Allein es können lasterhaffte Menschen ie zu- weilen solche Anschläge fassen, die dennoch ihrer kundbaren Laster ungeachtet, und nach den gemei- nen Begriffen von Lastern, nimmermehr vermu- thet hätte, wenn uns nicht die Wahrheit der Sa- che in die Augen leuchtete; solche Anschläge die tausend andere, auch Lasterhafte, wenn sie sich gleich in eben solchen äuserlichen Umständen befunden hätten, dennoch nicht würden gefasset haben. Herodes lässet aus Besorgniß eines neugebohr- nen künfftigen Königes, der nicht aus seinem Hause wäre, alle zweyjährigen Knaben, und drun- ter tödten. Vielen andern Tyrannen würde doch eine solche Grausamkeit nicht einmahl eingefallen seyn, geschweige daß sie solche würcklich hätten ausüben sollen. Herostratus zündet den Dia- nentempel zu Ephesus an, um einen unsterblichen Nahmen zu erlangen: Sollten wohl viele solche ausschweiffende Anschläge und Ruhmbegierde ge- fasset haben? Nero lässet Rom in Brand ste- cken, um sich Troja im Feuer lebhafft vorstellen zu können: Oder auch die Stadt nach seiner Phan- tasey bauen zu können. Mahomet ersinnet eine neue Religion, um das Haupt eines Kriegs- heers zu werden. Dergleichen Anschläge würden uns noch unbesonnener und widersinniger vor- kommen, wenn uns nicht die würckliche erfolgte Ausführung, die Unternehmung weit leichter vor- stellte, als sie vernünfftige Menschen zu der Zeit
anse-
Achtes Capitel,
§. 8. Ungeheure Anſchlaͤge.
Allein es koͤnnen laſterhaffte Menſchen ie zu- weilen ſolche Anſchlaͤge faſſen, die dennoch ihrer kundbaren Laſter ungeachtet, und nach den gemei- nen Begriffen von Laſtern, nimmermehr vermu- thet haͤtte, wenn uns nicht die Wahrheit der Sa- che in die Augen leuchtete; ſolche Anſchlaͤge die tauſend andere, auch Laſterhafte, wenn ſie ſich gleich in eben ſolchen aͤuſerlichen Umſtaͤnden befunden haͤtten, dennoch nicht wuͤrden gefaſſet haben. Herodes laͤſſet aus Beſorgniß eines neugebohr- nen kuͤnfftigen Koͤniges, der nicht aus ſeinem Hauſe waͤre, alle zweyjaͤhrigen Knaben, und drun- ter toͤdten. Vielen andern Tyrannen wuͤrde doch eine ſolche Grauſamkeit nicht einmahl eingefallen ſeyn, geſchweige daß ſie ſolche wuͤrcklich haͤtten ausuͤben ſollen. Heroſtratus zuͤndet den Dia- nentempel zu Epheſus an, um einen unſterblichen Nahmen zu erlangen: Sollten wohl viele ſolche ausſchweiffende Anſchlaͤge und Ruhmbegierde ge- faſſet haben? Nero laͤſſet Rom in Brand ſte- cken, um ſich Troja im Feuer lebhafft vorſtellen zu koͤnnen: Oder auch die Stadt nach ſeiner Phan- taſey bauen zu koͤnnen. Mahomet erſinnet eine neue Religion, um das Haupt eines Kriegs- heers zu werden. Dergleichen Anſchlaͤge wuͤrden uns noch unbeſonnener und widerſinniger vor- kommen, wenn uns nicht die wuͤrckliche erfolgte Ausfuͤhrung, die Unternehmung weit leichter vor- ſtellte, als ſie vernuͤnfftige Menſchen zu der Zeit
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Achtes Capitel,
§. 8.
Ungeheure Anſchlaͤge.
Allein es koͤnnen laſterhaffte Menſchen ie zu-
weilen ſolche Anſchlaͤge faſſen, die dennoch ihrer
kundbaren Laſter ungeachtet, und nach den gemei-
nen Begriffen von Laſtern, nimmermehr vermu-
thet haͤtte, wenn uns nicht die Wahrheit der Sa-
che in die Augen leuchtete; ſolche Anſchlaͤge die
tauſend andere, auch Laſterhafte, wenn ſie ſich gleich
in eben ſolchen aͤuſerlichen Umſtaͤnden befunden
haͤtten, dennoch nicht wuͤrden gefaſſet haben.
Herodes laͤſſet aus Beſorgniß eines neugebohr-
nen kuͤnfftigen Koͤniges, der nicht aus ſeinem
Hauſe waͤre, alle zweyjaͤhrigen Knaben, und drun-
ter toͤdten. Vielen andern Tyrannen wuͤrde doch
eine ſolche Grauſamkeit nicht einmahl eingefallen
ſeyn, geſchweige daß ſie ſolche wuͤrcklich haͤtten
ausuͤben ſollen. Heroſtratus zuͤndet den Dia-
nentempel zu Epheſus an, um einen unſterblichen
Nahmen zu erlangen: Sollten wohl viele ſolche
ausſchweiffende Anſchlaͤge und Ruhmbegierde ge-
faſſet haben? Nero laͤſſet Rom in Brand ſte-
cken, um ſich Troja im Feuer lebhafft vorſtellen
zu koͤnnen: Oder auch die Stadt nach ſeiner Phan-
taſey bauen zu koͤnnen. Mahomet erſinnet
eine neue Religion, um das Haupt eines Kriegs-
heers zu werden. Dergleichen Anſchlaͤge wuͤrden
uns noch unbeſonnener und widerſinniger vor-
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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/250>, abgerufen am 21.11.2024.
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