§. 11. Fernere Hauptbegebenheiten der Menschen: als Glücks- und Unglücksfälle.
Und so bemerckt man auch bey eintzeln Men- schen ihre Glücks- und Unglücksfälle; sie mö- gen sich nun in Ansehung des Leibes, oder der Güter, oder in dem Verhältniß gegen andere Menschen zutragen, und eine wichtige Verände- rung verursachen. Also wird bemerckt, wenn je- manden seine nächsten Freunde abgestorben sind, daß seine Stadt abgebrannt ist, daß sie belagert worden, daß er eine Erbschafft gethan, daß er der Aelteste im Collegio geworden. Nun haben aber auch diese Glücks- und Unglücksfälle, we- gen der langen menschlichen Erfahrung, ihre ge- wisse Arten und Geschlechter, deren Folgen schon bekannt sind: daher pfleget man auch von diesen Begebenheiten ihren Folgen wenig anzu- mercken; es wäre denn, daß sie zu einer beson- dern That Anlaß gegeben haben.
§. 12. Veränderung der Sitten und Fähigkeiten?
Man bemerckt auch gerne an einem Men- schen seine Sitten und Fähigkeiten. Diese, wie sie nicht auf einen Tag entstehen, und auch selten auf einmahl wieder abgelegt werden, so ge- hören sie zu den Dingen, welche sind: als daß jemand ein Zäncker, ein Säuffer, ein stiller, ein fleißiger Mann ist. Der Sitz derselben ist haupt- sächlich in der Seele; lassen sich aber zuverläßig aus den äusserlichen Wercken und Thaten erken-
nen.
F 2
v. d. Begebenheiten der Menſchen ꝛc.
§. 11. Fernere Hauptbegebenheiten der Menſchen: als Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle.
Und ſo bemerckt man auch bey eintzeln Men- ſchen ihre Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle; ſie moͤ- gen ſich nun in Anſehung des Leibes, oder der Guͤter, oder in dem Verhaͤltniß gegen andere Menſchen zutragen, und eine wichtige Veraͤnde- rung verurſachen. Alſo wird bemerckt, wenn je- manden ſeine naͤchſten Freunde abgeſtorben ſind, daß ſeine Stadt abgebrannt iſt, daß ſie belagert worden, daß er eine Erbſchafft gethan, daß er der Aelteſte im Collegio geworden. Nun haben aber auch dieſe Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle, we- gen der langen menſchlichen Erfahrung, ihre ge- wiſſe Arten und Geſchlechter, deren Folgen ſchon bekannt ſind: daher pfleget man auch von dieſen Begebenheiten ihren Folgen wenig anzu- mercken; es waͤre denn, daß ſie zu einer beſon- dern That Anlaß gegeben haben.
§. 12. Veraͤnderung der Sitten und Faͤhigkeiten?
Man bemerckt auch gerne an einem Men- ſchen ſeine Sitten und Faͤhigkeiten. Dieſe, wie ſie nicht auf einen Tag entſtehen, und auch ſelten auf einmahl wieder abgelegt werden, ſo ge- hoͤren ſie zu den Dingen, welche ſind: als daß jemand ein Zaͤncker, ein Saͤuffer, ein ſtiller, ein fleißiger Mann iſt. Der Sitz derſelben iſt haupt- ſaͤchlich in der Seele; laſſen ſich aber zuverlaͤßig aus den aͤuſſerlichen Wercken und Thaten erken-
nen.
