Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802.

Bild:
<< vorherige Seite

befindet, ist in einigen Fällen halb so groß, in andern beynahe halb so groß, als einer, der
zwischen zwey festen Gränzen enthalten ist. Nachdem die Anzahl der schwingenden Theile
größer, und also jeder derselben kleiner ist, sind auch die Schwingungen verhältnißmäßig
geschwinder, und also die Töne höher. Mehrere Arten der schwingenden Bewegung, und
also auch mehrere Töne, können zugleich an einem klingenden Körper Statt finden, ohne daß
eine dieser Bewegungen die andere hindert, es können auch die Schwingungen des klingenden
Körpers mit noch andern Arten der Bewegung verbunden seyn.

1. Anm. Der Jnhalt dieses §. ist besonders wohl zu bemerken, weil fast alles, was in diesem
Theile über die Schwingungen verschiedener klingenden Körper kann gesagt werden, nichts anders,
als eine weitere Ausführung der darin enthaltenen Sätze ist.
2. Anm. Wenn man von einem klingenden Körper sagt, er gebe einen gewissen Ton, so ist es nur
so zu verstehn, daß er bey einer gewissen Schwingungsart, welches gewöhnlich die einfachste ist,
diesen Ton gebe. Es ist eine ganz falsche Vorstellungsart, wenn man irgend einen Ton, den
ein klingender Körper giebt, absolut als Grundton, und die andern als Nebentöne ansehen will,
indem jede Schwingungsart, die derselbe Körper annehmen kann, in gleichem Grade als ein eigner
Klang zu betrachten ist. Jn der Theorie kann man füglich annehmen, daß jeder klingende Körper
unendlich viele Töne geben könne, aber deren würkliche Darstellung durch menschliche Kräfte, und
deren deutliche Empfindung hat ihre Gränzen.
46.

Die Schwingungen eines klingenden Körpers beruhen auf ebendenselben Bewegungs-
gesetzen, wie die Schwingungen eines Pendels, bey diesem liegt die Ursache der Schwingun-
gen in der Schwerkraft, bey klingenden Körpern aber in ihrer Elasticität. Um zu bestimmen,
wie viele Schwingungen ein klingender Körper in einer Secunde macht, vergleicht man ihn
mit einem einfachen Pendel, man multiplicirt nähmlich die Formel, durch welche die verhält-
nißmäßige Zahl der Schwingungen desselben bey einer gewissen Schwingungsart ausgedrückt
wird, mit der Quadratwurzel der Länge eines Secundenpendels, welche im Rheinländischen
Maaße 3,166 Fuß beträgt, und mit dem Verhältnisse der Peripherie eines Zirkels zu seinem
Durchmesser, welches = ist; oder welches ebendasselbe ist, mit der Quadratwurzel der
doppelten Höhe, durch welche ein schwerer Körper in einer Secunde frey herabfällt, welche in
Rheinländischem Maaße ungefähr zweymahl 15,624, oder 31,248 Fuß beträgt, es ist nähmlich
sqrt31248 = sqrt3166 x . Es versteht sich von selbst, daß die Dimensionen des klingenden
Körpers hierbey nach eben demselben Maaßstabe müssen ausgedrückt werden, wie die Länge
des einfachen Pendels, oder die Fallhöhe schwerer Körper.

befindet, iſt in einigen Faͤllen halb ſo groß, in andern beynahe halb ſo groß, als einer, der
zwiſchen zwey feſten Graͤnzen enthalten iſt. Nachdem die Anzahl der ſchwingenden Theile
groͤßer, und alſo jeder derſelben kleiner iſt, ſind auch die Schwingungen verhaͤltnißmaͤßig
geſchwinder, und alſo die Toͤne hoͤher. Mehrere Arten der ſchwingenden Bewegung, und
alſo auch mehrere Toͤne, koͤnnen zugleich an einem klingenden Koͤrper Statt finden, ohne daß
eine dieſer Bewegungen die andere hindert, es koͤnnen auch die Schwingungen des klingenden
Koͤrpers mit noch andern Arten der Bewegung verbunden ſeyn.

