Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.um dich, der die Sonne nicht scheut, ein geehrter Mann, der freilich kein Fürst ist, aber zehn Millionen, zehnmal mehr als du im Vermögen besitzt, ein Mann, der mein liebes Kind glücklich machen wird. Erwidere mir nichts, widersetze dich nicht, sei meine gute, gehorsame Tochter, laß deinen liebenden Vater für dich sorgen, deine Thränen trocknen. Versprich mir, dem Herrn Rascal deine Hand zu geben. -- Sage, willst du mir dies versprechen? -- Sie antwortete mit erstorbener Stimme: Ich habe keinen Willen, keinen Wunsch fürder auf Erden. Geschehe mit mir, was mein Vater will. -- Zugleich ward Herr Rascal angemeldet und trat frech in den Kreis. Mina lag in Ohnmacht. Mein verhaßter Gefährte blickte mich zornig an und flüsterte mir die schnellen Worte: Und das könnten Sie erdulden! Was fließt Ihnen denn statt des Blutes in den Adern? -- Er ritzte mir mit einer raschen Bewegung eine leichte Wunde in die Hand, es floß Blut, er fuhr fort: Wahrhaftig! rothes Blut! So unterschreiben Sie! Ich hatte das Pergament und die Feder in Händen. VII. Ich werde mich deinem Urtheile bloß stellen, lieber Chamisso, und es nicht zu bestechen suchen. Ich selbst habe lange strenges Gericht an mir selber vollzogen, um dich, der die Sonne nicht scheut, ein geehrter Mann, der freilich kein Fürst ist, aber zehn Millionen, zehnmal mehr als du im Vermögen besitzt, ein Mann, der mein liebes Kind glücklich machen wird. Erwidere mir nichts, widersetze dich nicht, sei meine gute, gehorsame Tochter, laß deinen liebenden Vater für dich sorgen, deine Thränen trocknen. Versprich mir, dem Herrn Rascal deine Hand zu geben. — Sage, willst du mir dies versprechen? — Sie antwortete mit erstorbener Stimme: Ich habe keinen Willen, keinen Wunsch fürder auf Erden. Geschehe mit mir, was mein Vater will. — Zugleich ward Herr Rascal angemeldet und trat frech in den Kreis. Mina lag in Ohnmacht. Mein verhaßter Gefährte blickte mich zornig an und flüsterte mir die schnellen Worte: Und das könnten Sie erdulden! Was fließt Ihnen denn statt des Blutes in den Adern? — Er ritzte mir mit einer raschen Bewegung eine leichte Wunde in die Hand, es floß Blut, er fuhr fort: Wahrhaftig! rothes Blut! So unterschreiben Sie! Ich hatte das Pergament und die Feder in Händen. VII. Ich werde mich deinem Urtheile bloß stellen, lieber Chamisso, und es nicht zu bestechen suchen. Ich selbst habe lange strenges Gericht an mir selber vollzogen, <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="6"> <p><pb facs="#f0068"/> um dich, der die Sonne nicht scheut, ein geehrter Mann, der freilich kein Fürst ist, aber zehn Millionen, zehnmal mehr als du im Vermögen besitzt, ein Mann, der mein liebes Kind glücklich machen wird. Erwidere mir nichts, widersetze dich nicht, sei meine gute, gehorsame Tochter, laß deinen liebenden Vater für dich sorgen, deine Thränen trocknen. Versprich mir, dem Herrn Rascal deine Hand zu geben. — Sage, willst du mir dies versprechen? —</p><lb/> <p>Sie antwortete mit erstorbener Stimme: Ich habe keinen Willen, keinen Wunsch fürder auf Erden. Geschehe mit mir, was mein Vater will. — Zugleich ward Herr Rascal angemeldet und trat frech in den Kreis. Mina lag in Ohnmacht. Mein verhaßter Gefährte blickte mich zornig an und flüsterte mir die schnellen Worte: Und das könnten Sie erdulden! Was fließt Ihnen denn statt des Blutes in den Adern? — Er ritzte mir mit einer raschen Bewegung eine leichte Wunde in die Hand, es floß Blut, er fuhr fort: Wahrhaftig! rothes Blut! So unterschreiben Sie! Ich hatte das Pergament und die Feder in Händen.</p><lb/> </div> <div type="chapter" n="7"> <head>VII.</head> <p>Ich werde mich deinem Urtheile bloß stellen, lieber Chamisso, und es nicht zu bestechen suchen. Ich selbst habe lange strenges Gericht an mir selber vollzogen,<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0068]
um dich, der die Sonne nicht scheut, ein geehrter Mann, der freilich kein Fürst ist, aber zehn Millionen, zehnmal mehr als du im Vermögen besitzt, ein Mann, der mein liebes Kind glücklich machen wird. Erwidere mir nichts, widersetze dich nicht, sei meine gute, gehorsame Tochter, laß deinen liebenden Vater für dich sorgen, deine Thränen trocknen. Versprich mir, dem Herrn Rascal deine Hand zu geben. — Sage, willst du mir dies versprechen? —
Sie antwortete mit erstorbener Stimme: Ich habe keinen Willen, keinen Wunsch fürder auf Erden. Geschehe mit mir, was mein Vater will. — Zugleich ward Herr Rascal angemeldet und trat frech in den Kreis. Mina lag in Ohnmacht. Mein verhaßter Gefährte blickte mich zornig an und flüsterte mir die schnellen Worte: Und das könnten Sie erdulden! Was fließt Ihnen denn statt des Blutes in den Adern? — Er ritzte mir mit einer raschen Bewegung eine leichte Wunde in die Hand, es floß Blut, er fuhr fort: Wahrhaftig! rothes Blut! So unterschreiben Sie! Ich hatte das Pergament und die Feder in Händen.
VII. Ich werde mich deinem Urtheile bloß stellen, lieber Chamisso, und es nicht zu bestechen suchen. Ich selbst habe lange strenges Gericht an mir selber vollzogen,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/68 |
Zitationshilfe: | Chamisso, Adelbert von: Peter Schlemihl's wundersame Geschichte. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 17. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–98. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chamisso_schlemihl_1910/68>, abgerufen am 16.02.2025. |