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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

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Anm. Von den Gesetzen der Pendelschwingungen, welche ich zu Vermeldung der Weitläuftrgkeit
nicht weiter erörtere, kann man sich am besten unterrichten aus Gehlers physicalischem Wörtet-
bnche, bey den Worten: Fall und Pendel; aus dem 2ten Abschnitte von Kästners höherer
Mechanik, wie auch aus den Aufsätzen von Euler de minimis oscillationibus corporum in
Comment. Petrop. tom VII.
und de motu oscillatorio corporum flexibilium in Comment.
Petropol. tom. XIII,
und von Johann Bernoulli de chordis vibrantibus in Comment.
Petrop. tom. III.

Die Schwingungen eines klingenden Körpers müßten eigentlich, um mit vollkommener Ge-
nauigkeit gleichzeitig zu seyn, eben so wie auch die Schwingungen eines Pendeis, unendlich
klein
seyn. Da aber dieses in der Würklichkeit nicht Statt findet, und eine unendlich kleine
Bewegung, die in einer endlichen Zeit geschieht, eigentlich als gar keine Bewegung würde anzu-
schen seyn, so ist es genug, wenn die Schwingungen sehr klein sind, die Abweichung von der
strengsten Genauigkeit wird sodann ganz unmerklich seyn. Bey einem Bogen von 1 Grade wird
die Dauer einer jeden Schwingung etwa , bey einem Bogen von 2 Graden etwa
weniger betragen. Wenn in den Kupfertafeln die Schwingungen einer Saite oder eines Stabes
u. s. w. weit größer dargestellt werden, als sie in det Würklichkeit sind, so geschieht dieses nur
mehrerer Deutlichkeit wegen.

Wenn ein Pendel nicht, wie gewöhnlich, in einem Cirkelbogen, sondern in der (durch Um-
drehung eines Kreises auf einer geraden Linie entstehenden) Cycloide schwingt, sind alle Schwin-
gungen von gleicher Dauer, der Bogen mag so groß oder so klein seyn als man wolle, daher
diese krumme Linie auch linea tautochrona genennt wird, welches ich deswegen erwähne, weil
der Ausdruck mancher Schriftsteller, da sie einen klingenden Körper um die Anzahl seiner Schwin-
gungen zu finden, mit einem in einer Cycloide schwingenden Pendel vergleichen, sonst manchem
Leser undeutlich seyn möchte.

47.

Die größte Verschiedenheit der schwingenden Bewegungen zeigt sich in ihrer Rich-
tung,
welche entweder transversal, oder longitudinal oder drehend seyn kann.

48.

Bey den Transversalschwingungen bewegt sich der klingende Körper, oder
jeder' seiner Theile seitwärts nach abwechselnden Richtungen, so daß, während ein Theil
desselben von der Axe, d. i. von der ursprünglichen Lage abwärts nach einer Seite zu schwingt,
der benachbarte Theil jenseits des ruhigbleibenden Schwingungsknoteus sich auf der entgegen-
gesetzten Seite der Axe befindet; die Durchmesser der Schwingungen machen also mit der Axe
einen rechten Winkel. Es können die Transverfalschwingungen nach Beschaffenheit der klin-
genden Körper sehr verschieden seyn. Die klingenden Körper, an welchen dergleichen

Anm. Von den Geſetzen der Pendelſchwingungen, welche ich zu Vermeldung der Weitlaͤuftrgkeit
nicht weiter eroͤrtere, kann man ſich am beſten unterrichten aus Gehlers phyſicaliſchem Woͤrtet-
bnche, bey den Worten: Fall und Pendel; aus dem 2ten Abſchnitte von Kaͤſtners hoͤherer
Mechanik, wie auch aus den Aufſaͤtzen von Euler de minimis oscillationibus corporum in
Comment. Petrop. tom VII.
und de motu oscillatorio corporum flexibilium in Comment.
Petropol. tom. XIII,
und von Johann Bernoulli de chordis vibrantibus in Comment.
Petrop. tom. III.

Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers muͤßten eigentlich, um mit vollkommener Ge-
nauigkeit gleichzeitig zu ſeyn, eben ſo wie auch die Schwingungen eines Pendeis, unendlich
klein
ſeyn. Da aber dieſes in der Wuͤrklichkeit nicht Statt findet, und eine unendlich kleine
Bewegung, die in einer endlichen Zeit geſchieht, eigentlich als gar keine Bewegung wuͤrde anzu-
ſchen ſeyn, ſo iſt es genug, wenn die Schwingungen ſehr klein ſind, die Abweichung von der
ſtrengſten Genauigkeit wird ſodann ganz unmerklich ſeyn. Bey einem Bogen von 1 Grade wird
die Dauer einer jeden Schwingung etwa , bey einem Bogen von 2 Graden etwa
weniger betragen. Wenn in den Kupfertafeln die Schwingungen einer Saite oder eines Stabes
u. ſ. w. weit groͤßer dargeſtellt werden, als ſie in det Wuͤrklichkeit ſind, ſo geſchieht dieſes nur
mehrerer Deutlichkeit wegen.

