Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

wieder nach Norden taumelte. Ich suchte durch
heftige Bewegung mir Erleichterung zu verschaf¬
fen, und lief mit unsichern raschen Schritten von
Westen nach Osten und von Osten nach Westen.
Ich befand mich bald in dem Tag und bald in
der Nacht; bald im Sommer und bald in der
Winterkälte.

Ich weiß nicht, wie lange ich mich so auf
der Erde herumtaumelte. Ein brennendes Fieber
glühte durch meine Adern, ich fühlte mit großer
Angst die Besinnung mich verlassen. Noch wollte
das Unglück, daß ich bei so unvorsichtigem Laufen
Jemanden auf den Fuß trat. Ich mochte ihm
weh gethan haben; ich erhielt einen starken Stoß,
und ich fiel hin. --

Als ich zuerst zum Bewußtseyn zurückkehrte,
lag ich gemächlich in einem guten Bette, das un¬
ter vielen andern Betten in einem geräumigen
und schönen Saale stand. Es saß mir Jemand
zu Haupten; es gingen Menschen durch den Saal
von einem Bette zum andern. Sie kamen vor
das meine und unterhielten sich von mir. Sie
nannten mich aber Numero Zwölf, und an der

wieder nach Norden taumelte. Ich ſuchte durch
heftige Bewegung mir Erleichterung zu verſchaf¬
fen, und lief mit unſichern raſchen Schritten von
Weſten nach Oſten und von Oſten nach Weſten.
Ich befand mich bald in dem Tag und bald in
der Nacht; bald im Sommer und bald in der
Winterkaͤlte.

Ich weiß nicht, wie lange ich mich ſo auf
der Erde herumtaumelte. Ein brennendes Fieber
gluͤhte durch meine Adern, ich fuͤhlte mit großer
Angſt die Beſinnung mich verlaſſen. Noch wollte
das Ungluͤck, daß ich bei ſo unvorſichtigem Laufen
Jemanden auf den Fuß trat. Ich mochte ihm
weh gethan haben; ich erhielt einen ſtarken Stoß,
und ich fiel hin. —

Als ich zuerſt zum Bewußtſeyn zuruͤckkehrte,
lag ich gemaͤchlich in einem guten Bette, das un¬
ter vielen andern Betten in einem geraͤumigen
und ſchoͤnen Saale ſtand. Es ſaß mir Jemand
zu Haupten; es gingen Menſchen durch den Saal
von einem Bette zum andern. Sie kamen vor
das meine und unterhielten ſich von mir. Sie
nannten mich aber Numero Zwoͤlf, und an der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0139" n="119"/>
wieder nach Norden taumelte. Ich &#x017F;uchte durch<lb/>
heftige Bewegung mir Erleichterung zu ver&#x017F;chaf¬<lb/>
fen, und lief mit un&#x017F;ichern ra&#x017F;chen Schritten von<lb/>
We&#x017F;ten nach O&#x017F;ten und von O&#x017F;ten nach We&#x017F;ten.<lb/>
Ich befand mich bald in dem Tag und bald in<lb/>
der Nacht; bald im Sommer und bald in der<lb/>
Winterka&#x0364;lte.</p><lb/>
        <p>Ich weiß nicht, wie lange ich mich &#x017F;o auf<lb/>
der Erde herumtaumelte. Ein brennendes Fieber<lb/>
glu&#x0364;hte durch meine Adern, ich fu&#x0364;hlte mit großer<lb/>
Ang&#x017F;t die Be&#x017F;innung mich verla&#x017F;&#x017F;en. Noch wollte<lb/>
das Unglu&#x0364;ck, daß ich bei &#x017F;o unvor&#x017F;ichtigem Laufen<lb/>
Jemanden auf den Fuß trat. Ich mochte ihm<lb/>
weh gethan haben; ich erhielt einen &#x017F;tarken Stoß,<lb/>
und ich fiel hin. &#x2014;</p><lb/>
        <p>Als ich zuer&#x017F;t zum Bewußt&#x017F;eyn zuru&#x0364;ckkehrte,<lb/>
lag ich gema&#x0364;chlich in einem guten Bette, das un¬<lb/>
ter vielen andern Betten in einem gera&#x0364;umigen<lb/>
und &#x017F;cho&#x0364;nen Saale &#x017F;tand. Es &#x017F;aß mir Jemand<lb/>
zu Haupten; es gingen Men&#x017F;chen durch den Saal<lb/>
von einem Bette zum andern. Sie kamen vor<lb/>
das meine und unterhielten &#x017F;ich von mir. Sie<lb/>
nannten mich aber <hi rendition="#g">Numero Zwo&#x0364;lf</hi>, und an der<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[119/0139] wieder nach Norden taumelte. Ich ſuchte durch heftige Bewegung mir Erleichterung zu verſchaf¬ fen, und lief mit unſichern raſchen Schritten von Weſten nach Oſten und von Oſten nach Weſten. Ich befand mich bald in dem Tag und bald in der Nacht; bald im Sommer und bald in der Winterkaͤlte. Ich weiß nicht, wie lange ich mich ſo auf der Erde herumtaumelte. Ein brennendes Fieber gluͤhte durch meine Adern, ich fuͤhlte mit großer Angſt die Beſinnung mich verlaſſen. Noch wollte das Ungluͤck, daß ich bei ſo unvorſichtigem Laufen Jemanden auf den Fuß trat. Ich mochte ihm weh gethan haben; ich erhielt einen ſtarken Stoß, und ich fiel hin. — Als ich zuerſt zum Bewußtſeyn zuruͤckkehrte, lag ich gemaͤchlich in einem guten Bette, das un¬ ter vielen andern Betten in einem geraͤumigen und ſchoͤnen Saale ſtand. Es ſaß mir Jemand zu Haupten; es gingen Menſchen durch den Saal von einem Bette zum andern. Sie kamen vor das meine und unterhielten ſich von mir. Sie nannten mich aber Numero Zwoͤlf, und an der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/139
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/139>, abgerufen am 24.11.2024.