Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814.

Bild:
<< vorherige Seite

nalien aufbringen konnte: so kam alles vorher müh¬
sam Entbotene wie von selbst, und noch mehr,
und nahm ungehindert Theil an der Freude; und
es ging fast, wie es in der Oper heißt: die Erde
ward ein Himmelreich, und Sterbliche den Göt¬
tern gleich. Nun wollte aber der Verstand, wenn
er sich wieder begriff, sein Recht und Wesen, zu
sondern und zu trennen, nicht aufgeben; und so
löste er immer wieder das Zauberband, welches
auch ihn in Himmel und Erde verknüpft hatte.
Die himmlische Klarheit, in welcher alles schwamm,
hielt er für Dunkelheit, aus welcher er sich ringen
zu müssen glaubte: und so schied und schied er,
was er nur konnte, und nannte dies Aufklärung.
Aber er merkte in der Arbeit gar nicht, daß er
in dem Geschiedenen nur abgeschiedene Geister hat¬
te, welche auch von ihm wieder schieden und hin¬
flogen, wo sie hergekommen waren. Und so blieb
und bleibt ihm ein Geheimniß, was nur so weit
eines ist, als der Mensch aufgehört hat, ein Kind
am Geiste zu seyn.

Wir haben hiermit, fast unwillkührlich, das
Feld angegeben, welches dieses Stiefelpaar (eben der

Zwil¬

nalien aufbringen konnte: ſo kam alles vorher muͤh¬
ſam Entbotene wie von ſelbſt, und noch mehr,
und nahm ungehindert Theil an der Freude; und
es ging faſt, wie es in der Oper heißt: die Erde
ward ein Himmelreich, und Sterbliche den Goͤt¬
tern gleich. Nun wollte aber der Verſtand, wenn
er ſich wieder begriff, ſein Recht und Weſen, zu
ſondern und zu trennen, nicht aufgeben; und ſo
loͤſte er immer wieder das Zauberband, welches
auch ihn in Himmel und Erde verknuͤpft hatte.
Die himmliſche Klarheit, in welcher alles ſchwamm,
hielt er fuͤr Dunkelheit, aus welcher er ſich ringen
zu muͤſſen glaubte: und ſo ſchied und ſchied er,
was er nur konnte, und nannte dies Aufklaͤrung.
Aber er merkte in der Arbeit gar nicht, daß er
in dem Geſchiedenen nur abgeſchiedene Geiſter hat¬
te, welche auch von ihm wieder ſchieden und hin¬
flogen, wo ſie hergekommen waren. Und ſo blieb
und bleibt ihm ein Geheimniß, was nur ſo weit
eines iſt, als der Menſch aufgehoͤrt hat, ein Kind
am Geiſte zu ſeyn.

Wir haben hiermit, faſt unwillkuͤhrlich, das
Feld angegeben, welches dieſes Stiefelpaar (eben der

Zwil¬
<TEI>
  <text>
    <back>
      <div type="advertisement" n="1">
        <p><pb facs="#f0148" n="128"/>
nalien aufbringen konnte: &#x017F;o kam alles vorher mu&#x0364;<lb/>
&#x017F;am Entbotene wie von &#x017F;elb&#x017F;t, und noch mehr,<lb/>
und nahm ungehindert Theil an der Freude; und<lb/>
es ging fa&#x017F;t, wie es in der Oper heißt: die Erde<lb/>
ward ein Himmelreich, und Sterbliche den Go&#x0364;<lb/>
tern gleich. Nun wollte aber der Ver&#x017F;tand, wenn<lb/>
er &#x017F;ich wieder begriff, &#x017F;ein Recht und We&#x017F;en, zu<lb/>
&#x017F;ondern und zu trennen, nicht aufgeben; und &#x017F;o<lb/>
lo&#x0364;&#x017F;te er immer wieder das Zauberband, welches<lb/>
auch ihn in Himmel und Erde verknu&#x0364;pft hatte.<lb/>
Die himmli&#x017F;che Klarheit, in welcher alles &#x017F;chwamm,<lb/>
hielt er fu&#x0364;r Dunkelheit, aus welcher er &#x017F;ich ringen<lb/>
zu mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en glaubte: und &#x017F;o &#x017F;chied und &#x017F;chied er,<lb/>
was er nur konnte, und nannte dies Aufkla&#x0364;rung.<lb/>
Aber er merkte in der Arbeit gar nicht, daß er<lb/>
in dem Ge&#x017F;chiedenen nur abge&#x017F;chiedene Gei&#x017F;ter hat¬<lb/>
te, welche auch von ihm wieder &#x017F;chieden und hin¬<lb/>
flogen, wo &#x017F;ie hergekommen waren. Und &#x017F;o blieb<lb/>
und bleibt ihm ein Geheimniß, was nur &#x017F;o weit<lb/>
eines i&#x017F;t, als der Men&#x017F;ch aufgeho&#x0364;rt hat, ein Kind<lb/>
am Gei&#x017F;te zu &#x017F;eyn.</p><lb/>
        <p>Wir haben hiermit, fa&#x017F;t unwillku&#x0364;hrlich, das<lb/>
Feld angegeben, welches die&#x017F;es Stiefelpaar (eben der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Zwil¬<lb/></fw>
</p>
      </div>
    </back>
  </text>
</TEI>
[128/0148] nalien aufbringen konnte: ſo kam alles vorher muͤh¬ ſam Entbotene wie von ſelbſt, und noch mehr, und nahm ungehindert Theil an der Freude; und es ging faſt, wie es in der Oper heißt: die Erde ward ein Himmelreich, und Sterbliche den Goͤt¬ tern gleich. Nun wollte aber der Verſtand, wenn er ſich wieder begriff, ſein Recht und Weſen, zu ſondern und zu trennen, nicht aufgeben; und ſo loͤſte er immer wieder das Zauberband, welches auch ihn in Himmel und Erde verknuͤpft hatte. Die himmliſche Klarheit, in welcher alles ſchwamm, hielt er fuͤr Dunkelheit, aus welcher er ſich ringen zu muͤſſen glaubte: und ſo ſchied und ſchied er, was er nur konnte, und nannte dies Aufklaͤrung. Aber er merkte in der Arbeit gar nicht, daß er in dem Geſchiedenen nur abgeſchiedene Geiſter hat¬ te, welche auch von ihm wieder ſchieden und hin¬ flogen, wo ſie hergekommen waren. Und ſo blieb und bleibt ihm ein Geheimniß, was nur ſo weit eines iſt, als der Menſch aufgehoͤrt hat, ein Kind am Geiſte zu ſeyn. Wir haben hiermit, faſt unwillkuͤhrlich, das Feld angegeben, welches dieſes Stiefelpaar (eben der Zwil¬

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/148
Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 128. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/148>, abgerufen am 18.05.2024.