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Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787.

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auch, so wie bey dem Grundtone einer Saite, außer dem nächstfolgenden
Tone allezeit noch mehrere, oder wohl gar alle übrigen Töne mitzuklingen
pflegen, getraue ich mir nicht zu bestimmen; indem ich bisher keine hin-
längliche Versuche darüber angestellt habe. Wenn an Stäben, Scheiben,
Glocken und andern elastischen Körpern, wo die höhern Töne in andern Ver-
hältnissen stehen, als an einer Saite, mehrere Töne zugleich klingen, so
sind es schlechterdings keine andern, als die, welche der nämliche Körper
einzeln geben kann. Bey den Schwingungsarten eines Stabes, wo die
Axe nirgends durchschnitten wird, nämlich in den Fällen, wenn das eine
Ende ganz fest, das andere frey ist, (fig. 147.) wenn beyde Enden nur et-
was fest sind, (fig. 153.) wenn beyde Enden ganz fest sind, (fig. 155.)
wenn ein Ende ganz, das andere etwas fest ist, (fig. 156.) zeigt auch die
Erfahrung, daß man allezeit den nächstfolgenden Ton, bisweilen auch noch
einen bey einem schwachen Nachklingen des Grundtons, wenn dieser et-
was tief ist, schwach mithören könne, die in Bewegung gesetzte Stelle sey,
welche sie wolle. Alle einzelne harmonische Töne einer Saite, wie auch al-
le Töne anderer klingender Körper, bey denen die Axe von den Schwingun-
gen durchschnitten wird, sind zwar auch der Möglichkeit des Mitklingens an-
derer Töne unterworfen, man kann aber durch Dämpfung der in Ruhe blei-
benden Stellen alle Töne, bey denen die Axe nicht in den nämlichen Stellen
durchschnitten wird, ausschließen und den verlangten Ton ganz rein darstel-
len. Durch die Erfahrung läßt sich dieses sehr leicht bestätigen, bisweilen
hört man nämlich bey dem Streichen eines Stabes oder einer Scheibe zwo
Töne zugleich, und es erscheint sodann bey dem Aufstreuen des Sandes kei-
ne bestimmte Configuration; berührt man aber eine oder ein paar Stellen,
welche bey dem einen Klange, nicht aber bey dem andern in Ruhe bleiben,
so wird man den verlangten Klang ohne Beymischung eines andern hören,
und eine bestimmte Figur erhalten. Wenn man also gewußt hätte, daß es

klingen-

auch, ſo wie bey dem Grundtone einer Saite, außer dem naͤchſtfolgenden
Tone allezeit noch mehrere, oder wohl gar alle uͤbrigen Toͤne mitzuklingen
pflegen, getraue ich mir nicht zu beſtimmen; indem ich bisher keine hin-
laͤngliche Verſuche daruͤber angeſtellt habe. Wenn an Staͤben, Scheiben,
Glocken und andern elaſtiſchen Koͤrpern, wo die hoͤhern Toͤne in andern Ver-
haͤltniſſen ſtehen, als an einer Saite, mehrere Toͤne zugleich klingen, ſo
ſind es ſchlechterdings keine andern, als die, welche der naͤmliche Koͤrper
einzeln geben kann. Bey den Schwingungsarten eines Stabes, wo die
Axe nirgends durchſchnitten wird, naͤmlich in den Faͤllen, wenn das eine
Ende ganz feſt, das andere frey iſt, (fig. 147.) wenn beyde Enden nur et-
was feſt ſind, (fig. 153.) wenn beyde Enden ganz feſt ſind, (fig. 155.)
wenn ein Ende ganz, das andere etwas feſt iſt, (fig. 156.) zeigt auch die
Erfahrung, daß man allezeit den naͤchſtfolgenden Ton, bisweilen auch noch
einen bey einem ſchwachen Nachklingen des Grundtons, wenn dieſer et-
was tief iſt, ſchwach mithoͤren koͤnne, die in Bewegung geſetzte Stelle ſey,
welche ſie wolle. Alle einzelne harmoniſche Toͤne einer Saite, wie auch al-
le Toͤne anderer klingender Koͤrper, bey denen die Axe von den Schwingun-
gen durchſchnitten wird, ſind zwar auch der Moͤglichkeit des Mitklingens an-
derer Toͤne unterworfen, man kann aber durch Daͤmpfung der in Ruhe blei-
benden Stellen alle Toͤne, bey denen die Axe nicht in den naͤmlichen Stellen
durchſchnitten wird, ausſchließen und den verlangten Ton ganz rein darſtel-
len. Durch die Erfahrung laͤßt ſich dieſes ſehr leicht beſtaͤtigen, bisweilen
hoͤrt man naͤmlich bey dem Streichen eines Stabes oder einer Scheibe zwo
Toͤne zugleich, und es erſcheint ſodann bey dem Aufſtreuen des Sandes kei-
ne beſtimmte Configuration; beruͤhrt man aber eine oder ein paar Stellen,
welche bey dem einen Klange, nicht aber bey dem andern in Ruhe bleiben,
ſo wird man den verlangten Klang ohne Beymiſchung eines andern hoͤren,
und eine beſtimmte Figur erhalten. Wenn man alſo gewußt haͤtte, daß es

