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Christ, Johann Ludwig: Vollständige Pomologie. Bd. 1. Das Kernobst. Berlin, 1809.

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Nach diesen Familien-Classen von Aepfeln folgen
nun solche Classen, deren Unterscheidungszeichen blos
nach ihrer äußern Gestalt angegeben sind. Denn hier
verlassen uns nun die Familien-Charactere. -- Wollte
man aber weit hergesuchte Charactere aufstellen, um
eine Menge Nebenzweige von Gattungen in ein System
zu bringen, so würde solches die Pomologie so verwirrt
und unfaßlich, als verdrüßlich zu erlernen machen: zu-
mal da diese angenehme Wissenschaft ein sehr vermisch-
tes Publicum hat, und die mehresten ihrer Verehrer,
darunter auch vieles Frauenzimmer ist, sich nicht zu den
Gelehrten zählen, und denen ein System am liebsten ist,
je weniger Rubriken und Unterabtheilungen dasselbe hat.

Freilich bleibt immer die Classification nach den
Formen eine unvollständige Eintheilung für die Natur,
zumal ein und derselbe Baum oft Früchte von gar ver-
schiedener Form träget, wie z. B. unter den gewöhnlich
plattrunden, ihrer eigentlichen Art nach, auch längliche
oder doch hochaussehende Exemplaren sich befinden, so
wie hinwiederum unter denen nach ihrer Art länglichen
sich auch viele rundliche finden: ferner unter scharfkanti-
gen und rippigen, manche nur von flachen Erhöhungen
sind etc. -- Allein man muß nicht nur die Form und
Gestalt nach den meisten der Früchten annehmen und be-
urtheilen, sondern es wird auch bald ein geübter Blick
die eigentliche Früchte einer Art oder Sorte kennen, und
bey aller Abweichung von ihrer eigentlichen Form, die
die Natur einer solchen Sorte angewiesen hat, unter-
scheiden lernen, ob man schon nicht so eigentlich und deut-
lich angeben kann, worin man die Aehnlichkeit entdecke.

Nach dieſen Familien-Claſſen von Aepfeln folgen
nun ſolche Claſſen, deren Unterſcheidungszeichen blos
nach ihrer äußern Geſtalt angegeben ſind. Denn hier
verlaſſen uns nun die Familien-Charactere. — Wollte
man aber weit hergeſuchte Charactere aufſtellen, um
eine Menge Nebenzweige von Gattungen in ein Syſtem
zu bringen, ſo würde ſolches die Pomologie ſo verwirrt
und unfaßlich, als verdrüßlich zu erlernen machen: zu-
mal da dieſe angenehme Wiſſenſchaft ein ſehr vermiſch-
tes Publicum hat, und die mehreſten ihrer Verehrer,
darunter auch vieles Frauenzimmer iſt, ſich nicht zu den
Gelehrten zählen, und denen ein Syſtem am liebſten iſt,
je weniger Rubriken und Unterabtheilungen daſſelbe hat.

Freilich bleibt immer die Claſſification nach den
Formen eine unvollſtändige Eintheilung für die Natur,
zumal ein und derſelbe Baum oft Früchte von gar ver-
ſchiedener Form träget, wie z. B. unter den gewöhnlich
plattrunden, ihrer eigentlichen Art nach, auch längliche
oder doch hochausſehende Exemplaren ſich befinden, ſo
wie hinwiederum unter denen nach ihrer Art länglichen
ſich auch viele rundliche finden: ferner unter ſcharfkanti-
gen und rippigen, manche nur von flachen Erhöhungen
ſind ꝛc. — Allein man muß nicht nur die Form und
Geſtalt nach den meiſten der Früchten annehmen und be-
urtheilen, ſondern es wird auch bald ein geübter Blick
die eigentliche Früchte einer Art oder Sorte kennen, und
bey aller Abweichung von ihrer eigentlichen Form, die
die Natur einer ſolchen Sorte angewieſen hat, unter-
ſcheiden lernen, ob man ſchon nicht ſo eigentlich und deut-
lich angeben kann, worin man die Aehnlichkeit entdecke.

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[288/0336] Nach dieſen Familien-Claſſen von Aepfeln folgen nun ſolche Claſſen, deren Unterſcheidungszeichen blos nach ihrer äußern Geſtalt angegeben ſind. Denn hier verlaſſen uns nun die Familien-Charactere. — Wollte man aber weit hergeſuchte Charactere aufſtellen, um eine Menge Nebenzweige von Gattungen in ein Syſtem zu bringen, ſo würde ſolches die Pomologie ſo verwirrt und unfaßlich, als verdrüßlich zu erlernen machen: zu- mal da dieſe angenehme Wiſſenſchaft ein ſehr vermiſch- tes Publicum hat, und die mehreſten ihrer Verehrer, darunter auch vieles Frauenzimmer iſt, ſich nicht zu den Gelehrten zählen, und denen ein Syſtem am liebſten iſt, je weniger Rubriken und Unterabtheilungen daſſelbe hat. Freilich bleibt immer die Claſſification nach den Formen eine unvollſtändige Eintheilung für die Natur, zumal ein und derſelbe Baum oft Früchte von gar ver- ſchiedener Form träget, wie z. B. unter den gewöhnlich plattrunden, ihrer eigentlichen Art nach, auch längliche oder doch hochausſehende Exemplaren ſich befinden, ſo wie hinwiederum unter denen nach ihrer Art länglichen ſich auch viele rundliche finden: ferner unter ſcharfkanti- gen und rippigen, manche nur von flachen Erhöhungen ſind ꝛc. — Allein man muß nicht nur die Form und Geſtalt nach den meiſten der Früchten annehmen und be- urtheilen, ſondern es wird auch bald ein geübter Blick die eigentliche Früchte einer Art oder Sorte kennen, und bey aller Abweichung von ihrer eigentlichen Form, die die Natur einer ſolchen Sorte angewieſen hat, unter- ſcheiden lernen, ob man ſchon nicht ſo eigentlich und deut- lich angeben kann, worin man die Aehnlichkeit entdecke.

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Zitationshilfe: Christ, Johann Ludwig: Vollständige Pomologie. Bd. 1. Das Kernobst. Berlin, 1809, S. 288. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/christ_pomologie01_1809/336>, abgerufen am 16.07.2024.