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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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durch [nicht] verändert wird. Bey folchen Abänderungen oder Verzerrungen der Klangfiguren
können zwey einander durchschneidende Linien oder Theile von solchen Linien Fig. 45. c, sich in
ihrem Durchschnittspuncte trennen, und auf zwey verschiedene Arten mit einander verbinden,
so daß sie sich als zwey krumme Linien wie Fig. 45. b oder d zeigen, die Krümmungen können
auch noch flacher und die Linien endlich gerade und ganz mit einander parallel werden Fig. 45.
a
und e; eben so können auch zwey nach der einen oder nach der andern Richtung mit einander
parallel gehende Linien oder Theile von Linien Fig. 45. a und e sich wie Fig. 45. b oder d krüm-
men, und wenn die Krümmung noch stärker wird, endlich wie bey Fig. 45. c, einander recht-
wintlich durchschneiden. Man kann also Fig. 45. a, b, c, d, und e, welche die eigentlichen
Grundzüge aller Abänderungen sind, als gleichartig anschen, es läßt sich auch öfters durch
Verrückungen der Finger ein allmählicher Uebergang von einer dieser Gestalten zur andern
bewürken. Eben so sind auch am Rande einer Scheibe Fig. 46. m n zwey schief gegen einan-
der laufende Enden von Linien, wie bey a, oder ein Stück einer krummen Linie, wie bey b,
oder ein Stück einer geraden Linie, wie bey c, gleichbedeutend, und können sich in einander
umändern. Es gehört öfters einige Uebung dazu, um bey so mannigfaltigen Verzerrungen
die eigentliche Beschaffenheit einer Schwingungsart, besonders wenn sie sehr verwickelt ist,
gehörig zu beurtheilen.

Anm. Sollte man endlich dahin gelangen, die Schwingungen einer Scheibe aus allgemeinen me-
chanischen Principien bestimmen zu können, so würde der erste Schritt wohl darin bestehen müssen,
daß man für [di]esen Uebergang einer einfachen Bewegung einer Rectangelscheibe, oder überhaupt
eines Theils einer Scheibe, wo die Linien gerade sind, Fig. 45. a und e, und wo man sich die
Scheibe, oder den also schwingenden Theil einer Scheibe als ein Aggregat von unendlich vielen
Fasern gedenken kann, die mit einander parallel gehen, und sich so wie ein freyer Stab bey seiner
ersten Schwingungsart Fig. 24. bewegen, zu solchen nicht mehr durch krumme Linien, sondern
durch Flächenkrümmungen auszudrückenden Bewegungen, wo die Knotenlinien sich mehr oder we-
niger krümmen Fig. 45. b und d, oder sich auch rechtwinklich durchschneiden können, Fig. 45. c,
wobey jedoch die schwingenden Theile einerley relative Größe behalten, und also die Geschwindig-
keit der Schwingungen nicht verändert wird, einen allgemeinen Ausdruck zu finden suche. Hätte
man diesen gefunden, so müßte man ihn auf zusammengesetztere Bewegungsarten anzuwenden,
und endlich auch zu bestimmen suchen, was für Einfluß überhaupt die Gestalt der Scheibe auf die
Beschaffenheit der Schwingungen habe. Es müßte auch bey solchen Untersuchungen genau darauf
Rücksicht genommen werden, in welcher Lage, und in welcher Gestalt sich die Mittelpuncte der
Schwingungen zeigen.
Die Vorstellungsart Jacob Bernoulli's, da er sich eine Quadratscheibe als ein netzförmiges
Gewebe von Fasern, die einander rechtwinklich durchkreutzen, gedacht hat, scheint nicht brauchbar
zu seyn, sie hat auch in Nov. Act. Acad. Petrop. 1787. ganz unrichtige Resultate gegeben.
