als ein wundes Herz mit mir trage? -- Es scheint, als ruhe auf unserm Hause ein Fluch; denn des höchsten Glückes, ein theures, innigge¬ liebtes Weib zu besitzen, soll sich niemand von uns erfreun! -- Aber ohne sie leben, ohne Tina durchs Leben gehn, wie schaal, wie erbärmlich wäre das! -- Nein, das Schicksal kann so hart nicht sein, es hat seine Opfer empfangen, wenn es sie zu fordern berechtigt war. Aber Staunitz? Er vermogte kein Licht zu gewinnen, und ver¬ langte doch so sehnlich danach. Am rathsamsten schien es ihm, nach langer Überlegung und Prü¬ fung, Tina zu meiden, und wo möglich eine Wunde zu heilen, die immer tiefer und gefährlicher zu werden drohte. So vergingen einige Tage im freudeleeren Hinbrüten, als plötzlich der Post¬ bote einen Brief von einer unbekannten Hand brachte. Blauenstein öffnete, und erstaunte nicht wenig, als er am Ende desselben den Namen Staunitz las. Der Brief lautete folgendergestalt:
Blumenau im Febr. 18..
Muß ich Sie, mein verehrter Baron, an eine Nachricht von sich mahnen, die Sie uns Allen seit Monden schuldig geworden sind? Fast vermuthen wir, es möge sich etwas ereignet haben,
als ein wundes Herz mit mir trage? — Es ſcheint, als ruhe auf unſerm Hauſe ein Fluch; denn des hoͤchſten Gluͤckes, ein theures, innigge¬ liebtes Weib zu beſitzen, ſoll ſich niemand von uns erfreun! — Aber ohne ſie leben, ohne Tina durchs Leben gehn, wie ſchaal, wie erbaͤrmlich waͤre das! — Nein, das Schickſal kann ſo hart nicht ſein, es hat ſeine Opfer empfangen, wenn es ſie zu fordern berechtigt war. Aber Staunitz? Er vermogte kein Licht zu gewinnen, und ver¬ langte doch ſo ſehnlich danach. Am rathſamſten ſchien es ihm, nach langer Überlegung und Pruͤ¬ fung, Tina zu meiden, und wo moͤglich eine Wunde zu heilen, die immer tiefer und gefaͤhrlicher zu werden drohte. So vergingen einige Tage im freudeleeren Hinbruͤten, als ploͤtzlich der Poſt¬ bote einen Brief von einer unbekannten Hand brachte. Blauenſtein oͤffnete, und erſtaunte nicht wenig, als er am Ende deſſelben den Namen Staunitz las. Der Brief lautete folgendergeſtalt:
Blumenau im Febr. 18..
Muß ich Sie, mein verehrter Baron, an eine Nachricht von ſich mahnen, die Sie uns Allen ſeit Monden ſchuldig geworden ſind? Faſt vermuthen wir, es moͤge ſich etwas ereignet haben,
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als ein wundes Herz mit mir trage? — Es
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denn des hoͤchſten Gluͤckes, ein theures, innigge¬
liebtes Weib zu beſitzen, ſoll ſich niemand von
uns erfreun! — Aber ohne ſie leben, ohne Tina
durchs Leben gehn, wie ſchaal, wie erbaͤrmlich
waͤre das! — Nein, das Schickſal kann ſo hart
nicht ſein, es hat ſeine Opfer empfangen, wenn
es ſie zu fordern berechtigt war. Aber Staunitz?
Er vermogte kein Licht zu gewinnen, und ver¬
langte doch ſo ſehnlich danach. Am rathſamſten
ſchien es ihm, nach langer Überlegung und Pruͤ¬
fung, Tina zu meiden, und wo moͤglich eine
Wunde zu heilen, die immer tiefer und gefaͤhrlicher
zu werden drohte. So vergingen einige Tage
im freudeleeren Hinbruͤten, als ploͤtzlich der Poſt¬
bote einen Brief von einer unbekannten Hand
brachte. Blauenſtein oͤffnete, und erſtaunte nicht
wenig, als er am Ende deſſelben den Namen
Staunitz las. Der Brief lautete folgendergeſtalt:
Blumenau im Febr. 18..
Muß ich Sie, mein verehrter Baron, an eine
Nachricht von ſich mahnen, die Sie uns Allen
ſeit Monden ſchuldig geworden ſind? Faſt
vermuthen wir, es moͤge ſich etwas ereignet haben,
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 160. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/166>, abgerufen am 20.02.2025.
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