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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Zwölfftes Capitel,
stehen werde. Jn der gemeinen Erkentniß hat
man nehmlich davon zu wenige Exempel, und keine
Theorie gar nicht, daraus man von der Sache urthei-
len könte. Wenn ein Erdbeben entstehet, so weiß
noch kein Mensch nicht, was er von dem Fortgange
vermuthen soll, woraus denn mehr Furcht und
Schrecken zu entstehen pfleget, als aus dem grösten
vorhandenen Uebel. Wer also bey solchen Dingen
besondere Gelegenheit hat, Erfahrungen zu
sammlen, oder eine Theorie zu ersinnen, der wird
in Ansehung eines solchen Stücks auch in Muth-
massungen
starck, und zur Verwunderung der
Leute glücklich seyn.

§. 15.
Anderes Stück der Kunst zu muthmassen.

Wenn man nach der gemeinen Einsicht zwar
etwas voraus siehet, aber nicht determinirt genug;
so bestehet, nach den (§. 13.) vorhin angegebenen
Grundregeln, die Kunst zu muthmassen wiederum
darinne, daß man 1. sich entweder nach mehreren
allgemeinen Wahrheiten umsehe, oder 2. daß man
eine neue Betrachtung der Sache nach ihrer inner-
lichen Beschaffenheit, nochmahls vornehme. Man
untersuche die feinsten Proben eines scharfsinnigen
Verstandes, die uns etwa von grossen Männern
bekannt sind, welche Dinge voraus gesehen ha-
ben, so wird man finden, daß sie darum in ihren
Muthmassungen glücklich gewesen sind: Weil sie
entweder gewisse, sonst nicht bekannt gewesene Ma-
rimen gewust haben, wornach die Menschen in ih-

ren

Zwoͤlfftes Capitel,
ſtehen werde. Jn der gemeinen Erkentniß hat
man nehmlich davon zu wenige Exempel, und keine
Theorie gar nicht, daraus man von der Sache urthei-
len koͤnte. Wenn ein Erdbeben entſtehet, ſo weiß
noch kein Menſch nicht, was er von dem Fortgange
vermuthen ſoll, woraus denn mehr Furcht und
Schrecken zu entſtehen pfleget, als aus dem groͤſten
vorhandenen Uebel. Wer alſo bey ſolchen Dingen
beſondere Gelegenheit hat, Erfahrungen zu
ſammlen, oder eine Theorie zu erſinnen, der wird
in Anſehung eines ſolchen Stuͤcks auch in Muth-
maſſungen
ſtarck, und zur Verwunderung der
Leute gluͤcklich ſeyn.

§. 15.
Anderes Stuͤck der Kunſt zu muthmaſſen.

Wenn man nach der gemeinen Einſicht zwar
etwas voraus ſiehet, aber nicht determinirt genug;
ſo beſtehet, nach den (§. 13.) vorhin angegebenen
Grundregeln, die Kunſt zu muthmaſſen wiederum
darinne, daß man 1. ſich entweder nach mehreren
allgemeinen Wahrheiten umſehe, oder 2. daß man
eine neue Betrachtung der Sache nach ihrer inner-
lichen Beſchaffenheit, nochmahls vornehme. Man
unterſuche die feinſten Proben eines ſcharfſinnigen
Verſtandes, die uns etwa von groſſen Maͤnnern
bekannt ſind, welche Dinge voraus geſehen ha-
ben, ſo wird man finden, daß ſie darum in ihren
Muthmaſſungen gluͤcklich geweſen ſind: Weil ſie
entweder gewiſſe, ſonſt nicht bekannt geweſene Ma-
rimen gewuſt haben, wornach die Menſchen in ih-

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[392/0428] Zwoͤlfftes Capitel, ſtehen werde. Jn der gemeinen Erkentniß hat man nehmlich davon zu wenige Exempel, und keine Theorie gar nicht, daraus man von der Sache urthei- len koͤnte. Wenn ein Erdbeben entſtehet, ſo weiß noch kein Menſch nicht, was er von dem Fortgange vermuthen ſoll, woraus denn mehr Furcht und Schrecken zu entſtehen pfleget, als aus dem groͤſten vorhandenen Uebel. Wer alſo bey ſolchen Dingen beſondere Gelegenheit hat, Erfahrungen zu ſammlen, oder eine Theorie zu erſinnen, der wird in Anſehung eines ſolchen Stuͤcks auch in Muth- maſſungen ſtarck, und zur Verwunderung der Leute gluͤcklich ſeyn. §. 15. Anderes Stuͤck der Kunſt zu muthmaſſen. Wenn man nach der gemeinen Einſicht zwar etwas voraus ſiehet, aber nicht determinirt genug; ſo beſtehet, nach den (§. 13.) vorhin angegebenen Grundregeln, die Kunſt zu muthmaſſen wiederum darinne, daß man 1. ſich entweder nach mehreren allgemeinen Wahrheiten umſehe, oder 2. daß man eine neue Betrachtung der Sache nach ihrer inner- lichen Beſchaffenheit, nochmahls vornehme. Man unterſuche die feinſten Proben eines ſcharfſinnigen Verſtandes, die uns etwa von groſſen Maͤnnern bekannt ſind, welche Dinge voraus geſehen ha- ben, ſo wird man finden, daß ſie darum in ihren Muthmaſſungen gluͤcklich geweſen ſind: Weil ſie entweder gewiſſe, ſonſt nicht bekannt geweſene Ma- rimen gewuſt haben, wornach die Menſchen in ih- ren

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 392. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/428>, abgerufen am 24.11.2024.