Q 2

durch [nicht] veraͤndert wird. Bey folchen Abaͤnderungen oder Verzerrungen der Klangfiguren
koͤnnen zwey einander durchſchneidende Linien oder Theile von ſolchen Linien Fig. 45. c, ſich in
ihrem Durchſchnittspuncte trennen, und auf zwey verſchiedene Arten mit einander verbinden,
ſo daß ſie ſich als zwey krumme Linien wie Fig. 45. b oder d zeigen, die Kruͤmmungen koͤnnen
auch noch flacher und die Linien endlich gerade und ganz mit einander parallel werden Fig. 45.
a
und e; eben ſo koͤnnen auch zwey nach der einen oder nach der andern Richtung mit einander
parallel gehende Linien oder Theile von Linien Fig. 45. a und e ſich wie Fig. 45. b oder d kruͤm-
men, und wenn die Kruͤmmung noch ſtaͤrker wird, endlich wie bey Fig. 45. c, einander recht-
wintlich durchſchneiden. Man kann alſo Fig. 45. a, b, c, d, und e, welche die eigentlichen
Grundzuͤge aller Abaͤnderungen ſind, als gleichartig anſchen, es laͤßt ſich auch oͤfters durch
Verruͤckungen der Finger ein allmaͤhlicher Uebergang von einer dieſer Geſtalten zur andern
bewuͤrken. Eben ſo ſind auch am Rande einer Scheibe Fig. 46. m n zwey ſchief gegen einan-
der laufende Enden von Linien, wie bey a, oder ein Stuͤck einer krummen Linie, wie bey b,
oder ein Stuͤck einer geraden Linie, wie bey c, gleichbedeutend, und koͤnnen ſich in einander
umaͤndern. Es gehoͤrt oͤfters einige Uebung dazu, um bey ſo mannigfaltigen Verzerrungen
die eigentliche Beſchaffenheit einer Schwingungsart, beſonders wenn ſie ſehr verwickelt iſt,
gehoͤrig zu beurtheilen.

Anm. Sollte man endlich dahin gelangen, die Schwingungen einer Scheibe aus allgemeinen me-
chaniſchen Principien beſtimmen zu koͤnnen, ſo wuͤrde der erſte Schritt wohl darin beſtehen muͤſſen,
daß man fuͤr [di]eſen Uebergang einer einfachen Bewegung einer Rectangelſcheibe, oder uͤberhaupt
eines Theils einer Scheibe, wo die Linien gerade ſind, Fig. 45. a und e, und wo man ſich die
Scheibe, oder den alſo ſchwingenden Theil einer Scheibe als ein Aggregat von unendlich vielen
Faſern gedenken kann, die mit einander parallel gehen, und ſich ſo wie ein freyer Stab bey ſeiner
erſten Schwingungsart Fig. 24. bewegen, zu ſolchen nicht mehr durch krumme Linien, ſondern
durch Flaͤchenkruͤmmungen auszudruͤckenden Bewegungen, wo die Knotenlinien ſich mehr oder we-
niger kruͤmmen Fig. 45. b und d, oder ſich auch rechtwinklich durchſchneiden koͤnnen, Fig. 45. c,
wobey jedoch die ſchwingenden Theile einerley relative Groͤße behalten, und alſo die Geſchwindig-
keit der Schwingungen nicht veraͤndert wird, einen allgemeinen Ausdruck zu finden ſuche. Haͤtte
man dieſen gefunden, ſo muͤßte man ihn auf zuſammengeſetztere Bewegungsarten anzuwenden,
und endlich auch zu beſtimmen ſuchen, was fuͤr Einfluß uͤberhaupt die Geſtalt der Scheibe auf die
Beſchaffenheit der Schwingungen habe. Es muͤßte auch bey ſolchen Unterſuchungen genau darauf
Ruͤckſicht genommen werden, in welcher Lage, und in welcher Geſtalt ſich die Mittelpuncte der
Schwingungen zeigen.
Die Vorſtellungsart Jacob Bernoulli’s, da er ſich eine Quadratſcheibe als ein netzfoͤrmiges
Gewebe von Faſern, die einander rechtwinklich durchkreutzen, gedacht hat, ſcheint nicht brauchbar
zu ſeyn, ſie hat auch in Nov. Act. Acad. Petrop. 1787. ganz unrichtige Reſultate gegeben.
