Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

Abbate Mazzocchi verfertigten Jnstrumente, wo Glocken mit 2 oder mehreren Violinbogen
gestrichen werden, gelesen hatte, aber die Jdee, den Violinbogen zu Untersuchung klingender
Körper anzuwenden, habe ich zuerst gehabt. Die Beobachtungen von Lichtenberg über die
Figuren, welche sich bey dem Aufstreuen des Harzstaubes auf Glas oder Harzscheiben bey
verschiedener Elek[t]ricität zeigen, (in den Commentarien der Göttingischen Societät der Wissen-
schaften) worüber ich auch verschiedene Versuche anstellte, erregten in mir den Gedanken, daß
vielleicht die mannigfaltigen schwingenden Bewegungen einer Scheibe sich ebenfalls durch eine
Verschiedenheit der Erscheinungen verrathen würden, wenn ich Sand oder etwas dem Achn-
liches aufstreute. Es erschien auch bey diesem Verfahren auf der vorhererwähnten Scheibe
eine sternförmige Figur, es folgte nun immer eine Beobachtung auf die andere, deren ich viele
sowohl über die Schwingungen der Scheiben, als auch über andere akustische Gegenstände in
einer Schrift: Entdeckungen über die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4.) bekannt machte.

Während ich mich mit diesen Untersuchungen beschäftigte und auch einige Zeit nach-
her, war meine Lage sehr unangenehm. Vermögen besaß ich nicht, indem die von Vielen
gemißbrauchte Wohlthätigkeit meines Vaters ihm nicht verstattet hatte, von seiner sehr guten
Einnahme etwas zurückzulegen; ich genoß keinen Gehalt von meinem Vaterlande, (wie ich
denn auch nachher nie einen erhalten habe); Gelegenheit, sich etwa durch Vorlesungen Vor-
theile zu verschaffen, findet sich in Wirrenberg nicht, weil Vorlesungen, einige sogenannte
Brodstudia etwa ausgenommen, entweder sehr gering, oder von den meisten gar nicht bezahlt
werden; ich hatte also weiter gar keine Unterstützung, außer von meiner Mutter, (so mag ich
meine Stiefmutter schicklicher nennen), welche aber auch dabey den größten Theil ihres Ver-
mögens nach und nach zusetzte; es wäre auch theils äußerst undankbar, theils unklug gewesen,
wenn ich sie, besonders bey ihren damaligen kränklichen Umständen, da sie an schrecklichen
Beängstigungen litt, (welche in der Folge durch die medicinische Hülfe meines Freundes, des
Doctor und Prof. Langguth, aufhörten), hätte verlassen wollen, so sehr ich auch noch eben so,
wie in den frühern Jahren, gewünscht hätte, mich weiter in der Welt umsehen zu können;
übrigens war gar keine Aussicht zu Verbesserung, sondern eher zu Verschlimmerung meiner
Lage vorhanden. Bey aller mir von der Natur verliehenen Anlage unter mäßig günstigen
Umständen froh zu seyn, wo ich fast keinen Begriff davon habe, wie man sich von innen heraus
Verdruß schaffen kann, war es unter diesen Umständen unmöglich, daß ich mich hätte meines
Daseyns freuen können. Jch ließ aber doch den Muth nicht ganz sinken, sondern bemühte

c

Abbate Mazzocchi verfertigten Jnſtrumente, wo Glocken mit 2 oder mehreren Violinbogen
geſtrichen werden, geleſen hatte, aber die Jdee, den Violinbogen zu Unterſuchung klingender
Koͤrper anzuwenden, habe ich zuerſt gehabt. Die Beobachtungen von Lichtenberg uͤber die
Figuren, welche ſich bey dem Aufſtreuen des Harzſtaubes auf Glas oder Harzſcheiben bey
verſchiedener Elek[t]ricitaͤt zeigen, (in den Commentarien der Goͤttingiſchen Societaͤt der Wiſſen-
ſchaften) woruͤber ich auch verſchiedene Verſuche anſtellte, erregten in mir den Gedanken, daß
vielleicht die mannigfaltigen ſchwingenden Bewegungen einer Scheibe ſich ebenfalls durch eine
Verſchiedenheit der Erſcheinungen verrathen wuͤrden, wenn ich Sand oder etwas dem Achn-
liches aufſtreute. Es erſchien auch bey dieſem Verfahren auf der vorhererwaͤhnten Scheibe
eine ſternfoͤrmige Figur, es folgte nun immer eine Beobachtung auf die andere, deren ich viele
ſowohl uͤber die Schwingungen der Scheiben, als auch uͤber andere akuſtiſche Gegenſtaͤnde in
einer Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4.) bekannt machte.