1. Anm. Der Jnhalt dieſes §. iſt beſonders wohl zu bemerken, weil faſt alles, was in dieſem
Theile uͤber die Schwingungen verſchiedener klingenden Koͤrper kann geſagt werden, nichts anders,
als eine weitere Ausfuͤhrung der darin enthaltenen Saͤtze iſt.
2. Anm. Wenn man von einem klingenden Koͤrper ſagt, er gebe einen gewiſſen Ton, ſo iſt es nur
ſo zu verſtehn, daß er bey einer gewiſſen Schwingungsart, welches gewoͤhnlich die einfachſte iſt,
dieſen Ton gebe. Es iſt eine ganz falſche Vorſtellungsart, wenn man irgend einen Ton, den
ein klingender Koͤrper giebt, abſolut als Grundton, und die andern als Nebentoͤne anſehen will,
indem jede Schwingungsart, die derſelbe Koͤrper annehmen kann, in gleichem Grade als ein eigner
Klang zu betrachten iſt. Jn der Theorie kann man fuͤglich annehmen, daß jeder klingende Koͤrper
unendlich viele Toͤne geben koͤnne, aber deren wuͤrkliche Darſtellung durch menſchliche Kraͤfte, und
deren deutliche Empfindung hat ihre Graͤnzen.
46.

Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers beruhen auf ebendenſelben Bewegungs-
geſetzen, wie die Schwingungen eines Pendels, bey dieſem liegt die Urſache der Schwingun-
gen in der Schwerkraft, bey klingenden Koͤrpern aber in ihrer Elaſticitaͤt. Um zu beſtimmen,
wie viele Schwingungen ein klingender Koͤrper in einer Secunde macht, vergleicht man ihn
mit einem einfachen Pendel, man multiplicirt naͤhmlich die Formel, durch welche die verhaͤlt-
nißmaͤßige Zahl der Schwingungen deſſelben bey einer gewiſſen Schwingungsart ausgedruͤckt
wird, mit der Quadratwurzel der Laͤnge eines Secundenpendels, welche im Rheinlaͤndiſchen
Maaße 3,166 Fuß betraͤgt, und mit dem Verhaͤltniſſe der Peripherie eines Zirkels zu ſeinem
Durchmeſſer, welches = iſt; oder welches ebendaſſelbe iſt, mit der Quadratwurzel der
doppelten Hoͤhe, durch welche ein ſchwerer Koͤrper in einer Secunde frey herabfaͤllt, welche in
Rheinlaͤndiſchem Maaße ungefaͤhr zweymahl 15,624, oder 31,248 Fuß betraͤgt, es iſt naͤhmlich
√31248 = √3166 × . Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Dimenſionen des klingenden
Koͤrpers hierbey nach eben demſelben Maaßſtabe muͤſſen ausgedruͤckt werden, wie die Laͤnge
des einfachen Pendels, oder die Fallhoͤhe ſchwerer Koͤrper.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0096" n="62"/>
befindet, i&#x017F;t in einigen Fa&#x0364;llen halb &#x017F;o groß, in andern beynahe halb &#x017F;o groß, als einer, der<lb/>
zwi&#x017F;chen zwey fe&#x017F;ten Gra&#x0364;nzen enthalten i&#x017F;t. Nachdem die Anzahl der &#x017F;chwingenden Theile<lb/>
gro&#x0364;ßer, und al&#x017F;o jeder der&#x017F;elben kleiner i&#x017F;t, &#x017F;ind auch die Schwingungen verha&#x0364;ltnißma&#x0364;ßig<lb/>
ge&#x017F;chwinder, und al&#x017F;o die To&#x0364;ne ho&#x0364;her. Mehrere Arten der &#x017F;chwingenden Bewegung, und<lb/>
al&#x017F;o auch mehrere To&#x0364;ne, ko&#x0364;nnen zugleich an einem klingenden Ko&#x0364;rper Statt finden, ohne daß<lb/>
eine die&#x017F;er Bewegungen die andere hindert, es ko&#x0364;nnen auch die Schwingungen des klingenden<lb/>
Ko&#x0364;rpers mit noch andern Arten der Bewegung verbunden &#x017F;eyn.</p><lb/>
            <list>
              <item>1. <hi rendition="#g">Anm.</hi> Der Jnhalt die&#x017F;es §. i&#x017F;t be&#x017F;onders wohl zu bemerken, weil fa&#x017F;t alles, was in die&#x017F;em<lb/>
Theile u&#x0364;ber die Schwingungen ver&#x017F;chiedener klingenden Ko&#x0364;rper kann ge&#x017F;agt werden, nichts anders,<lb/>
als eine weitere Ausfu&#x0364;hrung der darin enthaltenen Sa&#x0364;tze i&#x017F;t.</item><lb/>
              <item>2. <hi rendition="#g">Anm.</hi> Wenn man von einem klingenden Ko&#x0364;rper &#x017F;agt, er gebe einen gewi&#x017F;&#x017F;en Ton, &#x017F;o i&#x017F;t es nur<lb/>
&#x017F;o zu ver&#x017F;tehn, daß er bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Schwingungsart, welches gewo&#x0364;hnlich die einfach&#x017F;te i&#x017F;t,<lb/>
die&#x017F;en Ton gebe. Es i&#x017F;t eine ganz fal&#x017F;che Vor&#x017F;tellungsart, wenn man irgend einen Ton, den<lb/>
ein klingender Ko&#x0364;rper giebt, ab&#x017F;olut als Grundton, und die andern als Nebento&#x0364;ne an&#x017F;ehen will,<lb/>
indem jede Schwingungsart, die der&#x017F;elbe Ko&#x0364;rper annehmen kann, in gleichem Grade als ein eigner<lb/>
Klang zu betrachten i&#x017F;t. Jn der Theorie kann man fu&#x0364;glich annehmen, daß jeder klingende Ko&#x0364;rper<lb/>
unendlich viele To&#x0364;ne geben ko&#x0364;nne, aber deren wu&#x0364;rkliche Dar&#x017F;tellung durch men&#x017F;chliche Kra&#x0364;fte, und<lb/>
deren deutliche Empfindung hat ihre Gra&#x0364;nzen.</item>
            </list>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head>46.</head><lb/>
            <p>Die Schwingungen eines klingenden Ko&#x0364;rpers beruhen auf ebenden&#x017F;elben Bewegungs-<lb/>
ge&#x017F;etzen, wie die Schwingungen eines Pendels, bey die&#x017F;em liegt die Ur&#x017F;ache der Schwingun-<lb/>
gen in der Schwerkraft, bey klingenden Ko&#x0364;rpern aber in ihrer Ela&#x017F;ticita&#x0364;t. Um zu be&#x017F;timmen,<lb/>
wie viele Schwingungen ein klingender Ko&#x0364;rper in einer Secunde macht, vergleicht man ihn<lb/>
mit einem einfachen Pendel, man multiplicirt na&#x0364;hmlich die Formel, durch welche die verha&#x0364;lt-<lb/>
