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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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bey einer Kanonenkugel als ein Saufen, und bey einer Flintenkugel als ein Pfeifen oder
Zischen bemerkbar ist, und wobey sich auch meistens die von der Verschiedenheit der Größe
des fortgehenden Körpers abhängende Tiefe oder Höhe des Tones einigermaßen bestimmen
läßt. Eine solche Kugel würkt nähmlich außer einer Verdrängung der in der Richtung ihrer
Bahn befindlichen Lufttheile und einem Wiedereindringen der Luft in den zurückgelassenen Raum
auch auf die seitwärts befindlichen Lufttheile durch ihre Reibung ungefähr so, wie ein Vio-
linbogen die damit gestrichenen Körper, oder wie an einer Orgelpfeife die eingeblasene und
durch eine Queröffnung wieder ausgehende Luft die übrige Luft, welche sich in derselben
befindet, durch ihr Vorbeystreichen in zitternde Bewegung setzt. Etwas ähnliches geschicht
auch, wenn man mit einem Stabe durch die Luft schnell hauet, wo die nur sehr unvollkom-
men zu bestimmende Höhe und Tiefe des Tones, soviel ich bey einigen an parallelepipedischen
und cylindrischen Stäben angestellten Versuchen bemerken konnte, hauptsächlich von der Breite
der Fläche abhängt, von welcher die Luft durchschnitten wird.

244.

Bey zwey oder mehreren zugleich vorhandenen Tönen empfindet das Gehör (§. 9.) die
verhältnißmäßigen Geschwindigkeiten, mit welchen die Schwingungen geschehen,
wobey sich das Zusammentreffen der Schwingungen nach §. 186--188. bey hinlänglicher Stille
und Aufmerksamkeit durch das Gefühl eines mit den Zeiträumen des Zusammentreffens über-
einkommenden schwach jedoch öfters sehr deutlich mitklingenden tiefern Tones zu erkennen giebt.
Alle Würkung der Töne auf uns beruht darauf, daß (wie im zweyten Theile von Herder's
Kalligone S. 154. sehr richtig gesagt wird) wir uns nach Verhältnissen, d. i. angenehm be-
wegt oder geschwungen fühlen. Wir empfinden nähmlich hier die Zeitverhältnisse successwer
Bewegungen, so wie durch das Gesicht die Verhältnisse coexistirender Gegenstände im Raume;
wir rechnen dabey nicht selbst (nähmlich so, daß wir uns etwa um die Zahlen, durch welche
sich die Zeit- oder Raumverhältnisse ausdrücken lassen, bekümmerten), sondern die Natur
rechnet gewissermaßen für uns, und die Resultate der unter sich harmonirenden (d. i. entweder
sehr einfachen, oder bey mehrerer Mannigfaltigkeit doch auf etwas einfacheres sich beziehenden)
Verhältnisse werden von uns mit Wohlgefallen wahrgenommen, und von Künstlern zweckmäßig
verarbeitet, wie es unstreitig auch Leibnitz in der §. 9. angeführten Stelle hat wollen
verstanden wissen. Die einfachsten Verhältnisse, oder die consonirenden sind uns für sich ange-
nehm, sie würden aber, wenn man von ihnen allein wollte Gebrauch machen, uns durch ihre

bey einer Kanonenkugel als ein Saufen, und bey einer Flintenkugel als ein Pfeifen oder
Ziſchen bemerkbar iſt, und wobey ſich auch meiſtens die von der Verſchiedenheit der Groͤße
des fortgehenden Koͤrpers abhaͤngende Tiefe oder Hoͤhe des Tones einigermaßen beſtimmen
laͤßt. Eine ſolche Kugel wuͤrkt naͤhmlich außer einer Verdraͤngung der in der Richtung ihrer
Bahn befindlichen Lufttheile und einem Wiedereindringen der Luft in den zuruͤckgelaſſenen Raum
auch auf die ſeitwaͤrts befindlichen Lufttheile durch ihre Reibung ungefaͤhr ſo, wie ein Vio-
linbogen die damit geſtrichenen Koͤrper, oder wie an einer Orgelpfeife die eingeblaſene und
durch eine Queroͤffnung wieder ausgehende Luft die uͤbrige Luft, welche ſich in derſelben
befindet, durch ihr Vorbeyſtreichen in zitternde Bewegung ſetzt. Etwas aͤhnliches geſchicht
auch, wenn man mit einem Stabe durch die Luft ſchnell hauet, wo die nur ſehr unvollkom-
men zu beſtimmende Hoͤhe und Tiefe des Tones, ſoviel ich bey einigen an parallelepipediſchen
und cylindriſchen Staͤben angeſtellten Verſuchen bemerken konnte, hauptſaͤchlich von der Breite
der Flaͤche abhaͤngt, von welcher die Luft durchſchnitten wird.

244.