Waͤhrend ich mich mit dieſen Unterſuchungen beſchaͤftigte und auch einige Zeit nach-
her, war meine Lage ſehr unangenehm. Vermoͤgen beſaß ich nicht, indem die von Vielen
gemißbrauchte Wohlthaͤtigkeit meines Vaters ihm nicht verſtattet hatte, von ſeiner ſehr guten
Einnahme etwas zuruͤckzulegen; ich genoß keinen Gehalt von meinem Vaterlande, (wie ich
denn auch nachher nie einen erhalten habe); Gelegenheit, ſich etwa durch Vorleſungen Vor-
theile zu verſchaffen, findet ſich in Wirrenberg nicht, weil Vorleſungen, einige ſogenannte
Brodſtudia etwa ausgenommen, entweder ſehr gering, oder von den meiſten gar nicht bezahlt
werden; ich hatte alſo weiter gar keine Unterſtuͤtzung, außer von meiner Mutter, (ſo mag ich
meine Stiefmutter ſchicklicher nennen), welche aber auch dabey den groͤßten Theil ihres Ver-
moͤgens nach und nach zuſetzte; es waͤre auch theils aͤußerſt undankbar, theils unklug geweſen,
wenn ich ſie, beſonders bey ihren damaligen kraͤnklichen Umſtaͤnden, da ſie an ſchrecklichen
Beaͤngſtigungen litt, (welche in der Folge durch die mediciniſche Huͤlfe meines Freundes, des
Doctor und Prof. Langguth, aufhoͤrten), haͤtte verlaſſen wollen, ſo ſehr ich auch noch eben ſo,
wie in den fruͤhern Jahren, gewuͤnſcht haͤtte, mich weiter in der Welt umſehen zu koͤnnen;
uͤbrigens war gar keine Ausſicht zu Verbeſſerung, ſondern eher zu Verſchlimmerung meiner
Lage vorhanden. Bey aller mir von der Natur verliehenen Anlage unter maͤßig guͤnſtigen
Umſtaͤnden froh zu ſeyn, wo ich faſt keinen Begriff davon habe, wie man ſich von innen heraus
Verdruß ſchaffen kann, war es unter dieſen Umſtaͤnden unmoͤglich, daß ich mich haͤtte meines
Daſeyns freuen koͤnnen. Jch ließ aber doch den Muth nicht ganz ſinken, ſondern bemuͤhte