Wenn ein Pendel nicht, wie gewoͤhnlich, in einem Cirkelbogen, ſondern in der (durch Um-
drehung eines Kreiſes auf einer geraden Linie entſtehenden) Cycloide ſchwingt, ſind alle Schwin-
gungen von gleicher Dauer, der Bogen mag ſo groß oder ſo klein ſeyn als man wolle, daher
dieſe krumme Linie auch linea tautochrona genennt wird, welches ich deswegen erwaͤhne, weil
der Ausdruck mancher Schriftſteller, da ſie einen klingenden Koͤrper um die Anzahl ſeiner Schwin-
gungen zu finden, mit einem in einer Cycloide ſchwingenden Pendel vergleichen, ſonſt manchem
Leſer undeutlich ſeyn moͤchte.

47.

Die groͤßte Verſchiedenheit der ſchwingenden Bewegungen zeigt ſich in ihrer Rich-
tung,
welche entweder transverſal, oder longitudinal oder drehend ſeyn kann.

48.

Bey den Transverſalſchwingungen bewegt ſich der klingende Koͤrper, oder
jeder’ ſeiner Theile ſeitwaͤrts nach abwechſelnden Richtungen, ſo daß, waͤhrend ein Theil
deſſelben von der Axe, d. i. von der urſpruͤnglichen Lage abwaͤrts nach einer Seite zu ſchwingt,
der benachbarte Theil jenſeits des ruhigbleibenden Schwingungsknoteus ſich auf der entgegen-
geſetzten Seite der Axe befindet; die Durchmeſſer der Schwingungen machen alſo mit der Axe
einen rechten Winkel. Es koͤnnen die Transverfalſchwingungen nach Beſchaffenheit der klin-
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[63/0097] Anm. Von den Geſetzen der Pendelſchwingungen, welche ich zu Vermeldung der Weitlaͤuftrgkeit nicht weiter eroͤrtere, kann man ſich am beſten unterrichten aus Gehlers phyſicaliſchem Woͤrtet- bnche, bey den Worten: Fall und Pendel; aus dem 2ten Abſchnitte von Kaͤſtners hoͤherer Mechanik, wie auch aus den Aufſaͤtzen von Euler de minimis oscillationibus corporum in Comment. Petrop. tom VII. und de motu oscillatorio corporum flexibilium in Comment. Petropol. tom. XIII, und von Johann Bernoulli de chordis vibrantibus in Comment. Petrop. tom. III. Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers muͤßten eigentlich, um mit vollkommener Ge- nauigkeit gleichzeitig zu ſeyn, eben ſo wie auch die Schwingungen eines Pendeis, unendlich klein ſeyn. Da aber dieſes in der Wuͤrklichkeit nicht Statt findet, und eine unendlich kleine Bewegung, die in einer endlichen Zeit geſchieht, eigentlich als gar keine Bewegung wuͤrde anzu- ſchen ſeyn, ſo iſt es genug, wenn die Schwingungen ſehr klein ſind, die Abweichung von der ſtrengſten Genauigkeit wird ſodann ganz unmerklich ſeyn. Bey einem Bogen von 1 Grade wird die Dauer einer jeden Schwingung etwa [FORMEL], bey einem Bogen von 2 Graden etwa [FORMEL] weniger betragen. Wenn in den Kupfertafeln die Schwingungen einer Saite oder eines Stabes u. ſ. w. weit groͤßer dargeſtellt werden, als ſie in det Wuͤrklichkeit ſind, ſo geſchieht dieſes nur mehrerer Deutlichkeit wegen. Wenn ein Pendel nicht, wie gewoͤhnlich, in einem Cirkelbogen, ſondern in der (durch Um- drehung eines Kreiſes auf einer geraden Linie entſtehenden) Cycloide ſchwingt, ſind alle Schwin- gungen von gleicher Dauer, der Bogen mag ſo groß oder ſo klein ſeyn als man wolle, daher dieſe krumme Linie auch linea tautochrona genennt wird, welches ich deswegen erwaͤhne, weil der Ausdruck mancher Schriftſteller, da ſie einen klingenden Koͤrper um die Anzahl ſeiner Schwin- gungen zu finden, mit einem in einer Cycloide ſchwingenden Pendel vergleichen, ſonſt manchem Leſer undeutlich ſeyn moͤchte. 47. Die groͤßte Verſchiedenheit der ſchwingenden Bewegungen zeigt ſich in ihrer Rich- tung, welche entweder transverſal, oder longitudinal oder drehend ſeyn kann. 48. Bey den Transverſalſchwingungen bewegt ſich der klingende Koͤrper, oder jeder’ ſeiner Theile ſeitwaͤrts nach abwechſelnden Richtungen, ſo daß, waͤhrend ein Theil deſſelben von der Axe, d. i. von der urſpruͤnglichen Lage abwaͤrts nach einer Seite zu ſchwingt, der benachbarte Theil jenſeits des ruhigbleibenden Schwingungsknoteus ſich auf der entgegen- geſetzten Seite der Axe befindet; die Durchmeſſer der Schwingungen machen alſo mit der Axe einen rechten Winkel. Es koͤnnen die Transverfalſchwingungen nach Beſchaffenheit der klin- genden Koͤrper ſehr verſchieden ſeyn. Die klingenden Koͤrper, an welchen dergleichen

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/97>, abgerufen am 17.05.2024.