gen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie sie auf¬ sah, und mich anblickte, machte sie eine unwill¬ kührliche Bewegung; da stand mir wieder klar vor der Seele die Erscheinung jener schaurigen Nacht, wo ich mich im Mondschein ohne Schatten ge¬ zeigt. Sie war es wirklich. Hatte sie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war still und gedanken¬ voll -- mir lag es zentnerschwer auf der Brust -- Ich stand von meinem Sitz auf. Sie warf sich stille weinend an meine Brust. Ich ging.
Nun fand ich sie öfters in Thränen; mir ward's finster und finsterer um die Seele, -- nur die Eltern schwammen in unüberschwänglicher Glückseligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte her¬ an, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da -- ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorsorglich einige Kisten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. -- Sie schlug. --
Nun saß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerichtet, die Sekunden, die Minuten zählend, wie Dolchstiche. Bei jedem Lärm, der
gen gedruͤckt, ich ging auf Mina zu; wie ſie auf¬ ſah, und mich anblickte, machte ſie eine unwill¬ kuͤhrliche Bewegung; da ſtand mir wieder klar vor der Seele die Erſcheinung jener ſchaurigen Nacht, wo ich mich im Mondſchein ohne Schatten ge¬ zeigt. Sie war es wirklich. Hatte ſie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war ſtill und gedanken¬ voll — mir lag es zentnerſchwer auf der Bruſt — Ich ſtand von meinem Sitz auf. Sie warf ſich ſtille weinend an meine Bruſt. Ich ging.
Nun fand ich ſie oͤfters in Thraͤnen; mir ward's finſter und finſterer um die Seele, — nur die Eltern ſchwammen in unuͤberſchwaͤnglicher Gluͤckſeligkeit; der verhaͤngnißvolle Tag ruͤckte her¬ an, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorſorglich einige Kiſten mit Gold angefuͤllt, ich wachte die zwoͤlfte Stunde heran. — Sie ſchlug. —
Nun ſaß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerichtet, die Sekunden, die Minuten zaͤhlend, wie Dolchſtiche. Bei jedem Laͤrm, der
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gen gedruͤckt, ich ging auf Mina zu; wie ſie auf¬
ſah, und mich anblickte, machte ſie eine unwill¬
kuͤhrliche Bewegung; da ſtand mir wieder klar vor
der Seele die Erſcheinung jener ſchaurigen Nacht,
wo ich mich im Mondſchein ohne Schatten ge¬
zeigt. Sie war es wirklich. Hatte ſie mich aber
auch jetzt erkannt? Sie war ſtill und gedanken¬
voll — mir lag es zentnerſchwer auf der Bruſt —
Ich ſtand von meinem Sitz auf. Sie warf ſich
ſtille weinend an meine Bruſt. Ich ging.
Nun fand ich ſie oͤfters in Thraͤnen; mir
ward's finſter und finſterer um die Seele, — nur
die Eltern ſchwammen in unuͤberſchwaͤnglicher
Gluͤckſeligkeit; der verhaͤngnißvolle Tag ruͤckte her¬
an, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke.
Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr
athmen. Ich hatte vorſorglich einige Kiſten mit
Gold angefuͤllt, ich wachte die zwoͤlfte Stunde
heran. — Sie ſchlug. —
Nun ſaß ich da, das Auge auf die Zeiger
der Uhr gerichtet, die Sekunden, die Minuten
zaͤhlend, wie Dolchſtiche. Bei jedem Laͤrm, der
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Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten E… [mehr]
Beigebunden im Anhang des für das DTA gewählten Exemplars aus der SBB-PK sind sechs Kupfer von George Cruikshank aus der 2. Aufl. (1827).
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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. Nürnberg, 1814, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1814/74>, abgerufen am 16.02.2025.
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