c
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0019" n="XVII"/>
Abbate Mazzocchi verfertigten Jn&#x017F;trumente, wo Glocken mit 2 oder mehreren Violinbogen<lb/>
ge&#x017F;trichen werden, gele&#x017F;en hatte, aber die Jdee, den Violinbogen zu Unter&#x017F;uchung klingender<lb/>
Ko&#x0364;rper anzuwenden, habe ich zuer&#x017F;t gehabt. Die Beobachtungen von Lichtenberg u&#x0364;ber die<lb/>
Figuren, welche &#x017F;ich bey dem Auf&#x017F;treuen des Harz&#x017F;taubes auf Glas oder Harz&#x017F;cheiben bey<lb/>
ver&#x017F;chiedener Elek<supplied>t</supplied>ricita&#x0364;t zeigen, (in den Commentarien der Go&#x0364;ttingi&#x017F;chen Societa&#x0364;t der Wi&#x017F;&#x017F;en-<lb/>
&#x017F;chaften) woru&#x0364;ber ich auch ver&#x017F;chiedene Ver&#x017F;uche an&#x017F;tellte, erregten in mir den Gedanken, daß<lb/>
vielleicht die mannigfaltigen &#x017F;chwingenden Bewegungen einer Scheibe &#x017F;ich ebenfalls durch eine<lb/>
Ver&#x017F;chiedenheit der Er&#x017F;cheinungen verrathen wu&#x0364;rden, wenn ich Sand oder etwas dem Achn-<lb/>
liches auf&#x017F;treute. Es er&#x017F;chien auch bey die&#x017F;em Verfahren auf der vorhererwa&#x0364;hnten Scheibe<lb/>
eine &#x017F;ternfo&#x0364;rmige Figur, es folgte nun immer eine Beobachtung auf die andere, deren ich viele<lb/>
&#x017F;owohl u&#x0364;ber die Schwingungen der Scheiben, als auch u&#x0364;ber andere aku&#x017F;ti&#x017F;che Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde in<lb/>
einer Schrift: Entdeckungen u&#x0364;ber die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4.) bekannt machte.</p><lb/>
        <p>Wa&#x0364;hrend ich mich mit die&#x017F;en Unter&#x017F;uchungen be&#x017F;cha&#x0364;ftigte und auch einige Zeit nach-<lb/>
her, war meine Lage &#x017F;ehr unangenehm. Vermo&#x0364;gen be&#x017F;aß ich nicht, indem die von Vielen<lb/>
gemißbrauchte Wohltha&#x0364;tigkeit meines Vaters ihm nicht ver&#x017F;tattet hatte, von &#x017F;einer &#x017F;ehr guten<lb/>
Einnahme etwas zuru&#x0364;ckzulegen; ich genoß keinen Gehalt von meinem Vaterlande, (wie ich<lb/>
denn auch nachher nie einen erhalten habe); Gelegenheit, &#x017F;ich etwa durch Vorle&#x017F;ungen Vor-<lb/>
theile zu ver&#x017F;chaffen, findet &#x017F;ich in Wirrenberg nicht, weil Vorle&#x017F;ungen, einige &#x017F;ogenannte<lb/>
Brod&#x017F;tudia etwa ausgenommen, entweder &#x017F;ehr gering, oder von den mei&#x017F;ten gar nicht bezahlt<lb/>
werden; ich hatte al&#x017F;o weiter gar keine Unter&#x017F;tu&#x0364;tzung, außer von meiner Mutter, (&#x017F;o mag ich<lb/>
meine Stiefmutter &#x017F;chicklicher nennen), welche aber auch dabey den gro&#x0364;ßten Theil ihres Ver-<lb/>
mo&#x0364;gens nach und nach zu&#x017F;etzte; es wa&#x0364;re auch theils a&#x0364;ußer&#x017F;t undankbar, theils unklug gewe&#x017F;en,<lb/>
wenn ich &#x017F;ie, be&#x017F;onders bey ihren damaligen kra&#x0364;nklichen Um&#x017F;ta&#x0364;nden, da &#x017F;ie an &#x017F;chrecklichen<lb/>
Bea&#x0364;ng&#x017F;tigungen litt, (welche in der Folge durch die medicini&#x017F;che Hu&#x0364;lfe meines Freundes, des<lb/>
Doctor und Prof. Langguth, aufho&#x0364;rten), ha&#x0364;tte verla&#x017F;&#x017F;en wollen, &#x017F;o &#x017F;ehr ich auch noch eben &#x017F;o,<lb/>
wie in den fru&#x0364;hern Jahren, gewu&#x0364;n&#x017F;cht ha&#x0364;tte, mich weiter in der Welt um&#x017F;ehen zu ko&#x0364;nnen;<lb/>
u&#x0364;brigens war gar keine Aus&#x017F;icht zu Verbe&#x017F;&#x017F;erung, &#x017F;ondern eher zu Ver&#x017F;chlimmerung meiner<lb/>
Lage vorhanden. Bey aller mir von der Natur verliehenen Anlage unter ma&#x0364;ßig gu&#x0364;n&#x017F;tigen<lb/>
