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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Siebentes Capitel,
ter (§. 10.). Es sind zwar nur die letzteren,
welche man gemeiniglich Urkunden nennet: weil
sie nehmlich diejenige Art der Urkunden ist, de-
ren man sich bey alten und wichtigen Geschichten
fast lediglich zu bedienen pfleget; da man sich hin-
gegen auf mündlich fortgepflantzte Nachrichten fast
gantz und gar nicht mehr beziehet. Die Ursach ist, weil
die sehr alten Nachrichten entweder schon längst
gäntzlich verlohren gegangen, oder was davon auf
unsere Zeiten kommen ist, dasselbe schon längst
in Schrifften ist gebracht worden, aus welchen
wir nunmehro unsere Nachrichten nehmen. Dar-
nebst ist das Schreiben bey allen Geschäfften und
Begebenheiten so gemein worden, daß man sich
überall auf das Aufgeschriebene verlässet, und vor
die mündliche Fortpflantzung nicht die geringste
Sorge mehr hat. Wir können aber dennoch je-
nen allgemeinen Begriff nicht wegwerffen, oder
unbekannt werden lassen, da man in der Welt
mehr als ein tausend Jahr keine schrifftliche Ur-
kunden gehabt; dasjenige aber, was wir durch
unsere schrifftlichen Urkunden ausrichten wollen,
ihnen nicht unbekannt gewesen seyn kan; ja da
noch jetzo alte Geschichte mündlich fortgepflantzet
werden; wie solches der hochbelobte Herr von
Haller
von seinem Vaterlande und Landsleuten,
den Schweitzern, zu rühmen weiß, in dem Ver-
such Schweitzerischer Gedichte: die Al-
pen.
Und ohne Zweifel hat ein Lied, das die
Väter auf ihre Urenckel fortgepflantzet haben,
nicht viel weniger Krafft zu beweisen, als ein
Brief, der eben so alt ist.

§. 14.

Siebentes Capitel,
ter (§. 10.). Es ſind zwar nur die letzteren,
welche man gemeiniglich Urkunden nennet: weil
ſie nehmlich diejenige Art der Urkunden iſt, de-
ren man ſich bey alten und wichtigen Geſchichten
faſt lediglich zu bedienen pfleget; da man ſich hin-
gegen auf muͤndlich fortgepflantzte Nachrichten faſt
gantz und gar nicht mehr beziehet. Die Uꝛſach iſt, weil
die ſehr alten Nachrichten entweder ſchon laͤngſt
gaͤntzlich verlohren gegangen, oder was davon auf
unſere Zeiten kommen iſt, daſſelbe ſchon laͤngſt
in Schrifften iſt gebracht worden, aus welchen
wir nunmehro unſere Nachrichten nehmen. Dar-
nebſt iſt das Schreiben bey allen Geſchaͤfften und
Begebenheiten ſo gemein worden, daß man ſich
uͤberall auf das Aufgeſchriebene verlaͤſſet, und vor
die muͤndliche Fortpflantzung nicht die geringſte
Sorge mehr hat. Wir koͤnnen aber dennoch je-
nen allgemeinen Begriff nicht wegwerffen, oder
unbekannt werden laſſen, da man in der Welt
mehr als ein tauſend Jahr keine ſchrifftliche Ur-
kunden gehabt; dasjenige aber, was wir durch
unſere ſchrifftlichen Urkunden ausrichten wollen,
ihnen nicht unbekannt geweſen ſeyn kan; ja da
noch jetzo alte Geſchichte muͤndlich fortgepflantzet
werden; wie ſolches der hochbelobte Herr von
Haller
von ſeinem Vaterlande und Landsleuten,
den Schweitzern, zu ruͤhmen weiß, in dem Ver-
ſuch Schweitzeriſcher Gedichte: die Al-
pen.
Und ohne Zweifel hat ein Lied, das die
Vaͤter auf ihre Urenckel fortgepflantzet haben,
nicht viel weniger Krafft zu beweiſen, als ein
Brief, der eben ſo alt iſt.

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[168/0204] Siebentes Capitel, ter (§. 10.). Es ſind zwar nur die letzteren, welche man gemeiniglich Urkunden nennet: weil ſie nehmlich diejenige Art der Urkunden iſt, de- ren man ſich bey alten und wichtigen Geſchichten faſt lediglich zu bedienen pfleget; da man ſich hin- gegen auf muͤndlich fortgepflantzte Nachrichten faſt gantz und gar nicht mehr beziehet. Die Uꝛſach iſt, weil die ſehr alten Nachrichten entweder ſchon laͤngſt gaͤntzlich verlohren gegangen, oder was davon auf unſere Zeiten kommen iſt, daſſelbe ſchon laͤngſt in Schrifften iſt gebracht worden, aus welchen wir nunmehro unſere Nachrichten nehmen. Dar- nebſt iſt das Schreiben bey allen Geſchaͤfften und Begebenheiten ſo gemein worden, daß man ſich uͤberall auf das Aufgeſchriebene verlaͤſſet, und vor die muͤndliche Fortpflantzung nicht die geringſte Sorge mehr hat. Wir koͤnnen aber dennoch je- nen allgemeinen Begriff nicht wegwerffen, oder unbekannt werden laſſen, da man in der Welt mehr als ein tauſend Jahr keine ſchrifftliche Ur- kunden gehabt; dasjenige aber, was wir durch unſere ſchrifftlichen Urkunden ausrichten wollen, ihnen nicht unbekannt geweſen ſeyn kan; ja da noch jetzo alte Geſchichte muͤndlich fortgepflantzet werden; wie ſolches der hochbelobte Herr von Haller von ſeinem Vaterlande und Landsleuten, den Schweitzern, zu ruͤhmen weiß, in dem Ver- ſuch Schweitzeriſcher Gedichte: die Al- pen. Und ohne Zweifel hat ein Lied, das die Vaͤter auf ihre Urenckel fortgepflantzet haben, nicht viel weniger Krafft zu beweiſen, als ein Brief, der eben ſo alt iſt. §. 14.

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/204>, abgerufen am 24.11.2024.