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Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752.

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Erstes Capitel,
Weissagungen, wenn dergleichen vorhanden sind.
Man siehet solches nicht allein daraus, daß so gar
die eitelsten Aussprüche von künfftigen Dingen,
welche gar nicht den ehrwürdigen Nahmen der
Weissagungen verdienen, dennoch bey vielen Per-
sonen eine grosse Aufmercksamkeit verursachen;
sondern auch daraus, daß die wahren Weissagun-
gen, welche in der heiligen Schrifft anzutreffen
sind, fast bey allen Lesern eine Begierde erwecken,
noch mehr, und die Sachen umständlicher zu
wissen, als da stehet. Was sich aber auch an de-
nen so genanten Auslegungen vor Fehler befin-
den, ist mehr als zu bekant. Wollte man nun
sowohl einen unzeitigen Vorwitz zu dämpfen, als
auch, wo es möglich, tieffer in den Verstand der
göttlichen Weissagungen einzudringen Regeln er-
finden; so können diese nirgends anders, als aus
den allgemeinen Eigenschafften der historischen Er-
kentniß hergeleitet werden. Ohngeachtet wir al-
so hier nicht von den Weissagungen handeln wer-
den, so ist doch zuverläßig abzusehen, daß die vor-
zutragenden Lehren auch dem exegetischen Capitel,
von Weissagungen, nicht geringen Nutzen ver-
schaffen werden.

§. 31.
Fabeln und Geschichte werden mit einan-
der verglichen.

Fabeln sind eine Nachahmung der Geschich-
te, welche die Einbildungskrafft, oder vielmehr
die Dichtkunst hervorbringet. Bey ihnen ist die
Wahrscheinlichkeit dasjenige, was bey den

Geschich-

Erſtes Capitel,
Weiſſagungen, wenn dergleichen vorhanden ſind.
Man ſiehet ſolches nicht allein daraus, daß ſo gar
die eitelſten Ausſpruͤche von kuͤnfftigen Dingen,
welche gar nicht den ehrwuͤrdigen Nahmen der
Weiſſagungen verdienen, dennoch bey vielen Per-
ſonen eine groſſe Aufmerckſamkeit verurſachen;
ſondern auch daraus, daß die wahren Weiſſagun-
gen, welche in der heiligen Schrifft anzutreffen
ſind, faſt bey allen Leſern eine Begierde erwecken,
noch mehr, und die Sachen umſtaͤndlicher zu
wiſſen, als da ſtehet. Was ſich aber auch an de-
nen ſo genanten Auslegungen vor Fehler befin-
den, iſt mehr als zu bekant. Wollte man nun
ſowohl einen unzeitigen Vorwitz zu daͤmpfen, als
auch, wo es moͤglich, tieffer in den Verſtand der
goͤttlichen Weiſſagungen einzudringen Regeln er-
finden; ſo koͤnnen dieſe nirgends anders, als aus
den allgemeinen Eigenſchafften der hiſtoriſchen Er-
kentniß hergeleitet werden. Ohngeachtet wir al-
ſo hier nicht von den Weiſſagungen handeln wer-
den, ſo iſt doch zuverlaͤßig abzuſehen, daß die vor-
zutragenden Lehren auch dem exegetiſchen Capitel,
von Weiſſagungen, nicht geringen Nutzen ver-
ſchaffen werden.

§. 31.
Fabeln und Geſchichte werden mit einan-
der verglichen.

Fabeln ſind eine Nachahmung der Geſchich-
te, welche die Einbildungskrafft, oder vielmehr
die Dichtkunſt hervorbringet. Bey ihnen iſt die
Wahrſcheinlichkeit dasjenige, was bey den

Geſchich-
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[18/0054] Erſtes Capitel, Weiſſagungen, wenn dergleichen vorhanden ſind. Man ſiehet ſolches nicht allein daraus, daß ſo gar die eitelſten Ausſpruͤche von kuͤnfftigen Dingen, welche gar nicht den ehrwuͤrdigen Nahmen der Weiſſagungen verdienen, dennoch bey vielen Per- ſonen eine groſſe Aufmerckſamkeit verurſachen; ſondern auch daraus, daß die wahren Weiſſagun- gen, welche in der heiligen Schrifft anzutreffen ſind, faſt bey allen Leſern eine Begierde erwecken, noch mehr, und die Sachen umſtaͤndlicher zu wiſſen, als da ſtehet. Was ſich aber auch an de- nen ſo genanten Auslegungen vor Fehler befin- den, iſt mehr als zu bekant. Wollte man nun ſowohl einen unzeitigen Vorwitz zu daͤmpfen, als auch, wo es moͤglich, tieffer in den Verſtand der goͤttlichen Weiſſagungen einzudringen Regeln er- finden; ſo koͤnnen dieſe nirgends anders, als aus den allgemeinen Eigenſchafften der hiſtoriſchen Er- kentniß hergeleitet werden. Ohngeachtet wir al- ſo hier nicht von den Weiſſagungen handeln wer- den, ſo iſt doch zuverlaͤßig abzuſehen, daß die vor- zutragenden Lehren auch dem exegetiſchen Capitel, von Weiſſagungen, nicht geringen Nutzen ver- ſchaffen werden. §. 31. Fabeln und Geſchichte werden mit einan- der verglichen. Fabeln ſind eine Nachahmung der Geſchich- te, welche die Einbildungskrafft, oder vielmehr die Dichtkunſt hervorbringet. Bey ihnen iſt die Wahrſcheinlichkeit dasjenige, was bey den Geſchich-

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Zitationshilfe: Chladni, Johann Martin: Allgemeine Geschichtswissenschaft. Leipzig, 1752. , S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_geschichtswissenschaft_1752/54>, abgerufen am 23.11.2024.