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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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83.

Jn dem vierten Falle, wenn beyde Enden angestemmt sind, schwingt ein
Stab ganz eben so, wie eine Saite, nur sind die Tonverhältnisse ganz anders, indem diese
nicht etwa wie bey einer Saite mit der natürlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 etc., sondern mit
deren Quadraten übereinkommen. Will man Versuche über diese Schwingungsarten anstellen,
so stemme man den Stab vermittelst eines Vretes oder andern festen Körpers an den Tisch oder
an einen Resonanzboden, oder lasse ihn zu mehrerer Bequemlichkeit der Versuche von einem
Andern auf diese Art anstemmen, und streiche an einer gehörigen Stelle mit dem Violinbogen,
während man irgend eine Stelle, wo ein Schwingungsknoten ist, durch Berührung mit einem
Finger gehörig dämpft. Bey der einfachsten Art der Schwingungen bewegt sich der ganze
Stab wie eine Saite Fig. 1. bey ihrem tiefsten Tone; bey der zweyten Bewegungsart Fig. 2.
theilt er sich in zwey gleiche Theile, und in der Mitte ist ein Schwingungsknoten, der Ton
ist um zwey Octaven höher als der erste; bey der dritten Schwingungsart Fig. 3. theilt sich
der Stab in drey gleiche Theile, und der Ton ist wieder um eine Octave und einen ganzen Ton
höher; bey der vierten Schwingungsart Fig. 4. wo die Höhe des Tones wieder um eine kleine
Septime zunimmt, theilt sich der Stab in vier gleiche Theile u. s. w. Das Verhältniß des
tiefsten Tones dieser Art gegen die tiefsten Töne, welche in den vorhererwähnten 3 Fällen er-
halten werden können, ist folgendes: Wenn man den tiefsten Ton in gegenwärtigem Falle,
wo der Stab wie eine Saite bey ihrer einfachsten Bewegungsart ganz hin und her schwingt,
als 1 ansteht, so ist der tiefste Ton eines solchen Stabes im ersten Falle, wo er an dem einen
Ende fest und an dem andern frey ist, = oder 0,36; im zweyten Falle, wenn ein Ende
angestemmt, und das andere frey ist, = oder 1,5625; im dritten Falle, wenn beyde Enden
frey sind, = oder 2,25. Ein Stab also, der in den vorigen 3 Fällen die angezeigten Töne
giebt, ist, wenn er an beyden Enden angestemmt wird, folgender Töne fähig:

Zahl der Schwingungsknoten:012345
Töne:Fisfisgisfisdnnnngis
Zahlen, mit deren Quadraten
die Töne übereinkommen:
123456 u. s. w.

N 2
83.

Jn dem vierten Falle, wenn beyde Enden angeſtemmt ſind, ſchwingt ein
Stab ganz eben ſo, wie eine Saite, nur ſind die Tonverhaͤltniſſe ganz anders, indem dieſe
nicht etwa wie bey einer Saite mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 ꝛc., ſondern mit
deren Quadraten uͤbereinkommen. Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen,
ſo ſtemme man den Stab vermittelſt eines Vretes oder andern feſten Koͤrpers an den Tiſch oder
an einen Reſonanzboden, oder laſſe ihn zu mehrerer Bequemlichkeit der Verſuche von einem
Andern auf dieſe Art anſtemmen, und ſtreiche an einer gehoͤrigen Stelle mit dem Violinbogen,
waͤhrend man irgend eine Stelle, wo ein Schwingungsknoten iſt, durch Beruͤhrung mit einem
Finger gehoͤrig daͤmpft. Bey der einfachſten Art der Schwingungen bewegt ſich der ganze
Stab wie eine Saite Fig. 1. bey ihrem tiefſten Tone; bey der zweyten Bewegungsart Fig. 2.
theilt er ſich in zwey gleiche Theile, und in der Mitte iſt ein Schwingungsknoten, der Ton
iſt um zwey Octaven hoͤher als der erſte; bey der dritten Schwingungsart Fig. 3. theilt ſich
der Stab in drey gleiche Theile, und der Ton iſt wieder um eine Octave und einen ganzen Ton
hoͤher; bey der vierten Schwingungsart Fig. 4. wo die Hoͤhe des Tones wieder um eine kleine
Septime zunimmt, theilt ſich der Stab in vier gleiche Theile u. ſ. w. Das Verhaͤltniß des
tiefſten Tones dieſer Art gegen die tiefſten Toͤne, welche in den vorhererwaͤhnten 3 Faͤllen er-
halten werden koͤnnen, iſt folgendes: Wenn man den tiefſten Ton in gegenwaͤrtigem Falle,
wo der Stab wie eine Saite bey ihrer einfachſten Bewegungsart ganz hin und her ſchwingt,
als 1 anſteht, ſo iſt der tiefſte Ton eines ſolchen Stabes im erſten Falle, wo er an dem einen
Ende feſt und an dem andern frey iſt, = oder 0,36; im zweyten Falle, wenn ein Ende
angeſtemmt, und das andere frey iſt, = oder 1,5625; im dritten Falle, wenn beyde Enden
frey ſind, = oder 2,25. Ein Stab alſo, der in den vorigen 3 Faͤllen die angezeigten Toͤne
giebt, iſt, wenn er an beyden Enden angeſtemmt wird, folgender Toͤne faͤhig:

