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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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die Breite der Scheibe es zuläßt, und man an einer langen Seite mit gehöriger Genauigkeit
streicht, so kann man die Scheibe, (wiewohl mit mehrerer Schwierigkeit) auch nöthigen, so
zu schwingen, daß 2, 3, oder mehrere Knotenlinien der Länge nach gehen, wobey es sich von
selbst versteht, daß die Töne, welche unter sich ebendieselben Verhältnisse behalten, welche
vorher angegeben worden sind, höher seyn müssen, als wenn die Knotenlinien mit dem kürzern
Durchmesser parallel gehen. Bey allen diesen einfachern Schwingungsarten können öfters,
wie schon §. 105. im Allgemeinen ist bemerkt worden, die ihrer eigentlichen Bestimmung nach
geraden Knotenlinien sich krümmen, welche Krümmung der Linien auch so zunehmen kann,
daß zwey abwechselnd sich einander nähernde und von einander entfernende Linien endlich in
diagonaler Richtung sich rechtwinklich durchschneiden, durch welche Verzerrung der Linien das
Tonverhältniß meistens gar nicht, und in einigen Fällen nur sehr wenig verändert wird.
Obgleich bey dergleichen Verzerrungen der Knotenlinien die Schwingungsarten im Wesentlichen
ebendieselben sind, als wenn diese Linien gerade wären, so ist doch die bisherige Theorie der
Schwingungen nicht mehr zu Beurtheilung dieser Gestalweränderungen hinlänglich, indem
die Gestalt der Scheibe sich alsdenn nicht mehr durch eine krumme Linie ansdrücken läßt.

Außer den jetzterwähnten einfachern Schwingungsarten sind noch viele andere möglich,
die alle so beschaffen sind, daß die Gestalt der Scheibe nicht durch krumme Linien, sondern
nur durch Flächenkrümmungen würde können ausgedrückt werden, wenn man in der höhern
Mechanik und Analyse schon so weit wäre, daß man sie durch irgend eine Gleichung aus zu-
drücken wüßte. Bey diesen Schwingungsarten zeigen sich Knotenlinien in die Länge und
Quere zugleich, die einander meistens rechtwinklich schneiden, in manchen Fällen, aber auch
auf verschiedene Art sich abändern können.

Um solche Schwingungsarten wo eine Knotenlinie der Länge nach geht, die von
Querlinien durchschnitten ist, hervorzubringen, halte man die Scheibe an einer Stelle, wo
sich zwey Linien durchschneiden, (wobey es am besten seyn wird, wenn man die äußerste solche
Stelle hält), und streiche die Scheibe mit dem Violinbogen zwischen zwey Enden von
Querlinien, oder nahe an der nächsten Ecke.
Es kann die der Länge nach gehende
Knotenlinie von einer Querlinie durchschnitten seyn, Fig. 49, oder von zweyen Fig. 50, oder
auch von mehreren. Die Töne kommen an einem Rectangelstreifen, dessen Länge sich zur
Breite wenigstens wie 8 zu 1 verhält, oder auch noch beträchtlicher ist, ungefähr mit der Folge
der natürlichen Zahlen 1, 2, 3, 4 u. s. w. überein, sie verhalten sich also unter einander, wie

die Breite der Scheibe es zulaͤßt, und man an einer langen Seite mit gehoͤriger Genauigkeit
ſtreicht, ſo kann man die Scheibe, (wiewohl mit mehrerer Schwierigkeit) auch noͤthigen, ſo
zu ſchwingen, daß 2, 3, oder mehrere Knotenlinien der Laͤnge nach gehen, wobey es ſich von
ſelbſt verſteht, daß die Toͤne, welche unter ſich ebendieſelben Verhaͤltniſſe behalten, welche
vorher angegeben worden ſind, hoͤher ſeyn muͤſſen, als wenn die Knotenlinien mit dem kuͤrzern
Durchmeſſer parallel gehen. Bey allen dieſen einfachern Schwingungsarten koͤnnen oͤfters,
wie ſchon §. 105. im Allgemeinen iſt bemerkt worden, die ihrer eigentlichen Beſtimmung nach
geraden Knotenlinien ſich kruͤmmen, welche Kruͤmmung der Linien auch ſo zunehmen kann,
daß zwey abwechſelnd ſich einander naͤhernde und von einander entfernende Linien endlich in
diagonaler Richtung ſich rechtwinklich durchſchneiden, durch welche Verzerrung der Linien das
Tonverhaͤltniß meiſtens gar nicht, und in einigen Faͤllen nur ſehr wenig veraͤndert wird.
Obgleich bey dergleichen Verzerrungen der Knotenlinien die Schwingungsarten im Weſentlichen
ebendieſelben ſind, als wenn dieſe Linien gerade waͤren, ſo iſt doch die bisherige Theorie der
Schwingungen nicht mehr zu Beurtheilung dieſer Geſtalweraͤnderungen hinlaͤnglich, indem
die Geſtalt der Scheibe ſich alsdenn nicht mehr durch eine krumme Linie ansdruͤcken laͤßt.