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[70/0078] auch, ſo wie bey dem Grundtone einer Saite, außer dem naͤchſtfolgenden Tone allezeit noch mehrere, oder wohl gar alle uͤbrigen Toͤne mitzuklingen pflegen, getraue ich mir nicht zu beſtimmen; indem ich bisher keine hin- laͤngliche Verſuche daruͤber angeſtellt habe. Wenn an Staͤben, Scheiben, Glocken und andern elaſtiſchen Koͤrpern, wo die hoͤhern Toͤne in andern Ver- haͤltniſſen ſtehen, als an einer Saite, mehrere Toͤne zugleich klingen, ſo ſind es ſchlechterdings keine andern, als die, welche der naͤmliche Koͤrper einzeln geben kann. Bey den Schwingungsarten eines Stabes, wo die Axe nirgends durchſchnitten wird, naͤmlich in den Faͤllen, wenn das eine Ende ganz feſt, das andere frey iſt, (fig. 147.) wenn beyde Enden nur et- was feſt ſind, (fig. 153.) wenn beyde Enden ganz feſt ſind, (fig. 155.) wenn ein Ende ganz, das andere etwas feſt iſt, (fig. 156.) zeigt auch die Erfahrung, daß man allezeit den naͤchſtfolgenden Ton, bisweilen auch noch einen bey einem ſchwachen Nachklingen des Grundtons, wenn dieſer et- was tief iſt, ſchwach mithoͤren koͤnne, die in Bewegung geſetzte Stelle ſey, welche ſie wolle. Alle einzelne harmoniſche Toͤne einer Saite, wie auch al- le Toͤne anderer klingender Koͤrper, bey denen die Axe von den Schwingun- gen durchſchnitten wird, ſind zwar auch der Moͤglichkeit des Mitklingens an- derer Toͤne unterworfen, man kann aber durch Daͤmpfung der in Ruhe blei- benden Stellen alle Toͤne, bey denen die Axe nicht in den naͤmlichen Stellen durchſchnitten wird, ausſchließen und den verlangten Ton ganz rein darſtel- len. Durch die Erfahrung laͤßt ſich dieſes ſehr leicht beſtaͤtigen, bisweilen hoͤrt man naͤmlich bey dem Streichen eines Stabes oder einer Scheibe zwo Toͤne zugleich, und es erſcheint ſodann bey dem Aufſtreuen des Sandes kei- ne beſtimmte Configuration; beruͤhrt man aber eine oder ein paar Stellen, welche bey dem einen Klange, nicht aber bey dem andern in Ruhe bleiben, ſo wird man den verlangten Klang ohne Beymiſchung eines andern hoͤren, und eine beſtimmte Figur erhalten. Wenn man alſo gewußt haͤtte, daß es klingen-

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Zitationshilfe: Chladni, Ernst Florens Friedrich: Entdeckungen über die Theorie des Klanges. Leipzig, 1787, S. 70. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/chladni_klang_1787/78>, abgerufen am 02.05.2024.