Bey zwey oder mehreren zugleich vorhandenen Toͤnen empfindet das Gehoͤr (§. 9.) die
verhaͤltnißmaͤßigen Geſchwindigkeiten, mit welchen die Schwingungen geſchehen,
wobey ſich das Zuſammentreffen der Schwingungen nach §. 186—188. bey hinlaͤnglicher Stille
und Aufmerkſamkeit durch das Gefuͤhl eines mit den Zeitraͤumen des Zuſammentreffens uͤber-
einkommenden ſchwach jedoch oͤfters ſehr deutlich mitklingenden tiefern Tones zu erkennen giebt.
Alle Wuͤrkung der Toͤne auf uns beruht darauf, daß (wie im zweyten Theile von Herder’s
Kalligone S. 154. ſehr richtig geſagt wird) wir uns nach Verhaͤltniſſen, d. i. angenehm be-
wegt oder geſchwungen fuͤhlen. Wir empfinden naͤhmlich hier die Zeitverhaͤltniſſe ſucceſſwer
Bewegungen, ſo wie durch das Geſicht die Verhaͤltniſſe coexiſtirender Gegenſtaͤnde im Raume;
wir rechnen dabey nicht ſelbſt (naͤhmlich ſo, daß wir uns etwa um die Zahlen, durch welche
ſich die Zeit- oder Raumverhaͤltniſſe ausdruͤcken laſſen, bekuͤmmerten), ſondern die Natur
rechnet gewiſſermaßen fuͤr uns, und die Reſultate der unter ſich harmonirenden (d. i. entweder
ſehr einfachen, oder bey mehrerer Mannigfaltigkeit doch auf etwas einfacheres ſich beziehenden)
Verhaͤltniſſe werden von uns mit Wohlgefallen wahrgenommen, und von Kuͤnſtlern zweckmaͤßig
verarbeitet, wie es unſtreitig auch Leibnitz in der §. 9. angefuͤhrten Stelle hat wollen
verſtanden wiſſen. Die einfachſten Verhaͤltniſſe, oder die conſonirenden ſind uns fuͤr ſich ange-
nehm, ſie wuͤrden aber, wenn man von ihnen allein wollte Gebrauch machen, uns durch ihre

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[292/0326] bey einer Kanonenkugel als ein Saufen, und bey einer Flintenkugel als ein Pfeifen oder Ziſchen bemerkbar iſt, und wobey ſich auch meiſtens die von der Verſchiedenheit der Groͤße des fortgehenden Koͤrpers abhaͤngende Tiefe oder Hoͤhe des Tones einigermaßen beſtimmen laͤßt. Eine ſolche Kugel wuͤrkt naͤhmlich außer einer Verdraͤngung der in der Richtung ihrer Bahn befindlichen Lufttheile und einem Wiedereindringen der Luft in den zuruͤckgelaſſenen Raum auch auf die ſeitwaͤrts befindlichen Lufttheile durch ihre Reibung ungefaͤhr ſo, wie ein Vio- linbogen die damit geſtrichenen Koͤrper, oder wie an einer Orgelpfeife die eingeblaſene und durch eine Queroͤffnung wieder ausgehende Luft die uͤbrige Luft, welche ſich in derſelben befindet, durch ihr Vorbeyſtreichen in zitternde Bewegung ſetzt. Etwas aͤhnliches geſchicht auch, wenn man mit einem Stabe durch die Luft ſchnell hauet, wo die nur ſehr unvollkom- men zu beſtimmende Hoͤhe und Tiefe des Tones, ſoviel ich bey einigen an parallelepipediſchen und cylindriſchen Staͤben angeſtellten Verſuchen bemerken konnte, hauptſaͤchlich von der Breite der Flaͤche abhaͤngt, von welcher die Luft durchſchnitten wird. 244. Bey zwey oder mehreren zugleich vorhandenen Toͤnen empfindet das Gehoͤr (§. 9.) die verhaͤltnißmaͤßigen Geſchwindigkeiten, mit welchen die Schwingungen geſchehen, wobey ſich das Zuſammentreffen der Schwingungen nach §. 186—188. bey hinlaͤnglicher Stille und Aufmerkſamkeit durch das Gefuͤhl eines mit den Zeitraͤumen des Zuſammentreffens uͤber- einkommenden ſchwach jedoch oͤfters ſehr deutlich mitklingenden tiefern Tones zu erkennen giebt. Alle Wuͤrkung der Toͤne auf uns beruht darauf, daß (wie im zweyten Theile von Herder’s Kalligone S. 154. ſehr richtig geſagt wird) wir uns nach Verhaͤltniſſen, d. i. angenehm be- wegt oder geſchwungen fuͤhlen. Wir empfinden naͤhmlich hier die Zeitverhaͤltniſſe ſucceſſwer Bewegungen, ſo wie durch das Geſicht die Verhaͤltniſſe coexiſtirender Gegenſtaͤnde im Raume; wir rechnen dabey nicht ſelbſt (naͤhmlich ſo, daß wir uns etwa um die Zahlen, durch welche ſich die Zeit- oder Raumverhaͤltniſſe ausdruͤcken laſſen, bekuͤmmerten), ſondern die Natur rechnet gewiſſermaßen fuͤr uns, und die Reſultate der unter ſich harmonirenden (d. i. entweder ſehr einfachen, oder bey mehrerer Mannigfaltigkeit doch auf etwas einfacheres ſich beziehenden) Verhaͤltniſſe werden von uns mit Wohlgefallen wahrgenommen, und von Kuͤnſtlern zweckmaͤßig verarbeitet, wie es unſtreitig auch Leibnitz in der §. 9. angefuͤhrten Stelle hat wollen verſtanden wiſſen. Die einfachſten Verhaͤltniſſe, oder die conſonirenden ſind uns fuͤr ſich ange- nehm, ſie wuͤrden aber, wenn man von ihnen allein wollte Gebrauch machen, uns durch ihre

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/326>, abgerufen am 05.12.2024.