Außer den jetzterwaͤhnten einfachern Schwingungsarten ſind noch viele andere moͤglich,
die alle ſo beſchaffen ſind, daß die Geſtalt der Scheibe nicht durch krumme Linien, ſondern
nur durch Flaͤchenkruͤmmungen wuͤrde koͤnnen ausgedruͤckt werden, wenn man in der hoͤhern
Mechanik und Analyſe ſchon ſo weit waͤre, daß man ſie durch irgend eine Gleichung aus zu-
druͤcken wuͤßte. Bey dieſen Schwingungsarten zeigen ſich Knotenlinien in die Laͤnge und
Quere zugleich, die einander meiſtens rechtwinklich ſchneiden, in manchen Faͤllen, aber auch
auf verſchiedene Art ſich abaͤndern koͤnnen.

Um ſolche Schwingungsarten wo eine Knotenlinie der Laͤnge nach geht, die von
Querlinien durchſchnitten iſt, hervorzubringen, halte man die Scheibe an einer Stelle, wo
ſich zwey Linien durchſchneiden, (wobey es am beſten ſeyn wird, wenn man die aͤußerſte ſolche
Stelle haͤlt), und ſtreiche die Scheibe mit dem Violinbogen zwiſchen zwey Enden von
Querlinien, oder nahe an der naͤchſten Ecke.
Es kann die der Laͤnge nach gehende
Knotenlinie von einer Querlinie durchſchnitten ſeyn, Fig. 49, oder von zweyen Fig. 50, oder
auch von mehreren. Die Toͤne kommen an einem Rectangelſtreifen, deſſen Laͤnge ſich zur
Breite wenigſtens wie 8 zu 1 verhaͤlt, oder auch noch betraͤchtlicher iſt, ungefaͤhr mit der Folge
der natuͤrlichen Zahlen 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein, ſie verhalten ſich alſo unter einander, wie

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[126/0160] die Breite der Scheibe es zulaͤßt, und man an einer langen Seite mit gehoͤriger Genauigkeit ſtreicht, ſo kann man die Scheibe, (wiewohl mit mehrerer Schwierigkeit) auch noͤthigen, ſo zu ſchwingen, daß 2, 3, oder mehrere Knotenlinien der Laͤnge nach gehen, wobey es ſich von ſelbſt verſteht, daß die Toͤne, welche unter ſich ebendieſelben Verhaͤltniſſe behalten, welche vorher angegeben worden ſind, hoͤher ſeyn muͤſſen, als wenn die Knotenlinien mit dem kuͤrzern Durchmeſſer parallel gehen. Bey allen dieſen einfachern Schwingungsarten koͤnnen oͤfters, wie ſchon §. 105. im Allgemeinen iſt bemerkt worden, die ihrer eigentlichen Beſtimmung nach geraden Knotenlinien ſich kruͤmmen, welche Kruͤmmung der Linien auch ſo zunehmen kann, daß zwey abwechſelnd ſich einander naͤhernde und von einander entfernende Linien endlich in diagonaler Richtung ſich rechtwinklich durchſchneiden, durch welche Verzerrung der Linien das Tonverhaͤltniß meiſtens gar nicht, und in einigen Faͤllen nur ſehr wenig veraͤndert wird. Obgleich bey dergleichen Verzerrungen der Knotenlinien die Schwingungsarten im Weſentlichen ebendieſelben ſind, als wenn dieſe Linien gerade waͤren, ſo iſt doch die bisherige Theorie der Schwingungen nicht mehr zu Beurtheilung dieſer Geſtalweraͤnderungen hinlaͤnglich, indem die Geſtalt der Scheibe ſich alsdenn nicht mehr durch eine krumme Linie ansdruͤcken laͤßt. Außer den jetzterwaͤhnten einfachern Schwingungsarten ſind noch viele andere moͤglich, die alle ſo beſchaffen ſind, daß die Geſtalt der Scheibe nicht durch krumme Linien, ſondern nur durch Flaͤchenkruͤmmungen wuͤrde koͤnnen ausgedruͤckt werden, wenn man in der hoͤhern Mechanik und Analyſe ſchon ſo weit waͤre, daß man ſie durch irgend eine Gleichung aus zu- druͤcken wuͤßte. Bey dieſen Schwingungsarten zeigen ſich Knotenlinien in die Laͤnge und Quere zugleich, die einander meiſtens rechtwinklich ſchneiden, in manchen Faͤllen, aber auch auf verſchiedene Art ſich abaͤndern koͤnnen. Um ſolche Schwingungsarten wo eine Knotenlinie der Laͤnge nach geht, die von Querlinien durchſchnitten iſt, hervorzubringen, halte man die Scheibe an einer Stelle, wo ſich zwey Linien durchſchneiden, (wobey es am beſten ſeyn wird, wenn man die aͤußerſte ſolche Stelle haͤlt), und ſtreiche die Scheibe mit dem Violinbogen zwiſchen zwey Enden von Querlinien, oder nahe an der naͤchſten Ecke. Es kann die der Laͤnge nach gehende Knotenlinie von einer Querlinie durchſchnitten ſeyn, Fig. 49, oder von zweyen Fig. 50, oder auch von mehreren. Die Toͤne kommen an einem Rectangelſtreifen, deſſen Laͤnge ſich zur Breite wenigſtens wie 8 zu 1 verhaͤlt, oder auch noch betraͤchtlicher iſt, ungefaͤhr mit der Folge der natuͤrlichen Zahlen 1, 2, 3, 4 u. ſ. w. uͤberein, ſie verhalten ſich alſo unter einander, wie

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 126. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/160>, abgerufen am 17.05.2024.