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Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899.

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Der Kampf.
es fehlte ganz und gar jenes moralische Moment einer furchtbaren
nationalen Prüfung, welches dem harten, beschränkten jüdischen Gesetz
die Weihe verleiht. Die Einführung des Glaubenszwanges in das Völker-
chaos (und sodann unter die Germanen) bedeutete also gewissermassen
eine Wirkung ohne Ursache, mit anderen Worten die Herrschaft der
Willkür. Was dort bei den Juden ein objektives Ergebnis gewesen
war, wurde hier ein subjektiver Befehl. Was dort sich nur auf einem
sehr beschränkten Gebiet bewegt hatte, auf dem Gebiete nationaler
Tradition und national-religiösen Gesetzes, schaltete hier völlig schranken-
los. Der arische Drang, Dogmen aufzustellen (siehe S. 406) ging eine
verhängnisvolle Ehe ein mit der historischen Beschränktheit und der
prinzipiellen Unduldsamkeit des Juden. Daher der wildbrausende Kampf
um den Besitz der Macht, Dogmen zu verkünden, der die ersten Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung ausfüllt. Milde Männer wie Irenäus
blieben fast einflusslos; je intoleranter, desto gewaltiger war der christ-
liche Bischof. Diese christliche Intoleranz unterscheidet sich aber ebenso
von jüdischer Intoleranz wie das christliche Dogma vom jüdischen
Dogma: denn diese waren auf allen Seiten eingeschränkt, ihnen waren
bestimmte, enge Wege gewiesen, wogegen der christlichen Intoleranz
und dem christlichen Dogma das ganze Gebiet des Menschengeistes
offen stand; ausserdem hat der jüdische Glaube und die jüdische In-
toleranz nie weithinreichende Macht besessen, während die Christen
bald mit Rom die Welt beherrschten. Und so erleben wir denn der-
artige Ungereimtheiten, wie dass ein heidnischer Kaiser (Aurelianus im
Jahre 272) das Primat des römischen Bischofs dem Christentum auf-
zwingt, und dass ein christlicher Kaiser, Theodosius, als rein politische
Massregel, den Glauben an die christliche Religion bei Todesstrafe an-
ordnet. Jener anderen Ungereimtheiten ganz zu geschweigen, wie dass
die Natur Gottes, das Verhältnis des Vaters zum Sohn, die Ewigkeit
der Höllenstrafen u. s. w. ad inf. durch Majoritätsbeschlüsse (von
Bischöfen, die häufig nicht lesen noch schreiben konnten) bestimmt
und für alle Menschen von einem bestimmten Tage an, bindend werden,
etwa wie unsere Parlamente uns Steuern durch Stimmenmehrheit auf-
erlegen. -- Doch, wie schwer es uns auch werden mag, anders als
kopfschüttelnd dieser monströsen Entwickelung eines jüdischen Ge-
dankens auf fremdem Boden zuzusehen, man wird doch wohl zugeben
müssen, dass es nie zur vollen Ausbildung einer christlichen Kirche ohne
Dogma und ohne Intoleranz gekommen wäre. Auch hier sind wir also
dem Judentum für ein Element von Kraft und Ausdauer verpflichtet.

Der Kampf.
es fehlte ganz und gar jenes moralische Moment einer furchtbaren
nationalen Prüfung, welches dem harten, beschränkten jüdischen Gesetz
die Weihe verleiht. Die Einführung des Glaubenszwanges in das Völker-
chaos (und sodann unter die Germanen) bedeutete also gewissermassen
eine Wirkung ohne Ursache, mit anderen Worten die Herrschaft der
Willkür. Was dort bei den Juden ein objektives Ergebnis gewesen
war, wurde hier ein subjektiver Befehl. Was dort sich nur auf einem
sehr beschränkten Gebiet bewegt hatte, auf dem Gebiete nationaler
Tradition und national-religiösen Gesetzes, schaltete hier völlig schranken-
los. Der arische Drang, Dogmen aufzustellen (siehe S. 406) ging eine
verhängnisvolle Ehe ein mit der historischen Beschränktheit und der
prinzipiellen Unduldsamkeit des Juden. Daher der wildbrausende Kampf
um den Besitz der Macht, Dogmen zu verkünden, der die ersten Jahr-
hunderte unserer Zeitrechnung ausfüllt. Milde Männer wie Irenäus
blieben fast einflusslos; je intoleranter, desto gewaltiger war der christ-
liche Bischof. Diese christliche Intoleranz unterscheidet sich aber ebenso
von jüdischer Intoleranz wie das christliche Dogma vom jüdischen
Dogma: denn diese waren auf allen Seiten eingeschränkt, ihnen waren
bestimmte, enge Wege gewiesen, wogegen der christlichen Intoleranz
und dem christlichen Dogma das ganze Gebiet des Menschengeistes
offen stand; ausserdem hat der jüdische Glaube und die jüdische In-
toleranz nie weithinreichende Macht besessen, während die Christen
bald mit Rom die Welt beherrschten. Und so erleben wir denn der-
artige Ungereimtheiten, wie dass ein heidnischer Kaiser (Aurelianus im
Jahre 272) das Primat des römischen Bischofs dem Christentum auf-
zwingt, und dass ein christlicher Kaiser, Theodosius, als rein politische
Massregel, den Glauben an die christliche Religion bei Todesstrafe an-
ordnet. Jener anderen Ungereimtheiten ganz zu geschweigen, wie dass
die Natur Gottes, das Verhältnis des Vaters zum Sohn, die Ewigkeit
der Höllenstrafen u. s. w. ad inf. durch Majoritätsbeschlüsse (von
Bischöfen, die häufig nicht lesen noch schreiben konnten) bestimmt
und für alle Menschen von einem bestimmten Tage an, bindend werden,
etwa wie unsere Parlamente uns Steuern durch Stimmenmehrheit auf-
erlegen. — Doch, wie schwer es uns auch werden mag, anders als
kopfschüttelnd dieser monströsen Entwickelung eines jüdischen Ge-
dankens auf fremdem Boden zuzusehen, man wird doch wohl zugeben
müssen, dass es nie zur vollen Ausbildung einer christlichen Kirche ohne
Dogma und ohne Intoleranz gekommen wäre. Auch hier sind wir also
dem Judentum für ein Element von Kraft und Ausdauer verpflichtet.

