Es blieb nichts übrig, als sich in die Sache zu finden, und Blauenstein hoffte auf einer Reise nach seinen Gütern den Kummer und die ganze ärgerliche Geschichte zu vergessen. Der März war ungewöhnlich heiter und anmuthig; der Secretair Blum redete zu, und Blauenstein reis'te ab. Aber konnte er sich aus dem Sinne schlagen, was ihm das Liebste jetzt war auf dieser Welt, konnte er hineingreifen in das Herz, und Albertinens lächlendes Liebesbild herausreißen? Sie war, sie blieb sein einziger Gedanke; ihre Liebenswürdig¬ keit war eben so wenig zu vergessen, wie Staunitz räthselhaftes Schreiben, und wollte er das seinige verbessern, sich überhaupt in einem günstigern Lichte zeigen, so blieb am Ende nichts übrig, als nach Blumenau zu reisen. Er überlegte hin und her; die Administratoren seiner Güter, welche dem jungen Herrn ihre Huldigung dargebracht, wußten sich in sein Benehmen nicht zu finden, und meinten, in seinem Kopfe müsse es nicht richtig sein, aber zu einem Entschluß zu kommen, war ihm rein unmöglich. Allen veranstalteten Festen wohnte er mit der größten Zerstreuung bei, er wußte auf die wohlstudirten Reden seiner ihn empfangenden Prediger keine Sylbe zu sagen, weil er ihre kunstreichen Worte gar nicht gehört; vollends waren alle Essereien und Gastmähler
Es blieb nichts uͤbrig, als ſich in die Sache zu finden, und Blauenſtein hoffte auf einer Reiſe nach ſeinen Guͤtern den Kummer und die ganze aͤrgerliche Geſchichte zu vergeſſen. Der Maͤrz war ungewoͤhnlich heiter und anmuthig; der Secretair Blum redete zu, und Blauenſtein reiſ'te ab. Aber konnte er ſich aus dem Sinne ſchlagen, was ihm das Liebſte jetzt war auf dieſer Welt, konnte er hineingreifen in das Herz, und Albertinens laͤchlendes Liebesbild herausreißen? Sie war, ſie blieb ſein einziger Gedanke; ihre Liebenswuͤrdig¬ keit war eben ſo wenig zu vergeſſen, wie Staunitz raͤthſelhaftes Schreiben, und wollte er das ſeinige verbeſſern, ſich uͤberhaupt in einem guͤnſtigern Lichte zeigen, ſo blieb am Ende nichts uͤbrig, als nach Blumenau zu reiſen. Er uͤberlegte hin und her; die Adminiſtratoren ſeiner Guͤter, welche dem jungen Herrn ihre Huldigung dargebracht, wußten ſich in ſein Benehmen nicht zu finden, und meinten, in ſeinem Kopfe muͤſſe es nicht richtig ſein, aber zu einem Entſchluß zu kommen, war ihm rein unmoͤglich. Allen veranſtalteten Feſten wohnte er mit der groͤßten Zerſtreuung bei, er wußte auf die wohlſtudirten Reden ſeiner ihn empfangenden Prediger keine Sylbe zu ſagen, weil er ihre kunſtreichen Worte gar nicht gehoͤrt; vollends waren alle Eſſereien und Gaſtmaͤhler
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Es blieb nichts uͤbrig, als ſich in die Sache
zu finden, und Blauenſtein hoffte auf einer Reiſe
nach ſeinen Guͤtern den Kummer und die ganze
aͤrgerliche Geſchichte zu vergeſſen. Der Maͤrz
war ungewoͤhnlich heiter und anmuthig; der
Secretair Blum redete zu, und Blauenſtein reiſ'te
ab. Aber konnte er ſich aus dem Sinne ſchlagen,
was ihm das Liebſte jetzt war auf dieſer Welt,
konnte er hineingreifen in das Herz, und Albertinens
laͤchlendes Liebesbild herausreißen? Sie war, ſie
blieb ſein einziger Gedanke; ihre Liebenswuͤrdig¬
keit war eben ſo wenig zu vergeſſen, wie Staunitz
raͤthſelhaftes Schreiben, und wollte er das ſeinige
verbeſſern, ſich uͤberhaupt in einem guͤnſtigern
Lichte zeigen, ſo blieb am Ende nichts uͤbrig,
als nach Blumenau zu reiſen. Er uͤberlegte hin
und her; die Adminiſtratoren ſeiner Guͤter, welche
dem jungen Herrn ihre Huldigung dargebracht,
wußten ſich in ſein Benehmen nicht zu finden,
und meinten, in ſeinem Kopfe muͤſſe es nicht
richtig ſein, aber zu einem Entſchluß zu kommen,
war ihm rein unmoͤglich. Allen veranſtalteten
Feſten wohnte er mit der groͤßten Zerſtreuung
bei, er wußte auf die wohlſtudirten Reden ſeiner
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weil er ihre kunſtreichen Worte gar nicht gehoͤrt;
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 164. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/170>, abgerufen am 20.02.2025.
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