
gnomie; und zwar ist es eine Industrie, welche an jenem entscheidenden
Wendepunkt des 12.—13. Jahrhunderts unserer Civilisation dieses be-
sondere Gepräge verlieh, das in der Folge dann immer weitere Aus-
bildung erfuhr: unsere Civilisation ist eine papierne.
Das Papier.
Es ist falsch und darum für das historische Urteil irreführend,
wenn man, wie das gewöhnlich geschieht, die Erfindung des Buch-
druckes als den Beginn eines neuen Zeitalters hinstellt. Zunächst muss
gegen eine derartige Behauptung erinnert werden, dass der lebendige
Quell eines neuen Zeitalters nicht aus dieser oder jener Erfindung,
sondern in den Herzen bestimmter Menschen fliesst; sobald der Germane
begann, selbständige Staaten zu gründen und das Joch des römisch-
theokratischen Imperiums abzuschütteln, da begann auch ein neues
Zeitalter; ich habe das ausführlich gezeigt und brauche nicht darauf
zurückzukommen. Wer mit Janssen meint, es sei der Buchdruck, der
»den Geist beflügelt habe«, erkläre doch gefälligst, warum dem Chinesen
noch keine Flügel angewachsen sind? Und wer mit Janssen die kühne
These verficht, diese »den Geist beflügelnde« Erfindung, sowie über-
haupt die »Entfaltung des geistigen Lebens« vom 14. Jahrhundert
ab, sei einzig und allein der römisch-katholischen Lehre von der Ver-
dienstlichkeit der guten Werke zuzuschreiben, der sei doch so gut, zu
erklären, warum der Hellene, der weder Buchdruck noch Werkheiligkeit
kannte, es dennoch vermochte, auf Flügeln des Gesanges und der ge-
staltenden Weltanschauung so hoch sich hinaufzuschwingen, dass es
uns erst mühsam und spät (und erst nach Abwerfung der römischen
Fesseln) gelang, eine vergleichbare Höhe zu erreichen. 1) Lassen wir also
1) Vergl. Janssen: Geschichte des deutschen Volkes, 16. Aufl., I, 3 und 8. Diese
fleissige und darum nützliche Zusammenstellung wird wirklich übermässig gepriesen;
im Grunde genommen ist sie ein sechsbändiges Tendenzpamphlet, welches weder
durch Treue noch durch Tiefe es verdient hätte, ein Hausbuch zu werden. Der
deutsche Katholik hat ebensowenig wie irgend ein anderer Deutscher Grund, die
Wahrheit zu fürchten; Janssen’s Methode ist aber die systematische Entstellung
der Wahrheit und die planmässige Besudelung der besten Regungen des deutschen
Geistes.
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