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[572/0051] Der Kampf. es fehlte ganz und gar jenes moralische Moment einer furchtbaren nationalen Prüfung, welches dem harten, beschränkten jüdischen Gesetz die Weihe verleiht. Die Einführung des Glaubenszwanges in das Völker- chaos (und sodann unter die Germanen) bedeutete also gewissermassen eine Wirkung ohne Ursache, mit anderen Worten die Herrschaft der Willkür. Was dort bei den Juden ein objektives Ergebnis gewesen war, wurde hier ein subjektiver Befehl. Was dort sich nur auf einem sehr beschränkten Gebiet bewegt hatte, auf dem Gebiete nationaler Tradition und national-religiösen Gesetzes, schaltete hier völlig schranken- los. Der arische Drang, Dogmen aufzustellen (siehe S. 406) ging eine verhängnisvolle Ehe ein mit der historischen Beschränktheit und der prinzipiellen Unduldsamkeit des Juden. Daher der wildbrausende Kampf um den Besitz der Macht, Dogmen zu verkünden, der die ersten Jahr- hunderte unserer Zeitrechnung ausfüllt. Milde Männer wie Irenäus blieben fast einflusslos; je intoleranter, desto gewaltiger war der christ- liche Bischof. Diese christliche Intoleranz unterscheidet sich aber ebenso von jüdischer Intoleranz wie das christliche Dogma vom jüdischen Dogma: denn diese waren auf allen Seiten eingeschränkt, ihnen waren bestimmte, enge Wege gewiesen, wogegen der christlichen Intoleranz und dem christlichen Dogma das ganze Gebiet des Menschengeistes offen stand; ausserdem hat der jüdische Glaube und die jüdische In- toleranz nie weithinreichende Macht besessen, während die Christen bald mit Rom die Welt beherrschten. Und so erleben wir denn der- artige Ungereimtheiten, wie dass ein heidnischer Kaiser (Aurelianus im Jahre 272) das Primat des römischen Bischofs dem Christentum auf- zwingt, und dass ein christlicher Kaiser, Theodosius, als rein politische Massregel, den Glauben an die christliche Religion bei Todesstrafe an- ordnet. Jener anderen Ungereimtheiten ganz zu geschweigen, wie dass die Natur Gottes, das Verhältnis des Vaters zum Sohn, die Ewigkeit der Höllenstrafen u. s. w. ad inf. durch Majoritätsbeschlüsse (von Bischöfen, die häufig nicht lesen noch schreiben konnten) bestimmt und für alle Menschen von einem bestimmten Tage an, bindend werden, etwa wie unsere Parlamente uns Steuern durch Stimmenmehrheit auf- erlegen. — Doch, wie schwer es uns auch werden mag, anders als kopfschüttelnd dieser monströsen Entwickelung eines jüdischen Ge- dankens auf fremdem Boden zuzusehen, man wird doch wohl zugeben müssen, dass es nie zur vollen Ausbildung einer christlichen Kirche ohne Dogma und ohne Intoleranz gekommen wäre. Auch hier sind wir also dem Judentum für ein Element von Kraft und Ausdauer verpflichtet.

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Zitationshilfe: Chamberlain, Houston Stewart: Die Grundlagen des Neunzehnten Jahrhunderts. Bd. 2. München 1899, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamberlain_grundlagen02_1899/51>, abgerufen am 09.11.2024.