Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.am Ende doch gezwungen. Ich dächte noch, Sie kauften mir das Ding ab, nähmen die Braut zurück (denn noch ist es Zeit), und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln, das wird uns ein Leichtes, so lange es uns am Stricke nicht fehlt. -- Hören Sie, ich gebe Ihnen noch meine Mütze in den Kauf. Die Mutter trat heraus und das Gespräch begann. -- Was macht Mina? -- Sie weint. -- Einfältiges Kind! es ist doch nicht zu ändern! -- Freilich nicht; aber sie so früh einem Andern zu geben -- -- O Mann, du bist grausam gegen dein eigenes Kind. -- Nein, Mutter, das siehst du sehr falsch. Wenn sie, noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen ausgeweint hat, sich als die Frau eines sehr reichen und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum erwachen und Gott und uns danken, das wirst du sehen! -- Gott gebe es! -- Sie besitzt freilich jetzt sehr ansehnliche Güter; aber nach dem Aufsehen, das die unglückliche Geschichte mit dem Abenteurer gemacht hat, glaubst du, daß sich so bald eine andere, für sie so passende Partie, als der Herr Rascal, finden möchte? Weißt du, was für ein Vermögen er besitzt, der Herr Rasal? Er hat für sechs Millionen Güter hier im Lande, frei von allen Schulden, baar bezahlt. Ich habe die Documente in Händen gehabt! Er war's, der mir überall das Beste vorweg genommen hat; und außerdem im Portefeuille Papiere auf Thomas John für circa vier am Ende doch gezwungen. Ich dächte noch, Sie kauften mir das Ding ab, nähmen die Braut zurück (denn noch ist es Zeit), und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln, das wird uns ein Leichtes, so lange es uns am Stricke nicht fehlt. — Hören Sie, ich gebe Ihnen noch meine Mütze in den Kauf. Die Mutter trat heraus und das Gespräch begann. — Was macht Mina? — Sie weint. — Einfältiges Kind! es ist doch nicht zu ändern! — Freilich nicht; aber sie so früh einem Andern zu geben — — O Mann, du bist grausam gegen dein eigenes Kind. — Nein, Mutter, das siehst du sehr falsch. Wenn sie, noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen ausgeweint hat, sich als die Frau eines sehr reichen und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum erwachen und Gott und uns danken, das wirst du sehen! — Gott gebe es! — Sie besitzt freilich jetzt sehr ansehnliche Güter; aber nach dem Aufsehen, das die unglückliche Geschichte mit dem Abenteurer gemacht hat, glaubst du, daß sich so bald eine andere, für sie so passende Partie, als der Herr Rascal, finden möchte? Weißt du, was für ein Vermögen er besitzt, der Herr Rasal? Er hat für sechs Millionen Güter hier im Lande, frei von allen Schulden, baar bezahlt. Ich habe die Documente in Händen gehabt! Er war's, der mir überall das Beste vorweg genommen hat; und außerdem im Portefeuille Papiere auf Thomas John für circa vier <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0066"/> am Ende doch gezwungen. Ich dächte noch, Sie kauften mir das Ding ab, nähmen die Braut zurück (denn noch ist es Zeit), und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln, das wird uns ein Leichtes, so lange es uns am Stricke nicht fehlt. — Hören Sie, ich gebe Ihnen noch meine Mütze in den Kauf.</p><lb/> <p>Die Mutter trat heraus und das Gespräch begann. — Was macht Mina? — Sie weint. — Einfältiges Kind! es ist doch nicht zu ändern! — Freilich nicht; aber sie so früh einem Andern zu geben — — O Mann, du bist grausam gegen dein eigenes Kind. — Nein, Mutter, das siehst du sehr falsch. Wenn sie, noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen ausgeweint hat, sich als die Frau eines sehr reichen und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum erwachen und Gott und uns danken, das wirst du sehen! — Gott gebe es! — Sie besitzt freilich jetzt sehr ansehnliche Güter; aber nach dem Aufsehen, das die unglückliche Geschichte mit dem Abenteurer gemacht hat, glaubst du, daß sich so bald eine andere, für sie so passende Partie, als der Herr Rascal, finden möchte? Weißt du, was für ein Vermögen er besitzt, der Herr Rasal? Er hat für sechs Millionen Güter hier im Lande, frei von allen Schulden, baar bezahlt. Ich habe die Documente in Händen gehabt! Er war's, der mir überall das Beste vorweg genommen hat; und außerdem im Portefeuille Papiere auf Thomas John für circa vier<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0066]
am Ende doch gezwungen. Ich dächte noch, Sie kauften mir das Ding ab, nähmen die Braut zurück (denn noch ist es Zeit), und wir ließen den Rascal am Galgen baumeln, das wird uns ein Leichtes, so lange es uns am Stricke nicht fehlt. — Hören Sie, ich gebe Ihnen noch meine Mütze in den Kauf.
Die Mutter trat heraus und das Gespräch begann. — Was macht Mina? — Sie weint. — Einfältiges Kind! es ist doch nicht zu ändern! — Freilich nicht; aber sie so früh einem Andern zu geben — — O Mann, du bist grausam gegen dein eigenes Kind. — Nein, Mutter, das siehst du sehr falsch. Wenn sie, noch bevor sie ihre doch kindischen Thränen ausgeweint hat, sich als die Frau eines sehr reichen und geehrten Mannes findet, wird sie getröstet aus ihrem Schmerze wie aus einem Traum erwachen und Gott und uns danken, das wirst du sehen! — Gott gebe es! — Sie besitzt freilich jetzt sehr ansehnliche Güter; aber nach dem Aufsehen, das die unglückliche Geschichte mit dem Abenteurer gemacht hat, glaubst du, daß sich so bald eine andere, für sie so passende Partie, als der Herr Rascal, finden möchte? Weißt du, was für ein Vermögen er besitzt, der Herr Rasal? Er hat für sechs Millionen Güter hier im Lande, frei von allen Schulden, baar bezahlt. Ich habe die Documente in Händen gehabt! Er war's, der mir überall das Beste vorweg genommen hat; und außerdem im Portefeuille Papiere auf Thomas John für circa vier
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Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/66>, abgerufen am 16.02.2025. |