So sehr sich Blauenstein seiner Anwesenheit in Blumenau freute, denn er war ja in ihrer Nähe, er athmete ja mit ihr eine Luft und durfte in die blauen Seelenaugen des Himmelskindes sehn, die in zarter Liebessehnsucht schwammen, er fühlte eine Bangigkeit, eine Angst, die er sich nicht gern erklären mogte. Seines Vaters lieb¬ ster Wunsch war es gewesen, daß er sie zu seiner Gattin erwähle, und nun war sie einem andern geworden, was sie ihm hätte sein sollen, -- nein, es war nicht zu ertragen! -- Staunitz sah den sonderbaren Zustand Blauensteins, er hatte es so zu veranstalten gewußt, daß beide auf einem Zimmer wohnten, und als sie nach dem Nacht¬ essen dasselbe aufsuchten, um der Ruhe zu genie¬ ßen, fragte Staunitz: "Was fehlt Ihnen, mein Freund? Soll, darf ich errathen, was in Ihnen vorgeht?"
"Sie sprachen." erwiederte Blauenstein, und wandte sein erröthendes Gesicht ab, "Sie sprachen in Ihrem Briefe von Veränderungen im Hause, ich habe bis jetzt nicht bemerkt, worin diese be¬ stehn könnten. Aber worin wollen Sie den Grund meines Trübsinnes finden?"
"Nun, wir wollen uns nicht vor uns selbst
So ſehr ſich Blauenſtein ſeiner Anweſenheit in Blumenau freute, denn er war ja in ihrer Naͤhe, er athmete ja mit ihr eine Luft und durfte in die blauen Seelenaugen des Himmelskindes ſehn, die in zarter Liebesſehnſucht ſchwammen, er fuͤhlte eine Bangigkeit, eine Angſt, die er ſich nicht gern erklaͤren mogte. Seines Vaters lieb¬ ſter Wunſch war es geweſen, daß er ſie zu ſeiner Gattin erwaͤhle, und nun war ſie einem andern geworden, was ſie ihm haͤtte ſein ſollen, — nein, es war nicht zu ertragen! — Staunitz ſah den ſonderbaren Zuſtand Blauenſteins, er hatte es ſo zu veranſtalten gewußt, daß beide auf einem Zimmer wohnten, und als ſie nach dem Nacht¬ eſſen daſſelbe aufſuchten, um der Ruhe zu genie¬ ßen, fragte Staunitz: „Was fehlt Ihnen, mein Freund? Soll, darf ich errathen, was in Ihnen vorgeht?“
„Sie ſprachen.“ erwiederte Blauenſtein, und wandte ſein erroͤthendes Geſicht ab, „Sie ſprachen in Ihrem Briefe von Veraͤnderungen im Hauſe, ich habe bis jetzt nicht bemerkt, worin dieſe be¬ ſtehn koͤnnten. Aber worin wollen Sie den Grund meines Truͤbſinnes finden?“
„Nun, wir wollen uns nicht vor uns ſelbſt
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So ſehr ſich Blauenſtein ſeiner Anweſenheit
in Blumenau freute, denn er war ja in ihrer
Naͤhe, er athmete ja mit ihr eine Luft und durfte
in die blauen Seelenaugen des Himmelskindes
ſehn, die in zarter Liebesſehnſucht ſchwammen, er
fuͤhlte eine Bangigkeit, eine Angſt, die er ſich
nicht gern erklaͤren mogte. Seines Vaters lieb¬
ſter Wunſch war es geweſen, daß er ſie zu ſeiner
Gattin erwaͤhle, und nun war ſie einem andern
geworden, was ſie ihm haͤtte ſein ſollen, — nein,
es war nicht zu ertragen! — Staunitz ſah den
ſonderbaren Zuſtand Blauenſteins, er hatte es ſo
zu veranſtalten gewußt, daß beide auf einem
Zimmer wohnten, und als ſie nach dem Nacht¬
eſſen daſſelbe aufſuchten, um der Ruhe zu genie¬
ßen, fragte Staunitz: „Was fehlt Ihnen, mein
Freund? Soll, darf ich errathen, was in Ihnen
vorgeht?“
„Sie ſprachen.“ erwiederte Blauenſtein, und
wandte ſein erroͤthendes Geſicht ab, „Sie ſprachen
in Ihrem Briefe von Veraͤnderungen im Hauſe,
ich habe bis jetzt nicht bemerkt, worin dieſe be¬
ſtehn koͤnnten. Aber worin wollen Sie den
Grund meines Truͤbſinnes finden?“
„Nun, wir wollen uns nicht vor uns ſelbſt
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Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/180>, abgerufen am 20.02.2025.
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