"Sagen Sie," brach endlich Staunitz das eingetretene Schweigen, und wendete sich an Blauenstein, "sagen Sie, lieber Baron, Sie konn¬ ten wohl aus meinem Briefe gar nicht klug wer¬ den, da er Ihnen in der That sehr zweideutig klingen mußte. Aber ich hatte eine sehr weise Absicht, einmal, um Sie ein ganz klein wenig zu quälen, aber dann besonders, um Sie recht zu überraschen, wenn sich Ihr Irrthum auf eine freundliche Weise aufgelös't!"
"Diesen Zweck haben Sie vollkommen erreicht," sagte Blauenstein, und reichte der bräutlichen Tina an Staunitz weg seine Hand, so daß der letztere meinte, dergleichen Contrebande können nicht mehr statuirt werden, "und wenn ich der¬ maleinst meine Jugendgeschichte niederschreiben sollte, so nenne ich diesen Abschnitt meines Lebens auf jeden Fall Liebe und Irrthum, oder Irr¬ thum und Liebe, was wohl auf Eins heraus¬ kommen wird!"
"Bravo!" rief Emil, und hob sein Kelchglas hoch empor. "Dieser Einfall ist vortrefflich, und verdient einen tumultuarischen Kelchklang. Daher
„Sagen Sie,“ brach endlich Staunitz das eingetretene Schweigen, und wendete ſich an Blauenſtein, „ſagen Sie, lieber Baron, Sie konn¬ ten wohl aus meinem Briefe gar nicht klug wer¬ den, da er Ihnen in der That ſehr zweideutig klingen mußte. Aber ich hatte eine ſehr weiſe Abſicht, einmal, um Sie ein ganz klein wenig zu quaͤlen, aber dann beſonders, um Sie recht zu uͤberraſchen, wenn ſich Ihr Irrthum auf eine freundliche Weiſe aufgeloͤſ't!“
„Dieſen Zweck haben Sie vollkommen erreicht,“ ſagte Blauenſtein, und reichte der braͤutlichen Tina an Staunitz weg ſeine Hand, ſo daß der letztere meinte, dergleichen Contrebande koͤnnen nicht mehr ſtatuirt werden, „und wenn ich der¬ maleinſt meine Jugendgeſchichte niederſchreiben ſollte, ſo nenne ich dieſen Abſchnitt meines Lebens auf jeden Fall Liebe und Irrthum, oder Irr¬ thum und Liebe, was wohl auf Eins heraus¬ kommen wird!“
„Bravo!“ rief Emil, und hob ſein Kelchglas hoch empor. „Dieſer Einfall iſt vortrefflich, und verdient einen tumultuariſchen Kelchklang. Daher
<TEI><text><body><divn="1"><pbfacs="#f0196"n="190"/><p>„Sagen Sie,“ brach endlich Staunitz das<lb/>
eingetretene Schweigen, und wendete ſich an<lb/>
Blauenſtein, „ſagen Sie, lieber Baron, Sie konn¬<lb/>
ten wohl aus meinem Briefe gar nicht klug wer¬<lb/>
den, da er Ihnen in der That ſehr zweideutig<lb/>
klingen mußte. Aber ich hatte eine ſehr weiſe<lb/>
Abſicht, einmal, um Sie ein ganz klein wenig<lb/>
zu quaͤlen, aber dann beſonders, um Sie recht<lb/>
zu uͤberraſchen, wenn ſich Ihr Irrthum auf eine<lb/>
freundliche Weiſe aufgeloͤſ't!“</p><lb/><p>„Dieſen Zweck haben Sie vollkommen erreicht,“<lb/>ſagte Blauenſtein, und reichte der braͤutlichen<lb/>
Tina an Staunitz weg ſeine Hand, ſo daß der<lb/>
letztere meinte, dergleichen Contrebande koͤnnen<lb/>
nicht mehr ſtatuirt werden, „und wenn ich der¬<lb/>
maleinſt meine Jugendgeſchichte niederſchreiben<lb/>ſollte, ſo nenne ich dieſen Abſchnitt meines Lebens<lb/>
auf jeden Fall Liebe und Irrthum, oder Irr¬<lb/>
thum und Liebe, was wohl auf Eins heraus¬<lb/>
kommen wird!“</p><lb/><p>„Bravo!“ rief Emil, und hob ſein Kelchglas<lb/>
hoch empor. „Dieſer Einfall iſt vortrefflich, und<lb/>
verdient einen tumultuariſchen Kelchklang. Daher<lb/></p></div></body></text></TEI>
[190/0196]
„Sagen Sie,“ brach endlich Staunitz das
eingetretene Schweigen, und wendete ſich an
Blauenſtein, „ſagen Sie, lieber Baron, Sie konn¬
ten wohl aus meinem Briefe gar nicht klug wer¬
den, da er Ihnen in der That ſehr zweideutig
klingen mußte. Aber ich hatte eine ſehr weiſe
Abſicht, einmal, um Sie ein ganz klein wenig
zu quaͤlen, aber dann beſonders, um Sie recht
zu uͤberraſchen, wenn ſich Ihr Irrthum auf eine
freundliche Weiſe aufgeloͤſ't!“
„Dieſen Zweck haben Sie vollkommen erreicht,“
ſagte Blauenſtein, und reichte der braͤutlichen
Tina an Staunitz weg ſeine Hand, ſo daß der
letztere meinte, dergleichen Contrebande koͤnnen
nicht mehr ſtatuirt werden, „und wenn ich der¬
maleinſt meine Jugendgeſchichte niederſchreiben
ſollte, ſo nenne ich dieſen Abſchnitt meines Lebens
auf jeden Fall Liebe und Irrthum, oder Irr¬
thum und Liebe, was wohl auf Eins heraus¬
kommen wird!“
„Bravo!“ rief Emil, und hob ſein Kelchglas
hoch empor. „Dieſer Einfall iſt vortrefflich, und
verdient einen tumultuariſchen Kelchklang. Daher
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/196>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.