nißma&#x0364;ßige Zahl der Schwingungen de&#x017F;&#x017F;elben bey einer gewi&#x017F;&#x017F;en Schwingungsart ausgedru&#x0364;ckt<lb/>
wird, mit der Quadratwurzel der La&#x0364;nge eines Secundenpendels, welche im Rheinla&#x0364;ndi&#x017F;chen<lb/>
Maaße 3,166 Fuß betra&#x0364;gt, und mit dem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e der Peripherie eines Zirkels zu &#x017F;einem<lb/>
Durchme&#x017F;&#x017F;er, welches = <formula notation="TeX">\frac{355}{113}</formula> i&#x017F;t; oder welches ebenda&#x017F;&#x017F;elbe i&#x017F;t, mit der Quadratwurzel der<lb/>
doppelten Ho&#x0364;he, durch welche ein &#x017F;chwerer Ko&#x0364;rper in einer Secunde frey herabfa&#x0364;llt, welche in<lb/>
Rheinla&#x0364;ndi&#x017F;chem Maaße ungefa&#x0364;hr zweymahl 15,624, oder 31,248 Fuß betra&#x0364;gt, es i&#x017F;t na&#x0364;hmlich<lb/>
&#x221A;31248 = &#x221A;3166 × <formula notation="TeX">\frac{355}{113}</formula>. Es ver&#x017F;teht &#x017F;ich von &#x017F;elb&#x017F;t, daß die Dimen&#x017F;ionen des klingenden<lb/>
Ko&#x0364;rpers hierbey nach eben dem&#x017F;elben Maaß&#x017F;tabe mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en ausgedru&#x0364;ckt werden, wie die La&#x0364;nge<lb/>
des einfachen Pendels, oder die Fallho&#x0364;he &#x017F;chwerer Ko&#x0364;rper.</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0096] befindet, iſt in einigen Faͤllen halb ſo groß, in andern beynahe halb ſo groß, als einer, der zwiſchen zwey feſten Graͤnzen enthalten iſt. Nachdem die Anzahl der ſchwingenden Theile groͤßer, und alſo jeder derſelben kleiner iſt, ſind auch die Schwingungen verhaͤltnißmaͤßig geſchwinder, und alſo die Toͤne hoͤher. Mehrere Arten der ſchwingenden Bewegung, und alſo auch mehrere Toͤne, koͤnnen zugleich an einem klingenden Koͤrper Statt finden, ohne daß eine dieſer Bewegungen die andere hindert, es koͤnnen auch die Schwingungen des klingenden Koͤrpers mit noch andern Arten der Bewegung verbunden ſeyn. 1. Anm. Der Jnhalt dieſes §. iſt beſonders wohl zu bemerken, weil faſt alles, was in dieſem Theile uͤber die Schwingungen verſchiedener klingenden Koͤrper kann geſagt werden, nichts anders, als eine weitere Ausfuͤhrung der darin enthaltenen Saͤtze iſt. 2. Anm. Wenn man von einem klingenden Koͤrper ſagt, er gebe einen gewiſſen Ton, ſo iſt es nur ſo zu verſtehn, daß er bey einer gewiſſen Schwingungsart, welches gewoͤhnlich die einfachſte iſt, dieſen Ton gebe. Es iſt eine ganz falſche Vorſtellungsart, wenn man irgend einen Ton, den ein klingender Koͤrper giebt, abſolut als Grundton, und die andern als Nebentoͤne anſehen will, indem jede Schwingungsart, die derſelbe Koͤrper annehmen kann, in gleichem Grade als ein eigner Klang zu betrachten iſt. Jn der Theorie kann man fuͤglich annehmen, daß jeder klingende Koͤrper unendlich viele Toͤne geben koͤnne, aber deren wuͤrkliche Darſtellung durch menſchliche Kraͤfte, und deren deutliche Empfindung hat ihre Graͤnzen. 46. Die Schwingungen eines klingenden Koͤrpers beruhen auf ebendenſelben Bewegungs- geſetzen, wie die Schwingungen eines Pendels, bey dieſem liegt die Urſache der Schwingun- gen in der Schwerkraft, bey klingenden Koͤrpern aber in ihrer Elaſticitaͤt. Um zu beſtimmen, wie viele Schwingungen ein klingender Koͤrper in einer Secunde macht, vergleicht man ihn mit einem einfachen Pendel, man multiplicirt naͤhmlich die Formel, durch welche die verhaͤlt- nißmaͤßige Zahl der Schwingungen deſſelben bey einer gewiſſen Schwingungsart ausgedruͤckt wird, mit der Quadratwurzel der Laͤnge eines Secundenpendels, welche im Rheinlaͤndiſchen Maaße 3,166 Fuß betraͤgt, und mit dem Verhaͤltniſſe der Peripherie eines Zirkels zu ſeinem Durchmeſſer, welches = [FORMEL] iſt; oder welches ebendaſſelbe iſt, mit der Quadratwurzel der doppelten Hoͤhe, durch welche ein ſchwerer Koͤrper in einer Secunde frey herabfaͤllt, welche in Rheinlaͤndiſchem Maaße ungefaͤhr zweymahl 15,624, oder 31,248 Fuß betraͤgt, es iſt naͤhmlich √31248 = √3166 × [FORMEL]. Es verſteht ſich von ſelbſt, daß die Dimenſionen des klingenden Koͤrpers hierbey nach eben demſelben Maaßſtabe muͤſſen ausgedruͤckt werden, wie die Laͤnge des einfachen Pendels, oder die Fallhoͤhe ſchwerer Koͤrper.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/96
Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Die Akustik. Leipzig, 1802, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_akustik_1802/96>, abgerufen am 17.05.2024.