Zierlichkeit, daß er ihr seine höchste Zufriedenheit durch einige, fast zu oft wiederholte Umarmungen und mit feurigen Küssen inniger Liebe an den Tag legte; denn Oncle Heinrich und Bruder Emil meinten, wenn das so fortgehe, so müßten sie gegenseitig, sammt und sonders den Tisch ohne gehörige Speise und Trank verlassen. Emil schlug daher vor, man solle Herrn Sander, den Ober¬ verwalter rufen, der vermöge seiner geistreichen, öconomischen Unterhaltung die alte Ordnung leicht herstellen könne; aber Staunitz wußte ein weit einfacheres Mittelchen, und setzte sich ohne weitere Umstände zwischen das darob fast zürnende Paar, das jetzt auf nichts, als vielsagende Blicke beschränkt blieb. Tina schmollte ein wenig, denn sie hatte wohlweislich den Tisch nur für die Familie und Gäste eingerichtet, damit die Verwalter, welche ihr Vater auf Heinrichs Empfehlung immer um sich hatte, nicht Zeuge ihrer Unterhaltung sein sollten, und nun war ihr Plan gescheitert! --
Blauenstein vermogte kaum einen Bissen der delicaten Speisen zu genießen, so voll des süßen Liebesglücks war er, und sah mit Verwunderung dem Schnellesser Emil zu, der sich um das ganze Treiben weiter nicht kümmerte.
Zierlichkeit, daß er ihr ſeine hoͤchſte Zufriedenheit durch einige, faſt zu oft wiederholte Umarmungen und mit feurigen Kuͤſſen inniger Liebe an den Tag legte; denn Oncle Heinrich und Bruder Emil meinten, wenn das ſo fortgehe, ſo muͤßten ſie gegenſeitig, ſammt und ſonders den Tiſch ohne gehoͤrige Speiſe und Trank verlaſſen. Emil ſchlug daher vor, man ſolle Herrn Sander, den Ober¬ verwalter rufen, der vermoͤge ſeiner geiſtreichen, oͤconomiſchen Unterhaltung die alte Ordnung leicht herſtellen koͤnne; aber Staunitz wußte ein weit einfacheres Mittelchen, und ſetzte ſich ohne weitere Umſtaͤnde zwiſchen das darob faſt zuͤrnende Paar, das jetzt auf nichts, als vielſagende Blicke beſchraͤnkt blieb. Tina ſchmollte ein wenig, denn ſie hatte wohlweislich den Tiſch nur fuͤr die Familie und Gaͤſte eingerichtet, damit die Verwalter, welche ihr Vater auf Heinrichs Empfehlung immer um ſich hatte, nicht Zeuge ihrer Unterhaltung ſein ſollten, und nun war ihr Plan geſcheitert! —
Blauenſtein vermogte kaum einen Biſſen der delicaten Speiſen zu genießen, ſo voll des ſuͤßen Liebesgluͤcks war er, und ſah mit Verwunderung dem Schnelleſſer Emil zu, der ſich um das ganze Treiben weiter nicht kuͤmmerte.
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0195"n="189"/>
Zierlichkeit, daß er ihr ſeine hoͤchſte Zufriedenheit<lb/>
durch einige, faſt zu oft wiederholte Umarmungen<lb/>
und mit feurigen Kuͤſſen inniger Liebe an den<lb/>
Tag legte; denn Oncle Heinrich und Bruder<lb/>
Emil meinten, wenn das ſo fortgehe, ſo muͤßten<lb/>ſie gegenſeitig, ſammt und ſonders den Tiſch ohne<lb/>
gehoͤrige Speiſe und Trank verlaſſen. Emil ſchlug<lb/>
daher vor, man ſolle Herrn Sander, den Ober¬<lb/>
verwalter rufen, der vermoͤge ſeiner geiſtreichen,<lb/>
oͤconomiſchen Unterhaltung die alte Ordnung leicht<lb/>
herſtellen koͤnne; aber Staunitz wußte ein weit<lb/>
einfacheres Mittelchen, und ſetzte ſich ohne weitere<lb/>
Umſtaͤnde zwiſchen das darob faſt zuͤrnende Paar,<lb/>
das jetzt auf nichts, als vielſagende Blicke beſchraͤnkt<lb/>
blieb. Tina ſchmollte ein wenig, denn ſie hatte<lb/>
wohlweislich den Tiſch nur fuͤr die Familie und<lb/>
Gaͤſte eingerichtet, damit die Verwalter, welche<lb/>
ihr Vater auf Heinrichs Empfehlung immer um<lb/>ſich hatte, nicht Zeuge ihrer Unterhaltung ſein<lb/>ſollten, und nun war ihr Plan geſcheitert! —</p><lb/><p>Blauenſtein vermogte kaum einen Biſſen der<lb/>
delicaten Speiſen zu genießen, ſo voll des ſuͤßen<lb/>
Liebesgluͤcks war er, und ſah mit Verwunderung<lb/>
dem Schnelleſſer Emil zu, der ſich um das ganze<lb/>
Treiben weiter nicht kuͤmmerte.<lb/></p></div></body></text></TEI>
[189/0195]
Zierlichkeit, daß er ihr ſeine hoͤchſte Zufriedenheit
durch einige, faſt zu oft wiederholte Umarmungen
und mit feurigen Kuͤſſen inniger Liebe an den
Tag legte; denn Oncle Heinrich und Bruder
Emil meinten, wenn das ſo fortgehe, ſo muͤßten
ſie gegenſeitig, ſammt und ſonders den Tiſch ohne
gehoͤrige Speiſe und Trank verlaſſen. Emil ſchlug
daher vor, man ſolle Herrn Sander, den Ober¬
verwalter rufen, der vermoͤge ſeiner geiſtreichen,
oͤconomiſchen Unterhaltung die alte Ordnung leicht
herſtellen koͤnne; aber Staunitz wußte ein weit
einfacheres Mittelchen, und ſetzte ſich ohne weitere
Umſtaͤnde zwiſchen das darob faſt zuͤrnende Paar,
das jetzt auf nichts, als vielſagende Blicke beſchraͤnkt
blieb. Tina ſchmollte ein wenig, denn ſie hatte
wohlweislich den Tiſch nur fuͤr die Familie und
Gaͤſte eingerichtet, damit die Verwalter, welche
ihr Vater auf Heinrichs Empfehlung immer um
ſich hatte, nicht Zeuge ihrer Unterhaltung ſein
ſollten, und nun war ihr Plan geſcheitert! —
Blauenſtein vermogte kaum einen Biſſen der
delicaten Speiſen zu genießen, ſo voll des ſuͤßen
Liebesgluͤcks war er, und ſah mit Verwunderung
dem Schnelleſſer Emil zu, der ſich um das ganze
Treiben weiter nicht kuͤmmerte.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend
gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien
von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem
DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
Clauren, Heinrich: Liebe und Irrthum. Nordhausen, 1827, S. 189. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/clauren_liebe_1827/195>, abgerufen am 28.07.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.