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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Siebentes Capitel,
nachzuforschen, sondern auf die erlangten Aussa-
gen. Eine auf diese Art erlangte historische Erkent-
niß ist hernach derjenigen gleich zu schätzen, die
wir unmittelbar aus Aussagen erhalten haben.
Also bey einer Jnquisition, die sich von einem ge-
ringen Verdachte anfänget, oder angefangen h[a]t,
braucht es zwar meistens viele Mühe, ehe man
den Jnquisiten zum Geständniß bringet: wenn
aber das Geständniß einmahl herausgebracht ist,
so ist es in Ansehung des facti hernach eben so gut,
als wenn man gleich anfangs durch eine nicht so
schwer gemachte Aussage, die Beschaffenheit der
That erkannt hätte. Allein es geschiehet, daß
jemand eine Geschichte durch sein Nachdencken
über einige Anzeichen entdeckt, solche auch, ohn-
geachtet seine Anzeichen gar nicht untrüglich sind,
vor bekannt und gewiß annimmt, und aussagt,
als ob er dabey gewesen wäre, oder Nachricht
davon durch einen gewissen Canal erhalten hätte.
Dieser Fall ist besonders zu mercken, weil ein
solcher, der Urheber der Erzehlung wird, und
dennoch von dem Urheber in eigentlichem Verstan-
de, gar sehr unterschieden ist, als welcher bey der
Sache gegenwärtig gewesen seyn soll (§. 3.). Ei-
ne solche Erzehlung, ob sie gleich wahr ist, hat
dennoch keinen gewissen Grund, so lange nicht
Aussagen hinzukommen, welche sich von einem
Zuschauer herschreiben. Dieses aber folget ge-
meiniglich gar bald darauf, weil, wenn einmahl
von einer Geschichte häuffig geredet wird, die Jn-
teressenten theils nicht mehr so starck über ihr Ge-
heimniß halten, weil sie es vor verrathen anse-

hen,

Siebentes Capitel,
nachzuforſchen, ſondern auf die erlangten Ausſa-
gen. Eine auf dieſe Art erlangte hiſtoriſche Erkent-
niß iſt hernach derjenigen gleich zu ſchaͤtzen, die
wir unmittelbar aus Ausſagen erhalten haben.
Alſo bey einer Jnquiſition, die ſich von einem ge-
ringen Verdachte anfaͤnget, oder angefangen h[a]t,
braucht es zwar meiſtens viele Muͤhe, ehe man
den Jnquiſiten zum Geſtaͤndniß bringet: wenn
aber das Geſtaͤndniß einmahl herausgebracht iſt,
ſo iſt es in Anſehung des facti hernach eben ſo gut,
als wenn man gleich anfangs durch eine nicht ſo
ſchwer gemachte Ausſage, die Beſchaffenheit der
That erkannt haͤtte. Allein es geſchiehet, daß
jemand eine Geſchichte durch ſein Nachdencken
uͤber einige Anzeichen entdeckt, ſolche auch, ohn-
geachtet ſeine Anzeichen gar nicht untruͤglich ſind,
vor bekannt und gewiß annimmt, und ausſagt,
als ob er dabey geweſen waͤre, oder Nachricht
davon durch einen gewiſſen Canal erhalten haͤtte.
Dieſer Fall iſt beſonders zu mercken, weil ein
ſolcher, der Urheber der Erzehlung wird, und
dennoch von dem Urheber in eigentlichem Verſtan-
de, gar ſehr unterſchieden iſt, als welcher bey der
Sache gegenwaͤrtig geweſen ſeyn ſoll (§. 3.). Ei-
ne ſolche Erzehlung, ob ſie gleich wahr iſt, hat
dennoch keinen gewiſſen Grund, ſo lange nicht
Ausſagen hinzukommen, welche ſich von einem
Zuſchauer herſchreiben. Dieſes aber folget ge-
meiniglich gar bald darauf, weil, wenn einmahl
von einer Geſchichte haͤuffig geredet wird, die Jn-
tereſſenten theils nicht mehr ſo ſtarck uͤber ihr Ge-
heimniß halten, weil ſie es vor verrathen anſe-

hen,
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[200/0236] Siebentes Capitel, nachzuforſchen, ſondern auf die erlangten Ausſa- gen. Eine auf dieſe Art erlangte hiſtoriſche Erkent- niß iſt hernach derjenigen gleich zu ſchaͤtzen, die wir unmittelbar aus Ausſagen erhalten haben. Alſo bey einer Jnquiſition, die ſich von einem ge- ringen Verdachte anfaͤnget, oder angefangen hat, braucht es zwar meiſtens viele Muͤhe, ehe man den Jnquiſiten zum Geſtaͤndniß bringet: wenn aber das Geſtaͤndniß einmahl herausgebracht iſt, ſo iſt es in Anſehung des facti hernach eben ſo gut, als wenn man gleich anfangs durch eine nicht ſo ſchwer gemachte Ausſage, die Beſchaffenheit der That erkannt haͤtte. Allein es geſchiehet, daß jemand eine Geſchichte durch ſein Nachdencken uͤber einige Anzeichen entdeckt, ſolche auch, ohn- geachtet ſeine Anzeichen gar nicht untruͤglich ſind, vor bekannt und gewiß annimmt, und ausſagt, als ob er dabey geweſen waͤre, oder Nachricht davon durch einen gewiſſen Canal erhalten haͤtte. Dieſer Fall iſt beſonders zu mercken, weil ein ſolcher, der Urheber der Erzehlung wird, und dennoch von dem Urheber in eigentlichem Verſtan- de, gar ſehr unterſchieden iſt, als welcher bey der Sache gegenwaͤrtig geweſen ſeyn ſoll (§. 3.). Ei- ne ſolche Erzehlung, ob ſie gleich wahr iſt, hat dennoch keinen gewiſſen Grund, ſo lange nicht Ausſagen hinzukommen, welche ſich von einem Zuſchauer herſchreiben. Dieſes aber folget ge- meiniglich gar bald darauf, weil, wenn einmahl von einer Geſchichte haͤuffig geredet wird, die Jn- tereſſenten theils nicht mehr ſo ſtarck uͤber ihr Ge- heimniß halten, weil ſie es vor verrathen anſe- hen,

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 200. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/236>, abgerufen am 24.11.2024.