Um&#x017F;ta&#x0364;nden froh zu &#x017F;eyn, wo ich fa&#x017F;t keinen Begriff davon habe, wie man &#x017F;ich von innen heraus<lb/>
Verdruß &#x017F;chaffen kann, war es unter die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden unmo&#x0364;glich, daß ich mich ha&#x0364;tte meines<lb/>
Da&#x017F;eyns freuen ko&#x0364;nnen. Jch ließ aber doch den Muth nicht ganz &#x017F;inken, &#x017F;ondern bemu&#x0364;hte<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">c</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[XVII/0019] Abbate Mazzocchi verfertigten Jnſtrumente, wo Glocken mit 2 oder mehreren Violinbogen geſtrichen werden, geleſen hatte, aber die Jdee, den Violinbogen zu Unterſuchung klingender Koͤrper anzuwenden, habe ich zuerſt gehabt. Die Beobachtungen von Lichtenberg uͤber die Figuren, welche ſich bey dem Aufſtreuen des Harzſtaubes auf Glas oder Harzſcheiben bey verſchiedener Elektricitaͤt zeigen, (in den Commentarien der Goͤttingiſchen Societaͤt der Wiſſen- ſchaften) woruͤber ich auch verſchiedene Verſuche anſtellte, erregten in mir den Gedanken, daß vielleicht die mannigfaltigen ſchwingenden Bewegungen einer Scheibe ſich ebenfalls durch eine Verſchiedenheit der Erſcheinungen verrathen wuͤrden, wenn ich Sand oder etwas dem Achn- liches aufſtreute. Es erſchien auch bey dieſem Verfahren auf der vorhererwaͤhnten Scheibe eine ſternfoͤrmige Figur, es folgte nun immer eine Beobachtung auf die andere, deren ich viele ſowohl uͤber die Schwingungen der Scheiben, als auch uͤber andere akuſtiſche Gegenſtaͤnde in einer Schrift: Entdeckungen uͤber die Theorie des Klanges (Leipzig 1787. 4.) bekannt machte. Waͤhrend ich mich mit dieſen Unterſuchungen beſchaͤftigte und auch einige Zeit nach- her, war meine Lage ſehr unangenehm. Vermoͤgen beſaß ich nicht, indem die von Vielen gemißbrauchte Wohlthaͤtigkeit meines Vaters ihm nicht verſtattet hatte, von ſeiner ſehr guten Einnahme etwas zuruͤckzulegen; ich genoß keinen Gehalt von meinem Vaterlande, (wie ich denn auch nachher nie einen erhalten habe); Gelegenheit, ſich etwa durch Vorleſungen Vor- theile zu verſchaffen, findet ſich in Wirrenberg nicht, weil Vorleſungen, einige ſogenannte Brodſtudia etwa ausgenommen, entweder ſehr gering, oder von den meiſten gar nicht bezahlt werden; ich hatte alſo weiter gar keine Unterſtuͤtzung, außer von meiner Mutter, (ſo mag ich meine Stiefmutter ſchicklicher nennen), welche aber auch dabey den groͤßten Theil ihres Ver- moͤgens nach und nach zuſetzte; es waͤre auch theils aͤußerſt undankbar, theils unklug geweſen, wenn ich ſie, beſonders bey ihren damaligen kraͤnklichen Umſtaͤnden, da ſie an ſchrecklichen Beaͤngſtigungen litt, (welche in der Folge durch die mediciniſche Huͤlfe meines Freundes, des Doctor und Prof. Langguth, aufhoͤrten), haͤtte verlaſſen wollen, ſo ſehr ich auch noch eben ſo, wie in den fruͤhern Jahren, gewuͤnſcht haͤtte, mich weiter in der Welt umſehen zu koͤnnen; uͤbrigens war gar keine Ausſicht zu Verbeſſerung, ſondern eher zu Verſchlimmerung meiner Lage vorhanden. Bey aller mir von der Natur verliehenen Anlage unter maͤßig guͤnſtigen Umſtaͤnden froh zu ſeyn, wo ich faſt keinen Begriff davon habe, wie man ſich von innen heraus Verdruß ſchaffen kann, war es unter dieſen Umſtaͤnden unmoͤglich, daß ich mich haͤtte meines Daſeyns freuen koͤnnen. Jch ließ aber doch den Muth nicht ganz ſinken, ſondern bemuͤhte c

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/19
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. XVII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/19>, abgerufen am 24.11.2024.