F 2
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0119"n="83"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">v. d. Begebenheiten der Menſchen ꝛc.</hi></fw><lb/><divn="2"><head>§. 11.<lb/>
Fernere Hauptbegebenheiten der Menſchen: als<lb/>
Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle.</head><lb/><p>Und ſo bemerckt man auch bey eintzeln Men-<lb/>ſchen ihre <hirendition="#fr">Gluͤcks-</hi> und <hirendition="#fr">Ungluͤcksfaͤlle;</hi>ſie moͤ-<lb/>
gen ſich nun in Anſehung des Leibes, oder der<lb/>
Guͤter, oder in dem Verhaͤltniß gegen andere<lb/>
Menſchen zutragen, und eine wichtige Veraͤnde-<lb/>
rung verurſachen. Alſo wird bemerckt, wenn je-<lb/>
manden ſeine naͤchſten Freunde abgeſtorben ſind,<lb/>
daß ſeine Stadt abgebrannt iſt, daß ſie belagert<lb/>
worden, daß er eine Erbſchafft gethan, daß er<lb/>
der Aelteſte im Collegio geworden. Nun haben<lb/>
aber auch dieſe Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle, we-<lb/>
gen der langen menſchlichen Erfahrung, ihre ge-<lb/>
wiſſe <hirendition="#fr">Arten</hi> und <hirendition="#fr">Geſchlechter,</hi> deren Folgen<lb/>ſchon bekannt ſind: daher pfleget man auch von<lb/>
dieſen Begebenheiten ihren <hirendition="#fr">Folgen</hi> wenig anzu-<lb/>
mercken; es waͤre denn, daß ſie zu einer beſon-<lb/>
dern That Anlaß gegeben haben.</p></div><lb/><divn="2"><head>§. 12.<lb/>
Veraͤnderung der Sitten und Faͤhigkeiten?</head><lb/><p>Man bemerckt auch gerne an einem Men-<lb/>ſchen ſeine <hirendition="#fr">Sitten</hi> und <hirendition="#fr">Faͤhigkeiten.</hi> Dieſe,<lb/>
wie ſie nicht auf einen Tag entſtehen, und auch<lb/>ſelten auf einmahl wieder abgelegt werden, ſo ge-<lb/>
hoͤren ſie zu den Dingen, welche <hirendition="#fr">ſind:</hi> als daß<lb/>
jemand ein Zaͤncker, ein Saͤuffer, ein ſtiller, ein<lb/>
fleißiger Mann iſt. Der Sitz derſelben iſt haupt-<lb/>ſaͤchlich in der Seele; laſſen ſich aber zuverlaͤßig<lb/>
aus den aͤuſſerlichen Wercken und Thaten erken-<lb/><fwplace="bottom"type="sig">F 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">nen.</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[83/0119]
v. d. Begebenheiten der Menſchen ꝛc.
§. 11.
Fernere Hauptbegebenheiten der Menſchen: als
Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle.
Und ſo bemerckt man auch bey eintzeln Men-
ſchen ihre Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle; ſie moͤ-
gen ſich nun in Anſehung des Leibes, oder der
Guͤter, oder in dem Verhaͤltniß gegen andere
Menſchen zutragen, und eine wichtige Veraͤnde-
rung verurſachen. Alſo wird bemerckt, wenn je-
manden ſeine naͤchſten Freunde abgeſtorben ſind,
daß ſeine Stadt abgebrannt iſt, daß ſie belagert
worden, daß er eine Erbſchafft gethan, daß er
der Aelteſte im Collegio geworden. Nun haben
aber auch dieſe Gluͤcks- und Ungluͤcksfaͤlle, we-
gen der langen menſchlichen Erfahrung, ihre ge-
wiſſe Arten und Geſchlechter, deren Folgen
ſchon bekannt ſind: daher pfleget man auch von
dieſen Begebenheiten ihren Folgen wenig anzu-
mercken; es waͤre denn, daß ſie zu einer beſon-
dern That Anlaß gegeben haben.
§. 12.
Veraͤnderung der Sitten und Faͤhigkeiten?
Man bemerckt auch gerne an einem Men-
ſchen ſeine Sitten und Faͤhigkeiten. Dieſe,
wie ſie nicht auf einen Tag entſtehen, und auch
ſelten auf einmahl wieder abgelegt werden, ſo ge-
hoͤren ſie zu den Dingen, welche ſind: als daß
jemand ein Zaͤncker, ein Saͤuffer, ein ſtiller, ein
fleißiger Mann iſt. Der Sitz derſelben iſt haupt-
ſaͤchlich in der Seele; laſſen ſich aber zuverlaͤßig
aus den aͤuſſerlichen Wercken und Thaten erken-
nen.
F 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/119>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.