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Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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denn ich habe den quälenden Wurm in meinem Herzen genährt. Es schwebte immerwährend dieser ernste Moment meines Lebens vor meiner Seele, und ich vermocht' es nur zweifelnden Blickes, mit Demuth und Zerknirschung anzuschauen. -- Lieber Freund, wer leichtsinnig nur den Fuß aus der geraden Straße setzt, der wird unversehens in andere Pfade abgeführt, die abwärts und immer abwärts ihn ziehen; er sieht dann umsonst die Leitsterne am Himmel schimmern, ihm bleibt keine Wahl, er muß unaufhaltsam den Abhang hinab und sich selbst der Nemesis opfern. Nach dem übereilten Fehltritt, der den Fluch auf mich geladen, hatt' ich durch Liebe frevelnd in eines andern Wesens Schicksal mich gedrängt; was blieb mir übrig, als, wo ich Verderben gesäet, wo schnelle Rettung von mir geheischt ward, eben rettend blindlings hinzuzuspringen? Denn die letzte Stunde schlug. -- Denke nicht so niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. -- Nein, Adelbert; aber mit unüberwindlichem Hasse gegen diesen räthselhaften Schleicher auf krummen Wegen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinschaft mit ihm. -- Auch hier trat, wie so oft schon in mein Leben, und wie überhaupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir selber ver-

denn ich habe den quälenden Wurm in meinem Herzen genährt. Es schwebte immerwährend dieser ernste Moment meines Lebens vor meiner Seele, und ich vermocht' es nur zweifelnden Blickes, mit Demuth und Zerknirschung anzuschauen. — Lieber Freund, wer leichtsinnig nur den Fuß aus der geraden Straße setzt, der wird unversehens in andere Pfade abgeführt, die abwärts und immer abwärts ihn ziehen; er sieht dann umsonst die Leitsterne am Himmel schimmern, ihm bleibt keine Wahl, er muß unaufhaltsam den Abhang hinab und sich selbst der Nemesis opfern. Nach dem übereilten Fehltritt, der den Fluch auf mich geladen, hatt' ich durch Liebe frevelnd in eines andern Wesens Schicksal mich gedrängt; was blieb mir übrig, als, wo ich Verderben gesäet, wo schnelle Rettung von mir geheischt ward, eben rettend blindlings hinzuzuspringen? Denn die letzte Stunde schlug. — Denke nicht so niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. — Nein, Adelbert; aber mit unüberwindlichem Hasse gegen diesen räthselhaften Schleicher auf krummen Wegen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinschaft mit ihm. — Auch hier trat, wie so oft schon in mein Leben, und wie überhaupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir selber ver-

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[0069] denn ich habe den quälenden Wurm in meinem Herzen genährt. Es schwebte immerwährend dieser ernste Moment meines Lebens vor meiner Seele, und ich vermocht' es nur zweifelnden Blickes, mit Demuth und Zerknirschung anzuschauen. — Lieber Freund, wer leichtsinnig nur den Fuß aus der geraden Straße setzt, der wird unversehens in andere Pfade abgeführt, die abwärts und immer abwärts ihn ziehen; er sieht dann umsonst die Leitsterne am Himmel schimmern, ihm bleibt keine Wahl, er muß unaufhaltsam den Abhang hinab und sich selbst der Nemesis opfern. Nach dem übereilten Fehltritt, der den Fluch auf mich geladen, hatt' ich durch Liebe frevelnd in eines andern Wesens Schicksal mich gedrängt; was blieb mir übrig, als, wo ich Verderben gesäet, wo schnelle Rettung von mir geheischt ward, eben rettend blindlings hinzuzuspringen? Denn die letzte Stunde schlug. — Denke nicht so niedrig von mir, mein Adelbert, als zu meinen, es hätte mich irgend ein geforderter Preis zu theuer gedünkt, ich hätte mit irgend Etwas, was nur mein war, mehr als eben mit Gold gekargt. — Nein, Adelbert; aber mit unüberwindlichem Hasse gegen diesen räthselhaften Schleicher auf krummen Wegen war meine Seele angefüllt. Ich mochte ihm Unrecht thun, doch empörte mich jede Gemeinschaft mit ihm. — Auch hier trat, wie so oft schon in mein Leben, und wie überhaupt so oft in die Weltgeschichte, ein Ereigniß an die Stelle einer That. Später habe ich mich mit mir selber ver-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-14T13:49:40Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-14T13:49:40Z)

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Zitationshilfe: Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/69>, abgerufen am 24.11.2024.