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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827.

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Gedanken allein. Ich war ganz im Innern ver¬
wirrt; mein Herz pochte ungestüm, und mir
kam der ganze heutige Tag vor, wie ein Traum.
Meine alte Wirthin schüttelte über mein auffallendes
Benehmen den Kopf; ich rührte keine Speise
an, und rannte unruhig in meinem Zimmer
umher. Es schlug endlich vier Uhr; nach fünf
Minuten war ich vor den Thoren der Residenz,
ich durchschweifte die Gegend, und entdeckte
endlich Antoniens Garten. Mit welchen Empfin¬
dungen öffnete ich die Thüre, als die fünfte
Stunde herbeigekommen war! --

Antonie saß mit ihrer Mutter in einem freund¬
lichen Gartenhäuschen, und ich wurde mit einer
Artigkeit empfangen, die mich meine drückende
Angst vergessen ließ. Antoniens Mutter verließ
uns kurz darauf, und ehe ich noch fragen konnte,
wo denn Marie weile, trat sie selbst in ihrer
Anmuth zu uns heran, und schloß ihre Freundin
in die Arme.

"Vergeben Sie diese Raschheit," hob ich an,
und nahte mich Marien, "aber mein Herz sah
keinen andern Ausweg. Ich weiß, was man
mit Ihnen vorhat, mein Fräulein, aber fürchten
Sie die Pläne der Politik nicht, wo treue Liebe

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Gedanken allein. Ich war ganz im Innern ver¬
wirrt; mein Herz pochte ungeſtuͤm, und mir
kam der ganze heutige Tag vor, wie ein Traum.
Meine alte Wirthin ſchuͤttelte uͤber mein auffallendes
Benehmen den Kopf; ich ruͤhrte keine Speiſe
an, und rannte unruhig in meinem Zimmer
umher. Es ſchlug endlich vier Uhr; nach fuͤnf
Minuten war ich vor den Thoren der Reſidenz,
ich durchſchweifte die Gegend, und entdeckte
endlich Antoniens Garten. Mit welchen Empfin¬
dungen oͤffnete ich die Thuͤre, als die fuͤnfte
Stunde herbeigekommen war! —

Antonie ſaß mit ihrer Mutter in einem freund¬
lichen Gartenhaͤuschen, und ich wurde mit einer
Artigkeit empfangen, die mich meine druͤckende
Angſt vergeſſen ließ. Antoniens Mutter verließ
uns kurz darauf, und ehe ich noch fragen konnte,
wo denn Marie weile, trat ſie ſelbſt in ihrer
Anmuth zu uns heran, und ſchloß ihre Freundin
in die Arme.

„Vergeben Sie dieſe Raſchheit,“ hob ich an,
und nahte mich Marien, „aber mein Herz ſah
keinen andern Ausweg. Ich weiß, was man
mit Ihnen vorhat, mein Fraͤulein, aber fuͤrchten
Sie die Plaͤne der Politik nicht, wo treue Liebe

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[145/0151] Gedanken allein. Ich war ganz im Innern ver¬ wirrt; mein Herz pochte ungeſtuͤm, und mir kam der ganze heutige Tag vor, wie ein Traum. Meine alte Wirthin ſchuͤttelte uͤber mein auffallendes Benehmen den Kopf; ich ruͤhrte keine Speiſe an, und rannte unruhig in meinem Zimmer umher. Es ſchlug endlich vier Uhr; nach fuͤnf Minuten war ich vor den Thoren der Reſidenz, ich durchſchweifte die Gegend, und entdeckte endlich Antoniens Garten. Mit welchen Empfin¬ dungen oͤffnete ich die Thuͤre, als die fuͤnfte Stunde herbeigekommen war! — Antonie ſaß mit ihrer Mutter in einem freund¬ lichen Gartenhaͤuschen, und ich wurde mit einer Artigkeit empfangen, die mich meine druͤckende Angſt vergeſſen ließ. Antoniens Mutter verließ uns kurz darauf, und ehe ich noch fragen konnte, wo denn Marie weile, trat ſie ſelbſt in ihrer Anmuth zu uns heran, und ſchloß ihre Freundin in die Arme. „Vergeben Sie dieſe Raſchheit,“ hob ich an, und nahte mich Marien, „aber mein Herz ſah keinen andern Ausweg. Ich weiß, was man mit Ihnen vorhat, mein Fraͤulein, aber fuͤrchten Sie die Plaͤne der Politik nicht, wo treue Liebe 10

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Zitationshilfe: Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/151>, abgerufen am 04.12.2024.