Zahl der Schwingungsknoten:012345
Toͤne:Fisfis̅gis̅̅fis̅̅̅d̄̄̄̄gis̅̅̅̅
Zahlen, mit deren Quadraten
die Toͤne uͤbereinkommen:
123456 u. ſ. w.

N 2
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[99/0133] 83. Jn dem vierten Falle, wenn beyde Enden angeſtemmt ſind, ſchwingt ein Stab ganz eben ſo, wie eine Saite, nur ſind die Tonverhaͤltniſſe ganz anders, indem dieſe nicht etwa wie bey einer Saite mit der natuͤrlichen Zahlenfolge 1, 2, 3, 4 ꝛc., ſondern mit deren Quadraten uͤbereinkommen. Will man Verſuche uͤber dieſe Schwingungsarten anſtellen, ſo ſtemme man den Stab vermittelſt eines Vretes oder andern feſten Koͤrpers an den Tiſch oder an einen Reſonanzboden, oder laſſe ihn zu mehrerer Bequemlichkeit der Verſuche von einem Andern auf dieſe Art anſtemmen, und ſtreiche an einer gehoͤrigen Stelle mit dem Violinbogen, waͤhrend man irgend eine Stelle, wo ein Schwingungsknoten iſt, durch Beruͤhrung mit einem Finger gehoͤrig daͤmpft. Bey der einfachſten Art der Schwingungen bewegt ſich der ganze Stab wie eine Saite Fig. 1. bey ihrem tiefſten Tone; bey der zweyten Bewegungsart Fig. 2. theilt er ſich in zwey gleiche Theile, und in der Mitte iſt ein Schwingungsknoten, der Ton iſt um zwey Octaven hoͤher als der erſte; bey der dritten Schwingungsart Fig. 3. theilt ſich der Stab in drey gleiche Theile, und der Ton iſt wieder um eine Octave und einen ganzen Ton hoͤher; bey der vierten Schwingungsart Fig. 4. wo die Hoͤhe des Tones wieder um eine kleine Septime zunimmt, theilt ſich der Stab in vier gleiche Theile u. ſ. w. Das Verhaͤltniß des tiefſten Tones dieſer Art gegen die tiefſten Toͤne, welche in den vorhererwaͤhnten 3 Faͤllen er- halten werden koͤnnen, iſt folgendes: Wenn man den tiefſten Ton in gegenwaͤrtigem Falle, wo der Stab wie eine Saite bey ihrer einfachſten Bewegungsart ganz hin und her ſchwingt, als 1 anſteht, ſo iſt der tiefſte Ton eines ſolchen Stabes im erſten Falle, wo er an dem einen Ende feſt und an dem andern frey iſt, = [FORMEL] oder 0,36; im zweyten Falle, wenn ein Ende angeſtemmt, und das andere frey iſt, = [FORMEL] oder 1,5625; im dritten Falle, wenn beyde Enden frey ſind, = [FORMEL] oder 2,25. Ein Stab alſo, der in den vorigen 3 Faͤllen die angezeigten Toͤne giebt, iſt, wenn er an beyden Enden angeſtemmt wird, folgender Toͤne faͤhig: Zahl der Schwingungsknoten: 0 1 2 3 4 5 Toͤne: Fis fis̅ gis̅̅ fis̅̅̅ d̄̄̄̄ gis̅̅̅̅ Zahlen, mit deren Quadraten die Toͤne uͤbereinkommen: 1 2 3 4 5 6 u. ſ. w. N 2

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 99. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/133>, abgerufen am 17.05.2024.