Q 2
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[123/0157] durch nicht veraͤndert wird. Bey folchen Abaͤnderungen oder Verzerrungen der Klangfiguren koͤnnen zwey einander durchſchneidende Linien oder Theile von ſolchen Linien Fig. 45. c, ſich in ihrem Durchſchnittspuncte trennen, und auf zwey verſchiedene Arten mit einander verbinden, ſo daß ſie ſich als zwey krumme Linien wie Fig. 45. b oder d zeigen, die Kruͤmmungen koͤnnen auch noch flacher und die Linien endlich gerade und ganz mit einander parallel werden Fig. 45. a und e; eben ſo koͤnnen auch zwey nach der einen oder nach der andern Richtung mit einander parallel gehende Linien oder Theile von Linien Fig. 45. a und e ſich wie Fig. 45. b oder d kruͤm- men, und wenn die Kruͤmmung noch ſtaͤrker wird, endlich wie bey Fig. 45. c, einander recht- wintlich durchſchneiden. Man kann alſo Fig. 45. a, b, c, d, und e, welche die eigentlichen Grundzuͤge aller Abaͤnderungen ſind, als gleichartig anſchen, es laͤßt ſich auch oͤfters durch Verruͤckungen der Finger ein allmaͤhlicher Uebergang von einer dieſer Geſtalten zur andern bewuͤrken. Eben ſo ſind auch am Rande einer Scheibe Fig. 46. m n zwey ſchief gegen einan- der laufende Enden von Linien, wie bey a, oder ein Stuͤck einer krummen Linie, wie bey b, oder ein Stuͤck einer geraden Linie, wie bey c, gleichbedeutend, und koͤnnen ſich in einander umaͤndern. Es gehoͤrt oͤfters einige Uebung dazu, um bey ſo mannigfaltigen Verzerrungen die eigentliche Beſchaffenheit einer Schwingungsart, beſonders wenn ſie ſehr verwickelt iſt, gehoͤrig zu beurtheilen. Anm. Sollte man endlich dahin gelangen, die Schwingungen einer Scheibe aus allgemeinen me- chaniſchen Principien beſtimmen zu koͤnnen, ſo wuͤrde der erſte Schritt wohl darin beſtehen muͤſſen, daß man fuͤr dieſen Uebergang einer einfachen Bewegung einer Rectangelſcheibe, oder uͤberhaupt eines Theils einer Scheibe, wo die Linien gerade ſind, Fig. 45. a und e, und wo man ſich die Scheibe, oder den alſo ſchwingenden Theil einer Scheibe als ein Aggregat von unendlich vielen Faſern gedenken kann, die mit einander parallel gehen, und ſich ſo wie ein freyer Stab bey ſeiner erſten Schwingungsart Fig. 24. bewegen, zu ſolchen nicht mehr durch krumme Linien, ſondern durch Flaͤchenkruͤmmungen auszudruͤckenden Bewegungen, wo die Knotenlinien ſich mehr oder we- niger kruͤmmen Fig. 45. b und d, oder ſich auch rechtwinklich durchſchneiden koͤnnen, Fig. 45. c, wobey jedoch die ſchwingenden Theile einerley relative Groͤße behalten, und alſo die Geſchwindig- keit der Schwingungen nicht veraͤndert wird, einen allgemeinen Ausdruck zu finden ſuche. Haͤtte man dieſen gefunden, ſo muͤßte man ihn auf zuſammengeſetztere Bewegungsarten anzuwenden, und endlich auch zu beſtimmen ſuchen, was fuͤr Einfluß uͤberhaupt die Geſtalt der Scheibe auf die Beſchaffenheit der Schwingungen habe. Es muͤßte auch bey ſolchen Unterſuchungen genau darauf Ruͤckſicht genommen werden, in welcher Lage, und in welcher Geſtalt ſich die Mittelpuncte der Schwingungen zeigen. Die Vorſtellungsart Jacob Bernoulli’s, da er ſich eine Quadratſcheibe als ein netzfoͤrmiges Gewebe von Faſern, die einander rechtwinklich durchkreutzen, gedacht hat, ſcheint nicht brauchbar zu ſeyn, ſie hat auch in Nov. Act. Acad. Petrop. 1787. ganz unrichtige Reſultate gegeben. Q 2

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/157>, abgerufen am 04.12.2024.